Paris, Théâtre de l'Athénée, Francesco Filidei - Jacques Rebotier, IOCO
In der wunderlichen Welt von Squeak Boum mit einer Filmmusik von Francesco Filidei (*1973) wird jedes Geräusch zu Musik und jeder Gegenstand birgt eine Überraschung. Auf der Bühne organisierte die englische Regisseurin Emily Wilson ein....

07.03.2025 - Francesco Filidei & Jacques Rebotier: SQUEAK BOUM (2025), Texte von Jacques Rebotier, Fedorico Maria Sardelli & Daniil Harms.
von Peter Michael Peters
SOLILOQUES PROETIQUES ODER PROETISCHE MONOLOGE…
Die Kunst des Lärms…
In der wunderlichen Welt von Squeak Boum mit einer Filmmusik von Francesco Filidei (*1973) wird jedes Geräusch zu Musik und jeder Gegenstand birgt eine Überraschung. Auf der Bühne organisierte die englische Regisseurin Emily Wilson ein faszinierendes Durcheinander: Ungewöhnliche Accessoires, bunte Stoffe, alte Maschinen…
In diesem Kuriositätenkabinett haben eine verrückte lyrische Sängerin und eine schelmische Schlagzeugerin ihren Spaß daran, das Banale in das Außergewöhnliche zu verwandeln. Gemeinsam erforschen, lenken und erfinden sie neu. Eine Blechdose wird zur Trommel, ein Kochtopf wird zum Instrument, aus einem unwahrscheinlichen Gegenstand entsteht eine Melodie. Hier spielen wir mit Klängen, wir beugen die Regeln, wir kreieren ohne Grenzen mit der Energie und Sorglosigkeit eines Kinderspiels.

Von Überraschungen bis zu Lachsalven: Squeak Boum ist eine Show mit fröhlicher, zugänglicher und fantasievoller zeitgenössischer Musik, die Jung und Alt gleichermaßen begeistert!
Die Proesie – ein amüsanter Neologismus...,
der durch die Kombination von Poesie und Prosa entsteht - entstand musikalisch fast zufällig während des ersten Covid-Hausarrestes unter der Leitung der französischen Cellistin Sonia Wieder Atherton (*1961), die ein paar Freunde gebeten hatte, Videos für die sozialen Netzwerke von Radio France herzustellen. Dann wurde die französische Sopranistin Jeanne Crousaud gebeten, einen kleinen Vers zu singen, der von Filidei ein paar Jahre zuvor geschrieben wurde. Und somit hatte Jeanne beschlossen, ihn in Bilder umzusetzen. Dann schrieb der Komponist ein weiteres und als das Projekt abgeschlossen war, produzierten sie weiterhin mehr oder weniger alle zwei oder drei Tage eines, mit der Absicht die durch die Pandemie-Situation auferlegten Zwänge zu vergessen.
Am Ende hatte Filidei mit seinen Freunden etwa dreißig Proésies gesammelt mit unterschiedlicher Länge zwischen fünf Sekunden und sechs Minuten, von denen einige – wie die Variationen über die „forforetta“ – nie aufgeführt wurden. Die Texte des brillanten italienischen Musikers Federico Maria Sardelli (*1963), Musikwissenschaftler, Maler, Schriftsteller und Zeichner sind voller Humor und Ironie und eignen sich äußerst gut für eine musikalische Umsetzung. So dachten sie darüber nach, dem ersten Buch, das nur für eine Stimme gedacht war, ein zweites von ähnlicher Länge für eine Stimme und Schlagzeug hinzuzufügen. Um das gesamte notwendige Material für eine Aufführung vorzubereiten, die sie ohne Unterbrechung auf die Bühne bringt, einem nicht-narrativen Faden folgend, aber mit Kontrasten und Affinitäten und einer szenischen Wiedergabe…
Eine wacklige Schönheit durchbohrt…!
Auf der Bühne, einem Kuriositäten-Kabinett, werden unterschiedliche Elemente: Gegenstände, Accessoires, Stoffe, alte Maschinen ausgestellt, als warteten sie alle darauf, wieder verwendet zu werden. Zwei Frauen besetzen diesen erstaunlichen Raum, vielleicht waren sie ursprünglich sogar auch Kuriositäten?
Sie nehmen einen Gegenstand und plötzlich wird aus dieser banalen Sache etwas anderes: Wie von Zauberhand entsteht ein Bild und es entsteht ein Ton, dann wird dieser Ton zu Rhythmus, Musik, Gesang. Die Lieder folgen einander wie eine Reihe von Entdeckungen, jedes mit seiner eigenen visuellen und perkussiven Form: Die äußerst offenbart und überaus verblüfft! In dieser Welt aus seltsamen Gegenständen und absurden und lustigen Liedern führen uns diese beiden Frauen und überraschen uns immer wieder. Sie verwandeln sich und kleiden sich gegenseitig und genießen das pure vergnügen des Spielens, wie Kinder auf dem Dachboden oder verrückte Wissenschaftler in ihrem Labor. Sie schaffen und zerstören mit einer freudigen Missachtung der Regeln des Anstands und einer sanften Anarchie voller Humor. Eine wacklige Schönheit wird durchbohrt! Nichts ist so, wie es sollte, aber alles ist so, wie es sollte… oder vielleicht ist es das Gegenteil !?
Was könnte in diesen komplexen und verwirrenden Zeiten besser sein als das Absurde und Unsinnige, um uns auf unserem Weg zu erläutern. Eine Kreation, die es uns ermöglicht mit Respektlosigkeit und Humor den ganzen Zauber der zeitgenössischen Musik zu entdecken oder wiederzuentdecken…

