Paris, Théâtre de l'Athénée, LES LUNDIS MUSICAUX, IOCO
Der iranisch-kanadische Counter-Tenor Cameron Shahbazi und die französische Pianistin Sophia Théâtre de l'Athénée: Muñoz spielen und singen ein Programm, das viele Epochen und Kulturen durchkreuzt: Monteverdi, Purcell, Händel, Gluck aber auch traditionelle .......
Les Lundis Musicaux - Arien, Songs, Klaviermusik und amerikanische und persische Folklore…, CAMERON SHAHBAZI - Counter-Tenor, SOPHIA MUÑOZ - Klavier - Alle Farsi-Lieder wurden von Muñoz arrangiert! -18.11.2024
von Peter Michael Peters
Music for a while
Shall all your cares beguile.
Wond’ring how your pains were eas’d
And disdaining to be pleas’d
Till Alecto free the dead
From their eternal bands,
Till the snakes drop from her head,
And the whip from out her hands (Henry Purcell and John Dryden)
VON MONTEVERDI ÜBER ARMSTRONG ZU FARSI-LIEDERN…
Zwei einzigartige Künstler, Freunde im Leben, der iranisch-kanadische Counter-Tenor Cameron Shahbazi und die französische Pianistin Sophia Muñoz spielen und singen ein Programm, das viele Epochen und Kulturen durchkreuzt: Monteverdi, Purcell, Händel, Gluck aber auch traditionelle amerikanische und iranische Lieder…
PROGRAMM:
Christoph Willibald von Gluck (1714-1787):
„Che puro ciel“, Arie aus ORFEO ED EURIDICE (1762).
Libretto von Raniero de Calzabigi (1714-1787).
Philip Glass (*1937):
Orphée’s Bedroom Chamber (2010)
aussi ORPHÉE-SUITE FOR PIANO (2009).
Claudio Monteverdi (1567-1643):
„Adagiati, Poppea… Oblivion soave,“
Arie aus L‘INCORONAZIONE DI POPPEA, SV 308 (1642).
Libretto von Giovanni Francesco Busenello (1598-1659).
Henry Purcell (1659-1695):
“Music for a While”, Z 583 (1692). Song aus dem
Stück OEDIPUS (1678/79) von John Dryden (1631-1700)
und Nathaniel Lee (1653-16962).
Arrangements von Golfam Khayam (*1982) (*)
Neu-Arrangements von Muñoz (**) und Shahbazi (***).
Ewan MacColl (1915-1989): “The first time I ever saw your face” (1969).
Arrangements von Roberta Flack (*1937 , Neu-Arrangement
von James Blake (1947-2014).
Nina Simone (1933-2003):
„Black is the colour of my true love’s hair” (1959).
Arrangements von (**) und (***).
Louis Armstrong (1901-1971): „What a wonderful world” (1967).
Arrangements von Jon Batiste (*1986).
Fazil Say (*1970): „Black Earth“ Suite für Klavier (2003)
Georg Friedrich Händel (1685-1759): „Son stanco… deggio morire, o stelle”,
Arie aus SIROE, RE DI PERSIA (1728).
Joaquin Rodrigo (1901-1999): „Nani Nani” (1945)
Fäegheh Atashin Gougoush (*1950): „Dar Emtedad-e Shab“ (1969)
„Bavar Kon“ (1999)
„Lalaees“ (1951)
Hayedeh (1942-1990): „Shanehayat“ (1962)
Liederabend - Théâtre de l’Athénée, Paris - 18. November 2024
Les Lundis Musicaux im Zeichen der kulturellen Vielfalt…
Shahbazi wurde in Kanada geboren, wo seine iranischen Eltern nach der islamischen Revolution von 1979 ins Exil gingen. Nach eigener Aussage fühlt er sich nirgendwo und doch… überall wirklich zu Hause, wo man die Kulturen von unterschiedlicher Herkunft gewohnt ist zu vermischen: Damit Dialoge stattfinden können! Musik ist naturgemäß ein kraftvolles Vehikel für diese von ihm geforderte Verschmelzung, auch „wenn wir uns nicht verstehen“, fügt er hinzu, „verstehen wir uns trotzdem“, schließt die Pianistin Muñoz.
Er zögerte nicht im Dezember 2022 mit der Frankfurter Oper ein Konzert zur Unterstützung der iranischen Bewegung „Frau – Leben – Freiheit“ (in Persisch: Zan – Zendegi – Azadi) zu veranstalten, die kurz nach dem Tode der jungen Mahsa Amini (1999-2022) ins Leben gerufen wurde. Sie fiel den brutalen Schlägen der Revolutionsgarden zum Opfer, die dafür verantwortlich waren, die Ordnung im Iran aufrechtzuerhalten und dafür zu sorgen haben, dass die Frauen nur mit einem Schleier das Haus verlassen.
