Paris, Théâtre de l'Athénée, HOMMAGE À CLARA UND ROBERT…, IOCO

CLARA UND ROBERT SCHUMANN: Ein Höhepunkt der deutschen Romantik… Ein Höhepunkt der romantischen Liederzyklen, nach Gedichten von Heinrich Heine (1797-1856) und vorgetragen von der französisch-dänischen Sopranistin Elsa Dreisig mit ihrem Komplizen

Paris, Théâtre de l'Athénée, HOMMAGE À CLARA UND ROBERT…, IOCO
Théâtre de l'Athénée @ Wikimedia Commons

Im Rahmen  der Serie LES LUNDIS MUSICAUX: HOMMAGE À CLARA UND ROBERT… Ein kammer-musikalischer Liederabend mit Werken von  Clara und Robert Schumann; mit Elsa Dreisig - Sopran, Romain Louveau - Klavier, Nikola Nikolov - Violine

 von Peter Michael Peters

„ICH WACHE AUF UND DAS WORT, ICH HABE ES VERGESSEN…..“

ICH GROLLE NICHT

Ich grolle nicht, und wenn das Herz

auch bricht,

Ewig verlor’nes Lieb! Ich grolle nicht.

Wie du auch strahlst in

Diamantenpracht.

Es fällt kein Strahl in deines Herzens Nacht.

 

Das weiss ich längst. Ich sah dich ja im

Traume,

Und sah die Nacht in deines Herzens

Raume.

Und sah die Schlang‘, die dir am

Herzen frisst,

Ich sah, mein Lieb, wie sehr du elend

Bist.

Ich grolle nicht.

(Heine / R.Schumann: Auszug aus Dichterliebe)

Ein Höhepunkt der deutschen Romantik…

Ein Höhepunkt der romantischen Liederzyklen, nach Gedichten von Heinrich Heine (1797-1856) und vorgetragen von der französisch-dänischen Sopranistin Elsa Dreisig mit ihrem Komplizen, dem französischen Pianisten Romain Louveau, an den Grenzen des Wortes in den sechzehn Wundern der Welt: Dichterliebe, Op. 48 (1861). Das außergewöhnliche musikalische Nachspiel des letzten Liedes scheint darauf hinzuweisen, dass nur Musik die Bedeutungsbewegung fortsetzten kann. In der   Sonate für Klavier und Violine N° 2, Op. 121 (1853), interpretiert von dem bulgarischen Violinisten Nikola Nikolov geraten die musikalischen Bilder jedoch selbst an ihre Grenzen.

CLARA SCHUMANN in Düsseldorf @ IOCO

Monströs und unverhältnismäßig, voller Akzente und großer abrupter Wendungen, die nur fragile Zwischenräume für bewegende lyrische Fragmente lassen, wird sie von den Musikern aufgegeben, die den beruhigenden Klassizismus der vorherigen Sonate bevorzugen, die nur wenige Monate zuvor komponiert war, aber von Robert Schumann (1810-1856) abgewertet wurde. In der Mitte dieses riesigen Instrumental-Freskos gibt es jedoch einen überaus langsamen Satz von beunruhigender Zerbrechlichkeit, wie ein erinnertes Volkslied: Aber hier fehlen die Worte! Dieses Programm erkundet diese riesigen Weiten der musikalischen Landschaften und ihre bewegenden verträumten Ränder von Clara Schumann (1819-1896) und ihres weit über den Tod hinaus geliebten Gatten.

