Plauen, Vogtlandtheater Plauen, Der Vorname: Satire über allzu Menschliches, IOCO Kritik, 30.01.2016
Der Vorname von Alexandre de la Patellière und Matthieu Delaporte
Satirischer Blick in Abgründe des allzu Menschlichen
Eine weithin populäre französische Komödie, auch als Film erfolgreich, erlebte am 21. Januar auf der Kleinen Bühne des Vogtlandtheaters ihre gutbesuchte Premiere. Oberspielleiter Gilbert Mieroph inszenierte mit Witz, Satire, manchem Scherz und nicht ganz ohne tiefere Bedeutung.
Wenn es stimmt, dass der Franzose sein Geld eher für das exklusive Savoir-vivre ausgibt, dann passte das Ambiente des Wohnraumes einigermaßen, den Ausstattungsleiterin Luisa Lange auf der Kleinen Bühne des Vogtlandtheaters aufstellen ließ. Die schlichten Bücherwände von Ikea, der Tisch wird später zusammenbrechen, die Stereoanlage ist eher einem Kinderzimmer entnommen, auch die Heizung hat ihre Tücken. Ob so spartanisch französisches Bildungsbürgertum lebt – er immerhin Literaturprofessor, sie Lehrerin – sei dahingestellt. Zugegeben, der Hausherr wird im Laufe der sich zuspitzenden Enthüllungen als Geizhals entlarvt. Vielleicht begründet sich aber die Bescheidenheit des gezeigten Interieurs auch profan im Fehlen der dem Theater dafür bereitstehenden Mittel…
Elisabeth, die Lehrerin, anfänglich ziemlich schrill gegeben von Else Hennig, dann zu großer Form findend, die ihr für den finalen Abrechnungsmonolog Szenenapplaus einbringt, hat gekocht, marokkanisch. Gäste werden erwartet. Pierre, ihr professoraler, in Cordhose was sonst?, gekleideter Gatte, der sich noch umziehen wollte, belässt es bei dem gräulichen Hemd. Er hätte ein frisches nehmen sollen. Und ein Deo.
Die Gäste trudeln ein. Zuerst der alte Freund: Claude (Daniel Koch). Musiker, genauer Posaunist, ist seit Kindheitstagen mit der Familie von Elisabeth und ihrem Bruder Vincent eng vertraut. Als dann Vincent (Jens Hollwedel), noch ohne seine Frau Anna, erscheint, nimmt die Geschichte Fahrt auf. Es sind etwas mehr als fünf Minuten vergangen, da offenbart er seiner Schwester, ihrem Mann und dem Freund, dass das von Anna erwartete Kind, ein Junge, den Vornamen Adolphe, sprich Adolf, tragen soll. Man hätte gewarnt sein müssen, denn kurz vorher hatte er die Gesellschaft relativ stillos zum Besten gehalten (er behauptet, der Fötus sei tot). Auch die Adolphe-Geschichte sollte ein Witz sein, der aber gründlich daneben geht. Pierre, der Alt-Linke, dem Björn-Ole Blunck nötige Borniertheit verleiht, ist völlig aus dem Häuschen, auch die anderen finden den Namen reichlich deplatziert. Doch das ist nur der Auftakt. Peinliche Enthüllungen, Selbstentblößung und ein gnadenloser Abrechnungsfuror bestimmen den weiteren Verlauf.
Dabei gelingt es dem Ensemble, die teils schwierigen Pointen sicher zu setzen, und auch der Rhythmus stimmt. Die Komödie lebt von dem, was das Genre verlangt: Verwechslungen, überspitztes Reagieren, aneinander vorbeireden, hochgradige Übertreibung und immer wieder dem Blick in die offengelegten Abgründe des Menschlichen, dem nichts fremd ist. Befremdlich blieb, dass dem Zuschauer aufgetischt wird, französischen Intellektuellen, die locker über Derrida und Montaigne plaudern, wären mediokre Schlagersänger wie Christian Anders oder Costa Cordalis geläufig.
Die Komödie nimmt an Schwung zu. Schwager Vincent, als Immobilienmakler reich und sehr dominant geworden, wird des gnadenlosen Egoismus beschuldigt; Freund Claude, interner Spitzname Pflaume, als verkappter Schwuler scheinbar entlarvt. Der Professor hat sich beim Schreiben seiner Dissertation am wissenschaftlichen Material seiner Frau bedient und sie überhaupt ins Abseits gestellt. Die Schwägerinnen hatten sich nie wirklich etwas zu sagen. Schwester Elisabeth erinnert sich leidvoll, dass Bruder Vincent immer vorgezogen wurde, und so weiter und so fort. Alles bleibt im Persönlich-Privaten; es sind Sorgen, die mancher gerne hätte, der wirklich welche hat.
Es hieße aber auch, von einer Boulevardkomödie mehr verlangen, als sie zu geben imstande ist. Da passt es sogar, dass die kapitalste Enthüllung Claude angeht, der so gar nicht schwul, sondern seit Jahren eine klandestine Liaison mit der 30 Jahre älteren Mutter von Elisabeth und Vincent hat.
Der Vorname, die Komödie von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière in der Übersetzung von Georg Holzer, wird auch in Plauen mit Sicherheit ein Erfolg werden. Das Stück hat Tempo, intellektuellen Charme und wird nie langweilig. Es blickt sogar ein wenig hinter die wohlgehütete Fassade bürgerlicher Lebensart, was sich, wer hätte es nicht geahnt, oft auch als ernüchternd erweist. Lutz Behrens / 29.01.2016
Nächste Vorstellungen: Plauen 31. Januar, 18 Uhr, 29. April 19.30 Kleine Bühne des Vogtlandtheater; Zwickau: 9.2.2016 und 19.3.2016 im Theater in der Mühle
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