Der Counter-Tenor Shahbazi selbst scheut sich nicht, sich dem ganz besonderen Repertoire der zeitgenössischen Oper zu nähern und in Picture a Day Like This (2023) von George Benjamin (*1960) haben wir ihn entdeckt. Er interpretierte die faszinierende Doppelrolle Lover 2 und Composer’s Assistent mit beeindruckender Souveränität und einer gut projizierten Stimme mit hervorragendem Timbre bei der Uraufführung im Festival d’Aix-en-Provence 2023 sowie bei der den Wiederaufnahmen beim Festival Musica Strasbourg 2024 und an der Opéra-Comique Paris. Er hatte auch die Gelegenheit, den Angel 1 in einem anderen emblematischen Werk des Komponisten zu spielen, Written on Skin (2012) während einer Wiederaufnahme im Jahr 2024 an l’Opéra de Lille.
Les Lundis Musicaux im Théâtre de l’Athénée Paris stand im Zeichen eines Schmelztiegels und bot eine echte Reise durch Zeit und Raum…
Er beginnt sein Konzert auf der Bühne mit dem melancholischen „Che puro ciel“, diese von Orfeo gesungenen Arie im zweiten Akt ist voller Ekstase und Traurigkeit und der junge Counter-Tenor stürzt sich mit all seiner Kraft in das spätbarocke Repertoire, das mehr dramatische Phrasen als Virtuosität beinhaltet und gut geeignet ist für sein schönes reines Timbre. Dann kehrt er zu den Ursprüngen der Oper zurück mit „Adagiati, Poppea… Oblivion soave“, Arie aus L’Incoronazione di Poppea von Monteverdi und bevorzugt erneut den introvertierten und zurückhaltenden Stil, sehr gut interpretiert, aber es fehlten einige Legato, was für eine perfekte Umsetzung notwendig gewesen wäre. Mit Rührung nähert sich der Counter-Tenor etwas später am Abend mit der sehr symbolischen Arie „Sono stanco… deggio morire, ostelle“, aus Siroe, re di Persia von Händel.
Mutige Konvergenzen…
In der Zwischenzeit hat sich Shahbazi mit anderen Repertoires beschäftigt, in einer eklektischen Reihenfolge, die die Stimmungen des Augenblicks widerzuspiegeln scheint – die er in einem Tagebuch festhält, das Öffentlichkeit präsentiert – und warum auch nicht? Warum nicht versuchen „ Music for a While“ von Purcell und „The first time I ever saw your face” zu vermischen? Es ist ziemlich gewagt, wenn man bedenkt , dass das erste Britisch ist und aus dem Jahr 1692 stammt und das zweite amerikanisch ist und aus dem Jahr 1957 stammt. Die erste ist eine Musikkomposition aus der Barockzeit, die Purcell für das Theaterstück Oedipus geschrieben hatte und die oft genug in mehreren Vertonungen aufgeführt wird um von zahlreichen aufeinanderfolgenden Arrangements zu profitieren. Der zweite ist ein sogenannter Multiplayer-Song und einer der Songs ist aus dem berühmten Thriller Play Misty for me (1971) von Clint Eastwood (*1930).
Unsere Künstler setzen ihre Sprünge durch die Zeit und verschiedenen Kulturen fort und bieten uns auch die traditionelle amerikanische Ballade „Black is the colour of my true love’s hair“, die von Simone verewigt wurde und eine von Batiste arrangierte Version von „What a wonderful world“. Ein berühmter Amerikanischer Jazzklassiger, gesungen von Armstrong. Er ist noch entschieden besser in einem langsameren und noch mitreißenden deren Stil vorgetragen und angesichts des Erfolgs der Melodie wird es als „zweite“ Zugabe zum Abschluss des Abends wiederholt. Ein Wiegenlied auf Spanisch „Nani, nani“ von Rodrigo, bietet eine bewegende Einleitung über die Erzählung einer Mutter, dessen Sohn in seiner Kindheit sehr turbulent war.
Eine extraordinäre Pianistin…
Muñoz wiederum bietet uns, während sie unseren lyrischen Künstler sehr brillant begleitet, zwei wunderschöne Solostücke „Orphée’s Bedroom“, aus der gleichnamigen Suite für Klavier von Glass und eine bemerkenswerte viel applaudierte Interpretation des Stücks „Black Earth“ von Say. Das von dem in der Türkei „Kara Toprak“ inspirierte Werk erweitert den Kreis der dargestellten Kulturen entschieden mehr, während Muñoz auch zeigt, dass ihr Talent weit über die rein klassische Musik hinausgeht, da in diesem Stück Improvisation und Fantasie zum Einsatz kommen: Ziemlich komplex und atemberaubend!
Iranische Volksliedkunst…
Doch ohne den Streifzug, den uns der junge Counter-Tenor in seine eigenen iranischen Wurzeln bietet, hätte der Abend seine volle Bedeutung nicht erhalten und wir waren völlig verführt und berauscht von den vier Titeln, die das Programm beenden: „Dar emtedad-e shab“ und „Lalaee“ von Gougoush und „Bavar kon“ von Haydeh verewigt wurden. Ein Eintauchen in diese faszinierende orientalische Atmosphäre, die er sehr delikat interpretiert hatte, um das Konzert mit zwei Zugaben zu beenden und die grosse Begeisterung im Saal so lange wie möglich zu erhalten. (PMP/27.11.2024)