ROBERT SCHUMANN in Düsseldorf @ IOCO

Ein krönendes Hochzeitsgeschenk von Robert…

Der Zyklus Dichterliebe ist basierend auf die heiklen Gedichte von Heine und ist zweifelslos der berühmteste und auch vollendeste romantische Zyklus. Die vom 24. bis 31. Mai 1840 komponierten Lieder sind zunächst Felix Mendelssohn (1809-1847) gewidmet, einem weisen Leser und Interpreten: Der auch mit viel Talent in seinen  Heine-Lieder, Op. 34 (1834/1837) sein Bestes gab. Die erst im September 1844 veröffentlichten Schumann-Lieder erhalten die Op. Nummer 48 und sind der hochdramatischen Sopranistin Wilhelmine Schröder-Devrient (1804-1860) gewidmet, Ludwig van Beethovens (1770-1837) unvergesslichen Interpretin der Hauptrolle in der Oper Fidelio (1805), als wollten sie das Schicksal abwehren und laut sagen, dass Clara für immer der Fidelio ihres Dichter-Musikers ist. Von zwanzig sinkt die Zahl der Lieder auf sechzehn, indem vier von ihnen gestrichen werden, zwei in jedem „Heft“ von zehn: Veröffentlicht nur im späten Op. 127, N° 2 und 3 und Op. 142 posth. N° 2 und 4. Die Überschrift ändert sich dann zu Dichterliebe, einem eher narrativen Titel, der zweifellos von Friedrich Rückert (1788-1866) entlehnt ist und das Gegenstück zu Frauenliebe und -Leben, Op. 42 (1840) bildet, einem Ausdruck: Der die Bedeutung des Gedichts unterstreicht und sich gleichzeitig auf den rein musikalischen Dichter von Op. 15 bezieht und der Untertitel wird Liederzyklus genannt.   

CLARA UND ROBERT ..... hier Elsa Dreißig, Sopran, Romain Louveau, Klavier @ Peter Michael Peters

Für seinen Zyklus Dichterliebe traf Schumann eine Auswahl aus 66 [65] so „musikalischen“ Gedichten aus Heines Lyrisches Intermezzo (1822) - veröffentlicht im symbolträchtigen Buch der Lieder (1827) – das von seiner enttäuschten Liebe zu seiner Cousine Amalie erzählt. Der Komponist behält die ersten Gedichte, die letzten und arrangiert einige andere frei nach seiner Wahl! Obwohl unvollständig, bleibt die Geschichte sehr verständlich: N° 1 – 4, Geburt der Liebe; N° 5 – 6, Distanz zum Geliebten; N° 7 – 12, Verrat an den Geliebten, die einen anderen heiratet; N° 13 – 16, Verzweiflung des Idealisten und treuen Dichters, dann Trauer-Meditation mittels Träumen oder abgeschwächter rettender Ironie: Jedoch bei Schumann verhältnismäßig selten! Die musikalische Dauer folgt der der Gedichte, ist sehr kurz und wird mit der Zeit immer länger. Die Perfektion des Zyklus ist nicht nur auf die wunderbare Inspiration jedes einzelnen musikalischen Moments zurückzuführen, sondern auch auf die beispielhafte Kohärenz dieser Fragment-Konstellation. Jenseits der erzählerischen Verbindung und der poetischen Wiederkehr: Der Rhein und der Kölner Dom in N° 6 und 16, der Traum in N° 7 und 13 – 16, Tränen, Blumen, Engel usw., werden wir vier Hauptfaktoren der Einheit hervorheben. Erstens wurde die groß angelegte Projektion lokaler Merkmale, wie etwa der Modulationen von N° 1 auf die erzeugenden Töne von N° 2, 3 und 5, wie insbesondere die Halb-Kadenz des ersten Liedes auf die Beziehung des Ganzen übertragenen Zyklus. Dann die zahlreichen motivischen Ähnlichkeiten, darunter verschiedene Figuren aus fünf verbundenen Noten, die von Eric  Sams (1926-2004  „Thema von Clara genannt wurden und zumindest durch ihre Anzahl an die Buchstaben ihres Vornamens erinnern, den Robert bereits am 11. Oktober 1817 an das junge Mädchen schrieb: „Ich möchte überall in großen Buchstaben und in Akkorden CLARA zeichnen“! Die Erinnerung an den Tränengesang von N° 2 in 13, an den pianistischen Teil von N° 12 in der Coda von N° 16 und vor allem trotz unterschiedlicher harmonischen Funktionen besteht die pianistische Identität von Anfang bis zum Ende fest. Außerdem löst sich das Subtile unter der Verwendung verwandter oder doppelt funktionierender Noten auf, in eine wahre harmonische Polysemie, wie z. B. eines nicht abschließenden Endes in N° 1, einer Dominant-Tonika mit Beziehung  zwischen dem Ende eines Liedes und dem nächsten oder einer wichtigen gemeinsamen Note N° 1, 5 – 6: Oder auch eine ambivalente Übereinstimmung zweier Töne! Die Beziehung kann auch von einer gemeinsamen rhythmischen Figur abhängen. Wie der abweichende Gesang  von N° 10, 11, 12 und der Epilog von N° 16! Schließlich die Logik der tonalen Reise durch eine Abfolge benachbarter Töne im depressiven Sinne der tief absteigenden Quinten zusätzlich zu einer großen unerträglichen aufschlussreichen Bedeutung der Spannungen, die durch die grobe und verletzende  Diffamierungs-Kampagne gegen Schumann durch Friedrich Wieck (1785-1873), dem Vater von Clara und durch die auch die unterdrückten verschatteten Lieder ausgelöst wurden: Diese beeinträchtigten die Reinheit des modulatorischen Feldes leider etwas zu sehr!

