Perpignan, Musée d´Art Hyacinthe Rigaud, Künstler des Roussillon, IOCO Ausstellungen, 19.08.2020
Musée d'Art Hyacinthe Rigaud de Perpignan
Musée d'Art Hyacinthe Rigaud - Die Künstler des Roussillon
- Malereien als ort- und zeitlose Meditationen -
von Hanns Butterhof
Das Musée d'Art Hyacinthe Rigaud in Perpignan ist eine Schatzkammer der Kunst des Roussillon, dem französischen Teil Kataloniens, einer Region um die Stadt Perpignan im Süden Frankreichs gelegen. In zwei mit einander verbundenen Villen im Stadtzentrum von Perpignan bieten die Sammlungen ein Panorama der Geschichte Perpignans vom 15. bis zum 20. Jahrhundert. Neben bedeutenden Werken der Gotik bilden die Adels-Portraits des bekanntesten Malers der Stadt und Namensgebers des Museums, Hyacinthe Rigaud (1659 - 1743), das Zentrum der Kunst des Barock. Die Moderne hat ihren Schwerpunkt bei dem im benachbarten Banyuls sur Mer geborenen Aristide Maillol (1861 - 1944), Pablo Picasso (1881 - 1973), Raoul Dufy (1877 – 1953) und viele andere Künstler mit Perpignan -Bezug sind prominent in den Sälen der permanenten Ausstellung vertreten.
In aktuellen Ausstellungen präsentiert das Musée d'Art Hyacinthe Rigaud regionale Künstler oder internationale Großmeister, wobei sorgsam auf den regionalen Bezug geachtet wird, etwa mit „Picasso à Perpignan“ 2017, „Raoul Dufy - Les Ateliers de Perpignan 1949 - 1950“ 2018 (IOCO Bericht link HIER!) oder „Rodin - Maillol, face à face“ 2019 (IOCO Bericht link HIER!). In der aktuellen Ausstellung „L'esprit du lieu - 20 artistes en 2020“ zeigt das Museum in neun Räumen 20 Künstler der Region rund um Perpignan. Der Geist der Region erweist sich dabei als äußerst vielgestaltig und tendenziell als ort- und zeitlose Meditation.
Schon im ersten Saal muss sich umorientieren, wer Regionalität in den Exponaten erwartet hat. Die aus Seoul stammende Yoon-Hee, eine der nur vier in der Ausstellung vertretenen Frauen, arbeitet mit industriell gefertigten Metallteilen. Sie bespielt das Entrée (Bild oben) mit breitflächig verstreuten, angerosteten Elementen, die bei weitem Deutungspotenzial an die Stätte eines katastrophalen Verkehrsunfalls erinnern. Ins Heitere wendet sich danach der Schotte John Goudie Lynch, der sich im realistisch gemalten Selbstportrait mit Narrenkappe und Pappnase darstellt. Seinen Sinn fürs Skurrile belegen auch ein Jockey, der in voller Montur auf Karussell-Pferde einpeitscht oder der kopf- und fußlose Torso eines Mannes, der versonnen eine rote Spielzeug-Lokomotive aus Holz in den abgearbeiteten Händen hält. Ähnlich skurril personenbezogen sind die kleinformatigen Bilder von Emmanuelle Jude, auf denen sich in klaren Farben fast fotorealistisch einzelne Figuren am Strand mit kuriosen Verrenkungen an einem viel zu niedrig angebrachten Wasserspender abmühen.
Großformatig wiederum sind Abstraktionen von Patrick Lacoste und von Jean Louis Vila, zwei der fünf in Perpignan geborenen Künstler. Sind bei Lacoste noch Naturmotive wie Bäume zu ahnen, bestückt Vila rechteckige Flächen mit verspielten Applikationen.
Joseph Maureso entwirft stark geometrisierte Ansichten von Zukunfts-Städten in erstaunlich verheißungsvollem Licht, die man sich in Dialog mit sieben verkohlten Brettern denken kann, die Michel Fourquet ausstellt. Allerdings dimmt das kleine digitale Feuerchen, das im mittleren Brett flackert, die mögliche Bedeutung stark herab.
Einer großformatigen, farbsatten Abendstimmung über dem Meer von Albert Woda steht locker hingetuscht Gegenstandloses von Jacques Capdeville und Francesca Caruana gegenüber. Sie steuert noch eine dekorative, stehlampenhohe Skulptur bei: ein weiß gestrichener Pfahl, an dem rundum in den reinen Farben Joan Mirós uni bemalte Elemente in der Form von Kindersocken angebracht sind.
Wenn Sébastien Frère, von dem in der ganzen Region auch an vielen öffentlichen Orten wunderbare Keramiken mit lokalen Motiven zu sehen sind, zeit- und ortlose farbliche Meditationen ausstellt, dann bringt er damit die Tendenz der Ausstellung, die so auch für jede andere Stadt kuratiert werden könnte, auf den Punkt.
Beim Passieren der übrigen Künstler überraschen dann doch zwei von ihnen mit deutlich regionalem Bezug in ihren Werken. Michel Arnaudiès collagiert seine meist titellosen Bilder mit verschiedenen Materialien, die etwa auf katalanisches Totengedenken oder mit François Millets Bild L'Angelus auf ein zentrales Motiv des Gemäldes La Gare de Perpigan von Salvador Dalí verweisen. Michel Latte schließlich zeigt (Bild oben) Fotos seiner von der indischen Kolams-Kunst inspirierten Mandalas, die er vor historischen Orten Perpignans wie der Kathedrale Saint Jean Baptiste auslegt. Und seine ehrerbietend mit glänzender Goldfolie überzogenen Wege und Felsen vor dem heiligen Berg Kataloniens, dem Canigou, sind ein von weit herkommender Tribut an den Geist des Orts.
Die Ausstellung L'esprit du lieu - 20 artistes en 2020 bietet einen guten Überblick über die Breite des überwiegend männlichen Schaffens mehrheitlich älterer Künstler in der gesegneten Landschaft, die fast alle bedeutenden Maler der Moderne angezogen hat. Sie zeigt aber auch, dass der im Ausstellungs-Titel beschworene Geist des Orts, der mehr wäre als das gleichzeitige Schaffen von zwanzig verschiedenen Künstlern in der selben Region, bestenfalls als ein schwaches Lüftchen weht.
Die Ausstellung L'esprit du lieu - 20 artistes en 2020 im Musée d'Art Hyacinthe Rigaud, 21 rue Mailly, F 66000 Perpignan, ist noch bis 1. November 2020 zu sehen. Zweisprachige Beschilderung der Exponate in Französisch und Englisch. Weitere Informationen unter www.musee-rigaud.fr
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