Paris, Opéra National - Salle Bastille, THE EXTERMINATING ANGEL - Thomas Adès, IOCO
THE EXTERMINATING ANGEL: Für seine dritte Oper, die 2016 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt wurde, adaptiert Thomas Adès (*1971) - nach einem zeitgenössischen Skandal für die Oper Powder Her Face (1995) und nach einem William Shakespeare (1564-1616)-Klassiker die Oper The Tempest (2004)
Thomas Adès: THE EXTERMINATING ANGEL (2016), Oper in drei Akten. Opéra National - Salle Bastille, THE EXTERMINATING ANGEL - Thomas Adès,
von Peter Michael Peters
DER VERNICHTUNGSENGEL IN DER VOLLKOMMENHEIT SEINES GEHEIMNISSES…
The butler’s strange resistance against obeying
orders confirms my observations. Since last night,
not one of us , try as he might, has been able to leave
this room. What is happening to us? (Szene Doctor Carlos Conde/2. Akt)
Vom Film zur Bühne! Auf dem Weg zu einem neuen goldenen Zeitalter?...
Die von Filmen inspirierte Komposition von Opern ist ein starker Trend im zeitgenössischen Schaffen und wird von Institutionen gefördert, um das Image der Opernkunst zu erneuern. Zwischen Referenz-Spielen und Umschreibungen, Entschlüsselungen von Adaptions-Praktiken und zwischen literarischen, filmischen und opernhaften Werken.
Für seine dritte Oper, die 2016 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt wurde, adaptiert Thomas Adès (*1971) - nach einem zeitgenössischen Skandal für die Oper Powder Her Face (1995) und nach einem William Shakespeare (1564-1616)-Klassiker die Oper The Tempest (2004) – nach dem Film El Angel exterminador (1962) von Luis Buñuel (1900-1983) seine neue Oper The Exterminating Angel. Durch Aneignung eines Spielfilms, da es sich bei Adès nicht um einen Roman oder ein Theaterstück handelt, sondern um einen abendfüllenden Film: Somit entfernt er sich entschieden von einer jahrhundertealten Tradition. Allerdings leistet er keine innovative Arbeit! Tatsächlich hat sich die Wahl eines Films als Quelle für eine Oper in der Praxis mit Philip Glass (*1937) und seiner Trilogie Cocteau, bestehend aus Orphée (1993) et La Belle et la Bête (1994) verankert, die auf die gleichnamigen Filme von Jean Cocteau (1889-1963) aus den Jahren 1950 bzw. 1946 und Les Enfants terribles (1996) basieren nach dem gleichnamigen Film (1950) von Jean-Pierre Melville (1917-1973) nach dem Roman (1929) von Cocteau.
Obwohl Glass dazu beitrug, diese neue Art von Inspirations-Quellen in das Rampenlicht zu rücken, war er nicht ihr Initiator. Réne Koering (*1940) komponierte seine Oper La Lune vague (1982) basierend nach dem Film Les Contes de la lune vague après la pluie (1953) von Kenji Mizoguchi (1898-1956) und Giorgio Battistelli (*1953) Teorema (1992) nach dem gleichnamigen Film (1968) von Pier Paolo Pasolini (1922-1975). Seit dem neuen Jahrtausend hat sich die Praxis ausgeweitet und viele geschaffene Opern erinnern an alte oder neuere Film-Titel und zwar so sehr, dass wir einen neuen Trend im zeitgenössischen Opern-Schaffen erkennen können, der von Kritikern und Musik-Wissenschaftlern qualifiziert wurde: Ohne vorerst einen Konsens zu erzielen!
Erneuerung des Opern-Genres…
Wenn die Affinität eines Komponisten zu einem Thema seine Wahl erklären kann, verdient die wachsende Zahl von Werken, die als „Film-Oper“ bezeichnet werden, eine Überlegung über die Gründe, die die Komponisten dazu veranlassen, immer häufiger auf diese Art von Quellen zurückzugreifen. Während Opern oft als verstaubt und elitär gelten, ist die Erneuerung der in den Werken behandelten Themen wichtig, um diese Vorurteile zu überwinden. Dieser Aspekt ist nicht nur für die Künstler von großem Interesse, sondern auch für die Opernhäuser selbst, die ihre Werbe-Strategien vervielfachen und zeitgenössische Themen aus Filmen in den Mittelpunkt ihres Diskurses stellen: Um ein jüngeres Publikum oder auch Personen mit einem sozio-kulturellen Hintergrund zu Theatern wie gewohnt anzulocken. Allerdings sind die gewählten Themen nicht immer aktueller als die in der Oper allgemein behandelten, wie zum Beispiel der Orphée und La Belle et la Bête von Glass es beweisen, zwei Themen die bereits auf Opernbühnen gezeigt wurden. In diesen Fällen liegt die Neuheit in den filmischen Erzähl-Konventionen, die sich von den literarischen Gepflogenheiten unterscheiden. Daher könnte dieser Wechsel in der Wahl der Quellen mehr bedeuten als eine Modernisation – die oft als notwendig für das Überleben einer Kunst dargestellt wird, die in bestimmten Fällen als veraltet angesehen wird – indem sie die Entstehung einer neuen Dramaturgie begünstigt, die eher kinematografischer als opernhafter Natur ist.
Eine Oper-Kino-Literatur-Triangulation…
Diese neue Operngattung, die sich seit einem Vierteljahrhundert auf den Bühnen etabliert hat, scheint also die Opernkunst grundlegend zu erneuern. Allerdings zeigt sich schnell, dass es sich bei den als Opern-Sujets gewählten Filmen sehr oft selbst um Adaptionen literarischer Werke handelt. Daher ist es von grundlegender Bedeutung zu wissen, auf welche Quellen die Komponisten ihre Werke basierten, um das Verständnis der mit dieser aufstrebenden Opern-Gattung verbundenen Probleme zu verfeinern.