CLARA UND ROBERT ... hier Elsa Dreißig, Sopran @ Peter Michael Peters

Schumann wird die strophische Struktur der Gedichte N° 1, 9 respektieren und rhythmische Exkurse mitunter beeinträchtigen, indem er aber die Klarheit des Ganzen gefährden könnte, N° 7, 8, 14. Und auch wenn der Gesangsteil mit einer seltenen Ausdrucks-Intensität pulsiert, bleibt er dennoch sehr in kurze Zeiträume unterteilt. Was das Klavier anbelangt, so kann es in der Emotion noch weiter gehen, wenn die Innigkeit über die Worte siegt, oder in der Ironie: „Wenn die Stimme von Hoffnung spricht, verspottet und bemitleidet das Klavier im Hintergrund seine Illusionen“. (Marcel Brion / 1895-1984). Das Wort Witz, dieses „Salz des Geistes“ der Intellektuellen, ist Florestan und auch Eusebius (um 265-339) nicht entgangen!

Eine kammer-musikalische Fortsetzung eines liebenden Dichter-Musikers…

In unglaublicher kurzer Zeit, zwischen dem 26. Oktober und dem 2. November 1851, in Düsseldorf komponiert, wurde sie am 15. November von Clara und Joseph von Wasielewski (1822-1896) vor einem kleinen Freundeskreis von Schumann gespielt. Dieses sehr anspruchsvolle Werk trägt den Original-Titel Zweite Große Sonate und wurde anschließend aufwendig poliert und überarbeitet. Im Januar 1853 schlug Schumann es Breitkopf & Härtel vor, doch die Veröffentlichung verzögerte sich. Clara und Joseph Joachim (1831-1907) waren die Interpreten der Uraufführung, die am 29. Oktober 1853 in Düsseldorf stattfand. Als die Sonate für Klavier und Violine N° 2 im November 1854 endlich veröffentlicht wurde, war Schumann bereits wegen einer schweren Geisteskrankheit in Endenich interniert. Aber er hatte noch seinem Freund, dem großen Geiger Ferdinand David (1810-1873) diese Sonate gewidmet, der schon zwölf Jahre zuvor seine 3 Quartette, Op. 41, N° 1, 2, 3 (1842) kreierte.