Francesco Filidei - Jacques Rebotier - Aufführung im Théâtre de l’Athénée - 7. März 2025
Unklassifizierbar und ungewöhnlich…
Squeak Boum ist eine kleine ungewöhnliche Show, die Kurzgeschichten und Lieder mit Musik von Filidei und dem französischen Komponisten und Schriftsteller Jacques Rebotier (*1947) verwebt! Aber ist es wirklich auch Musik? Das ist hier die Frage?
Aus sogenannten Song-Vignetten, die kürzlich für die Sopranistin Crousaud geschrieben wurden, hat sich der Komponist Filidei mit Hilfe des Ensemble Sillages daran gemacht, eine kurze Show zu kreieren. Das Ergebnis ist eine Sammlung mehr oder weniger deklamierter Texte, durchsetzt mit kleinen Liedchen und Schlaggeräuschen. Die Sopranistin Crousaud, die französische Schlagzeugerin und teilweise auch Schauspielerin und Sängerin Hélène Colombotti und die türkisch-französische Schauspielerin und teilweise auch Bühnenregisseurin Irem Tasdan besetzen den Raum zwischen Kommen und Gehen und Spielen auf verschiedenen Objekten. Die Zeit zieht sich ein wenig in die Länge, ohne dass wir wirklich das Gefühl haben, es ist wirklich etwas passiert! Ist es wirklich Musik?

Mit oder ohne Musik! Warum nicht…?
Filidei, ein verhältnismäßig bekannter Komponist, der gerade mit dem jährlichen Antoine Livio-Preis der International Music Press (MMI) ausgezeichnet wurde, hat uns an fesselnde Werke gewöhnt, wie z. B. seine Oper Giordani Bruno (2013). Hier fügt er seinen Namen ganz einfach an die leichten, eher unbedeutenden Melodien hinzu, die den Sängern zugewiesen wurden. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Komponist sich bei dieser Premiere im Théâtre de l’Athénée nicht einmal die Mühe machte, vorbeizukommen und das Produktionsteam zu begrüßen: obwohl er doch in Paris lebt! Auch die gelesenen Texte von Sardelli und Rebotier sind wohl von geringerer Bedeutung. Und Wilsons Regieanweisungen auf einer leeren Bühne praktisch ohne Personen ist ohne Inhalt und Belanglos! Die mit vergoldeten Kostümen und kleinen Nichtigkeiten: Alltagsgegenstände, Matratzenpumpe, Müll-Box, Kieselsteinen, Kristallgläsern bevölkert ist, gelingt es nicht immer, Interesse zu erwecken. Warum aber nicht? Und dies trotz der zwischenmenschlichen Fähigkeiten, ja sogar des echten Engagements, die unsere drei Teilnehmer an den Tag legten. Dieses Pantomimen-Drama zwischen Onomatopoesie und Soundeffekten, das auf Quietschgeräuschen – wie der Name „Squeak“ ausdrückt – und proetischen Monologen, ein Neologismus aus dem Filidei-Kult zur Beschreibung der Verbindung von Poesie und Prosa basiert, hat dennoch den Vorzug , kurz zu sein, nämlich nur fünfzig Minuten, die schnell vergehen. Und die vielen Kinder im Publikum scheinen es zu schätzen, wenn man nach dem Applaus urteilt, den sie erhielten. Aber war und ist es wirklich Musik…? (PMP/10.03.2025)