Paris, Théâtre des Champs-Élysées, GIULIO CESARE IN EGITTO – G. F. Händel, IOCO Kritik, 30.10.2023
Théâtre des Champs-Élysées – Paris
GIULIO CESARE IN EGITTO, HWV 17 (1724) – Georg Friedrich Händel
Oper in drei Akten, Libretto Nicola Francesco Haym, Text Giacomo Francesco Bussani
KONZERTANT – KOPRODUKTION MIT L E S G R A N D E S V O I X
von Peter Michael Peters
- CLEOPATRAS UNAUFHALTSAMER AUFSTIEG…
- V’adoro, pupille,
- saette d’amore,
- le vostre faville
- son grate nel sen.
- Pietose vi brama
- il mesto mio core,
- ch’ogn’ora vi chiama
- l’amato suo ben
- (Arie der Cleopatra / Akt / 2.Szene)
Porträt einer ehrgeizigen Frau…
Wie ein Star setzt sich der sieggewohnte Feldherr in Szene! Gajus Julius Caesar (100-44 v. Chr.) ist mit einem militärischen Expeditionskorps in das fremde Land Ägypten einmarschiert, um Pompejus dem Großen (106-48 v. Chr.), seinem geflohenen Rivalen um die Macht in Rom, eine letzte entscheidende Schlacht aufzuzwingen. Doch dessen Anhänger kämpfen nicht, sie laufen über. Und schon folgt auch ein Friedens-Angebot, das mehr einer Kapitulation des Kontrahenten gleichkommt.
Ein merkwürdiger Anfang für eine Oper! Der bestehende Konflikt, der den Titelhelden auf den Plan gerufen hat, wird buchstäblich im Handumdrehen gegenstandslos. Ein Jubelfinale könnte dieses Nichts an Handlung bereits wenige Minuten nach der Ouvertüre beenden.
Es scheint, als wolle pure Ironie den Beginn einer politischen Komödie ankündigen. Doch schon schlägt das Geschehen ins Makabre um. Wie ein sehr gespenstiger Witz mutet an, dass die einheimischen Machthaber zur selben Zeit den Kapitulanten zu Tode gebracht haben und nun sein abgeschlagenes Haupt als tätige Freundschaft dokumentierendes Gastgeschenk dem Sieger präsentieren.
Moral ist nun mal keine politische Kategorie und so könnte Caeser zufrieden heimkehren. Sein Kriegsziel ist erreicht, der Sieg ihm regelrecht in den Schoß gefallen, sogar mit der unerwarteten Sicherheit, dass sein Gegenspieler nie wieder gegen ihn aufstehen kann. Was also hält den nunmehr unangefochtenen Herrn über das römische Weltreich von der Rückreise ab?
Er nutzt sofort die neue Lage aus! Er urteilt moralisch, um ganz unmoralisch politischen Vorteil anvisieren zu können. Er postuliert einen römischen Gerechtigkeits-, ja Humanitäts-Anspruch und tadelt scharf die Bluttat des fremden Herrschers. Damit ist eine einzigartige dramatische Konstellation geschaffen. Der Mord an Pompejus gilt von nun an als Verbrechen und steht Sühne heischend über allen weiteren Vorgängen, zumindest für den Zuschauer.
Caeser und Ptolemäus XIV. (47-44 v. J.C.) sind bereits Gegner, bevor sie einander begegnen. Der ob des nicht erwarteten Undanks wütende ägyptische König spielt beim Empfang des Römers ebenso diplomatisch Komödie wie jener, der sich hütet, mit der Tür ins Haus zu fallen. Der Gast äußert sich zwar deutlich, aber noch indirekt: Caesar spekuliert mit der Chance, durch geschickte Manipulation zwischen den Fronten des internen Machtkampfs im Ptolemäer-Reich für Rom fester Fuß fassen zu können als es bisher der Fall war.
Cleopatra VII. (69-30 v. J.C.) nimmt ohne Zögern die willkommene Gelegenheit wahr, gegen ihren despotischen Bruder, der ihr rigoros ihren ererbten Anteil an der Herrschaft vorenthält, einen Verbündeten zu gewinnen. Mit ihrem Eingreifen beginnt eine leichtgeschürzte erotische Komödie. Raffiniert und trickreich sucht Cleopatra den – wie sich sogleich zeigt – leicht entflammbaren Römer an sich zu fesseln, um zuerst bei ihm und schließlich mit seiner Hilfe in ihrem Land zum ersehnten Ziel zu gelangen.