Die Liebe und das Leiden einer außergewöhnlichen Frau…

Im Gegensatz zu Fanny Mendelssohn (1805-1847) und Alma Mahler (1879-1964), die von ihrem Bruder und Ehemann auf ihrem kreativen Weg kaum Unterstützung erhielten, erfuhr Clara nur Ermutigung. „Meine Tochter, ich ermutige sie auf dem Weg des Unterrichtens, sie improvisiert jedoch, ein einzigartiges Privileg, das man bei keinem Pianisten findet. Trotzdem bin ich vorsichtig und lasse mich nicht blenden“, schreibt Wieck. Allerdings war er sehr stolz dass sie 1831 die Vier Polonaisen Op. 1 veröffentlichen konnte. Und Clara hatte weiterhin große Erfolge: „Mein Scherzo N° 2 gefällt ihnen hier wirklich sehr und verlangen jedes Mal beim Beifallklatschen eine Wiederholung“ erzählte sie 1839 aus Paris. Versunken in ihrer Karriere als Pianistin, ihr familiäres Glück und Unglück, ist sie sich jedoch ihrer Grenzen im Vergleich zum Genie ihres Lebensgefährten bewusst. Dennoch bremst Clara ihre kreativen Talente: Wenn ich bei dir lebe, werde ich nie wieder ans Komponieren denken – ich müsste verrückt sein. Außerdem ist es mit immer peinlich, dir meine Werke zu zeigen“ (1839).  Wir müssen auch verstehen, dass Clara, obwohl der Komponist sie nicht darum gebeten hatte, das fragile Gleichgewicht in ihrer Ehe immer wiederherstellen musste, weil sie Robert ihre eigenen Gaben als Komponistin geopfert hatte: Der seinerseits seine Pianisten-Finger zerstört hatte!

CLARA UND ROBERT hier Szenenphoto mit Nikola Nikolov, Violine und Romain Louveau, Klavier@ Peter Michael Peters

 Von der immer noch sehr selten gespielten Kammermusik von Clara wird an diesem Abend aus den Drei Romanzen Op. 22 für Klavier und Violone die N° 1 (1853) gespielt. Dieses noch sehr romantische Werk wurde im gleichen Jahr komponiert wie die Grosse Sonate Op 21 ihres Ehemanns, was uns auch die große Harmonie in ihrem gemeinsamen Künstler-Leben bezeugt. Mann könnte fast sagen: Clara konnte nicht ohne Robert leben und komponieren und umgekehrt wahrscheinlich auch! Die beiden Lieder nach Gedichten von Heine: 1. Ich stand in dunklen Träumen und 2. Sie liebten sich beide stammen aus dem kurzen Zyklus Sechs Lieder, Op. 13 (1844) und enthalten die übersensible eigenständige Tonsprache vermischt mit unendlichen musikalischen Traumlandschaften. Auch das Lied Beim Abschied, WoO. 22 (1846) nach einem Gedicht von Rückert ist in der gleichen fast rücksichtslosen Atmosphäre entstanden. Diese wenigen Werke der Komponistin, die wir heute Abend hören, zeigt uns dass Clara einen eigenständigen Kreations-Willen hatte und diese auch ausführte! Aber gleichzeitig erscheint uns doch: Dass all diese musikalischen Wunder von Robert und Clara gemeinsam erschaffen wurde von zwei klopfenden Herzen, von zwei empfindsamen Seelen in ihrer eigenen empfindsamen musikalischen Landschaft entstanden sind…

PROGRAMM: Robert Schumann: Dichterliebe, Op. 48: 1. Im wunderschönen Monat Mai  2. Aus meinen Tränen sprießen  3. Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne  4. Wenn ich in deine Augen seh‘  5. Ich will meine Seele tauchen  6. Im Rhein, im heiligen Strome  7. Ich grolle nicht  8. Und wüßten’s die Blumen, die kleinen  9. Das ist ein Flöten und Geigen  10. Hör ich das Liedchen klingen  11. Ein Jüngling liebt ein Mädchen  12. Am leuchtenden Sommermorgen. * Clara Schumann: Romanze Op. 22, N° 1 für Klavier und Violine * Robert Schumann: Dichterliebe (Fortsetzung)  13. Ich hab‘ im Traum geweinet  14. Allnächtlich im Träume  15. Aus alten Märchen  16. Am leuchtenden Sommermorgen. * Sonate für Klavier und Violine, Op. 121 * Clara Schumann: Sechs Lieder, Op. 13:  1. Ich stand in dunklen Träumen  2. Sie liebten sich beide. *  Robert Schumann: Fantasiestücke, Op. 73  (Fortsetzung) Sonate für Klavier und Violine, Op. 121 * Clara Schumann: Beim Abschied, WoO 22 (nach einem Gedicht von Rückert).

CLARA UND ROBERT SCHUMANN - hier wohnten sie @ IOCO

CLARA UND ROBERT - Konzert - Théâtre de l’Athénée Paris - 15. April 2024

Vermischte musikalische Seelen-Landschaften…

Es war wohl eine grosse Ehre, Elsa Dreisig im Théâtre de l’Athénée Paris begrüßen zu dürfen, die von den größten Opernhäusern der Welt gesucht wird und auf deren Programm  einer der Höhepunkte deutscher Romantik stand: Clara und Robert Schumann, zwei vereinte Künstler-Seelen: Ein Gipfel romantischer Liederzyklen nach Gedichten von Heine. Extended Mirrors lud die Sopranistin zusammen mit ihrem langjährigen Begleiter, dem Pianisten Romain Louveau, zu den Grenzen des Wortes in den sechzehn Wundern der Dichterliebe ein…

Eine große Herausforderung, die Dreisig erfolgreich gemeistert hat, die es gewohnt ist viele Risiken einzugehen: Unter anderem mit ihrer Salome (1905) von Richard Strauss (1864-1949) beim Festival von Aix-en-Provence und natürlich mit ihrem neuen Album Mozart x 3, auf dem sie mit viel Tapferkeit und Können fast alle Rollen der Sopran-Kollaboration übernahm mit Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) und Lorenzo Da Ponte (1749-1838). Aber was noch viel unwahrscheinlicher ist: Dreisig ist nicht nur eine ausgezeichnete Sopranistin, sie auch eine wunderbare Lied-Interpretin und das kann man heute suchen! Eine einmalige Diktion und selbst in den höchsten Stimmlagen versteht man jedes Wort! An diesem Abend widmet sich die Sopranistin in guter Gesellschaft von Nikola Nikolov an der Violine und Louveau am Klavier, mit dem sie bereits Lieder von Rita Strohl (1865-1941) einspielen konnte, einem fast ausschließlich von männlichen Interpreten vorbehaltenen Werk.

Obwohl die Dichterliebe der deutschen Sopranistin Schröder-Devrient gewidmet ist, wurde sie tatsächlich am häufigsten von männlichen Interpreten gesungen: Etwa von dem Bariton Dietrich Fischer-Dieskau (1925-2012) in Begleitung seines ewigen Pianisten Alfred Brendel (*1931), aber auch von dem Tenor Fritz Wunderlich (1930-1966), dessen Live-Aufnahme bei den Salzburger Festspielen noch immer nachhallt in unseren Ohren und heute als fast „endgültig“ gilt. Einige Sängerinnen, wie die Sopranistin Barbara Bonney (*1956) und die Mezzo-Sopranistin Brigitte Fassbänder (*1939) haben sich erfolgreich daran gewagt, manchmal indem sie Töne zugunsten einer größeren Leichtigkeit modifizieren und die Vorherrschaft von über ein bestimmtes Genre behaupteten, um diesem Werk so mehr Tiefe und Erleichterung zu verleihen…

CLARA UND ROBERT hier Szenenphoto mit Nikola Nikolov, Violine, Romain Louveau, Klavier und Elsa Dreißig, Sopran @ Peter Michael Peters

Tatsächlich handelt es sich bei der Dichterliebe um einen anerkannten Liederzyklus, in dem es nicht an Aufnahmen oder Konzert-Aufführungen mangelt. Wie wir in einem der Lieder hören: „Es ist eine alte Geschichte, aber sie bleibt immer neu“. Immer wieder neu , wenn es dem Interpret während eines Lieder-Abends gelingt, diese zerbrochenen Lieben zu seinen eigenen zu machen und ihr Ende in der unendlichen Natur durch die idealisierten Beschreibungen des Dichters Heine noch verstärkt zu finden. Doch die ständige Herausforderung eines Lieder-Abends, auch für erfahrene Sänger liegt nicht im Gesang, sondern in der Inkarnation. Kristallklare Töne oder makellose Diktion nützen nichts, wenn der Gesang körperlos und ohne Substanz bleibt. Dreisig bringt diese Präsenz vollständig zum Ausdruck und strahlt ohne erkennbare Schwierigkeiten eine warme und klare natürliche Stimme aus, die manchmal flehend und schließlich in den letzten Liedern des Abends überaus strahlend in ungeahnte Überhöhen aufsteigt. Mit vorbildlicher Sprechweise erleben wir eher eine musikalische Interpretation als eine steife nichtssagende Konzert-Interpretation und trotz einiger etwas schwächlichen dünnen tieferen Tönen bringt die Sängerin die dramatischsten hohen Töne des Programms mit einem wunderschönen natürlichen Vibrato zum Erklingen. Die Lieder folgen aufeinander und bilden eine hervorragende Kombination zwischen der Sängerin und ihrem Pianisten. Wobei der Pianist nicht im Hintergrund bleibt, sondern im Gegenteil einen tiefschürfenden Dialog mit der Sängerin schafft. Es ist dieselbe Haltung, die während des gesamten Lieder-Abends zum Vorschein kommt, sowohl zwischen Louveau und Nikolov in den Instrumental-Passagen als auch zwischen dem Pianisten und Dreisig, die sich gegenseitig unterstützen und einander die in diesen Liedern enthaltenen Geschichten erzählen.

Die Komplizenschaft der Künstler ermöglicht es so, besonders bewegende Momente mitzuerleben wie  z. B. „Aus meinen Tränen sprießen“ und auch ins besonders „Am leuchtenden Sommermorgen“, wo die Stimme von Dreisig die zart berührten Noten wie im Gleichgewicht mit den Klavierakkorden sanft streichelt.

Claras Romanze für Klavier und Violine durchbricht den gewöhnlichen Fluss der Lieder und schließt den ersten Teil ab, dessen romantischer Ton viel stärker zum Ausdruck kommt als in den vier letzten Liedern des Zyklus, wo die Dramatik endlich die Oberhand zu gewinnen scheint. Um diesen stürmischen Herbst zu mildern und die „Liebe des Dichters“ zu besänftigen, folgen mehrere Instrumental-Passagen aus Schumanns Sonate Op. 121, in denen Louveau und Nikolov die sentimentalen Impulse der Partitur subtil hervorhebt. Insbesondere im ersten Satz, wo Nikolovs Verbeugung in Fragen endet…

Vielleicht gerade als Antworten geplant, greifen drei Lieder von Clara ein, von denen das letzte Lied einen Auszug aus einer Fantasie von Robert folgt und den Lieder-Abend krönend abschließt. Dieser delikate und äußerst sensible „kammer-musikalische Liederabend“ brachte uns in die intimsten  Sphären von zwei ewigen Liebenden, von zwei leicht verwundbaren Seelen, von zwei großen Künstlern: Weit über den Tod hinaus bleiben sie sich treu dank ihrer unsterblichen Liebe und Musik! Clara und Robert in alle Ewigkeit!

So beendet Dreisig den Lieder-Abend mit dem Lied Beim Abschied von Clara Schumann bei dem die zarte Phrasierung und die natürliche Ausdruckskraft der Sängerin mit wenigen Effekten und ohne Zwang das Publikum traurig zum Abschied von ihr einladen wird. Diesen Lieder-Zyklus rund um menschliche Tragödien und Enttäuschungen in der Liebe beschließt die Sopranistin dann mit einer Zugabe den beruhigenden „noch einmal“ : Morgen! Op. 27, N° 4 (1894) von Strauss nach dem Gedicht von John Henry Mackay (1864-1933): „Und Morgen wird die Sonne wieder scheinen…“ (PMP/20.04.2024)

Auskünfte und Karten:  www.Athenee-theatre.com - Der nächste Lieder-Abend:  6. Mai 2024 / Mark Padmore, Tenor / Julius Drake, Klavier, mit Werken von Clara Schumann, Robert Schumann, Fauré, Clarke, Hahn und Britten.

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