Paris, CATHÉDRALE NOTRE-DAME - Wiedereröffnung - Konzert, IOCO

NOTRE DAME, Paris: Die Geschichte der Cathédrale Notre-Dame de Paris ist eng mit der Geschichte Frankreichs verbunden. Im 12. Jahrhundert erbaut, im 18. Jahrhundert umgebaut und im 19. Jahrhundert restauriert, ist sie im Laufe

Paris, CATHÉDRALE NOTRE-DAME - Wiedereröffnung - Konzert, IOCO
Cathédrale Notre-Dame de Paris © Wikimedia commons

14.1.2025 - CATHÉDRALE NOTRE-DAME DE PARIS - KONZERT DER WIEDERERÖFFNUNG IM RAHMEN DER MUSIQUE SACRÉE À NOTRE-DAME DE PARIS - André Jolivet: SUITE LITURGIQUE für Englischhorn, Cello und Harfe (1942) - Gabriel Fauré: REQUIEM, Op. 48 für Solo, Chor und Orchester (Version 1900)

 Jean-Christophe Lanièce, Bariton - Aurélien Segarra, Knabensopran - David Walter, Englischhorn - Jean-Marie Trotereau, Cello - Valeria Kafelnikov, Harfe - Orchestre National Auvergne-Rhône-Alpes - Jugend- und Kinderchor der Cathédrale Notre-Dame de Paris - Henri Chalet und Emilie Fleury, Dirigenten

 von Peter Michael Peters

EINE FRIEDLICHE VISION DES TODES…

IN PARADISUM

In Paradisum

deducant te Angeli,

in tuo adventu suscipiant

te Martyres

et perducant te in civitatems

Sanctum Jerusalem. (Faure /Requiem / Auszug)

 

Ein Requiem verzaubert Generationen…

Gabriel Fauré ( 1845-1924) suchte nicht das Universelle im Gigantischen für sein Requiem, wie z. B. Hector Berlioz (1803-1869). Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) und Giuseppe Verdi (1813-1901) hatten den Text theatralisch behandelt. Weit entfernt von dem Schrecken, den die Androhung des Jüngsten Gerichts auslöst, ist es im Gegenteil ein Gefühl des Friedens, das aus Faurés Requiem hervorgeht. Die Komposition erstreckt sich über mehrere Jahre und führt zu einer äußerst originellen Instrumentation!

Im Gegensatz zu Johann Sebastian Bach (1685-1750) oder Olivier Messiaen (1908-1992) war Fauré wahrscheinlich kein Gläubiger. Als Nachfolger von Camille Saint-Saëns (1835-1921) als Organist an der Kirche La Madeleine musste er viele Trauergottesdienste leisten. Die Idee, eine Messe für die Verstorbenen zu komponieren, lag ihm daher auf der Hand und wurde möglicherweise durch den Verlust seiner Eltern in den Jahren 1885 und 1887 noch bestärkt. Einige Seiten des Werks wurden 1888 für die Beerdigung von Joseph-Michel Le Soufaché (1804-1887), ein Architekt, der an der Entwicklung von Versailles unter König Louis-Philippe (1773-1850) beteiligt war und unter anderem auch der Schöpfer des Château de Sceaux war, mit dem zukünftigen Komponisten Louis Aubert (1877-1968) als Solist in Pie Jesu aufgeführt.

Requiem, Gabriel Fauré - Maîtrise Notre-Dame de Paris - Orchestre national Auvergne-Rhône-Alpes youtube Maîtrise Notre-Dame de Paris

Die Komposition befand sich noch im Aufbau. Zusätzlich zu den Blechbläsern wird Fauré noch zwei Stücke mit Bariton-Solo hinzufügen: das Offertoire und  das Libera me. Alle sieben Abschnitte wurden dann am 21. Januar 1893 in der Kirche La Madeleine in Paris uraufgeführt. Fauré bot eine gelinde gesagt originelle Instrumentation ohne schwere Hölzer oder Violinen, abgesehen von einer Solo-Violine im Sanctus. Nur die anderen Saiteninstrumente, Blechbläser, Orgel, Harfe und Pauken sind vorhanden. Anschließend überarbeitete Fauré seine Partitur auf Wunsch seines Verlegers, wodurch eine zweite sogenannte „symphonische“ Fassung entstand.

Mozart hatte im Dies Irae dem göttlichen Zorn und im Lacrymosa der Klage der Menschheit Ausdruck verliehen. Verdis Jüngstes Gericht wurde mit vielen Blechbläsern und Pauken erschreckend und der Ingemisco hätte in jeder seiner Opern auftauchen können. Ihre Worte waren theatralisch. Bei Fauré ist das Drama des Todes intimer! Er streicht die lange Sequenz des Dies Irae – die die Hälfte von Berlioz‘ Requiem darstellt – und behält nur die im Libera me enthaltene Anspielung auf das Jüngste Gericht bei. Die Bass-Interpunktionen erinnern dann wie ein Trauermarsch an die Prozession des Verstorbenen und unterstützen das Bariton-Solo. Der Einsatz der Blechbläser erinnert an die schicksalhaften Trompeten und die harmonischen Märsche des Chors vermitteln die Angst vor dem „Tag des Untergangs“. Die Botschaft ist klar: Jeder Einzelne, verkörpert durch den Bariton, spürt die Todesangst. Aber die Perspektive der Endlichkeit betrifft die gesamte Menschheit. So übernimmt der Chor die melodische Phrase des Solisten. Wie Matthieu Romano (*1984), der Dirigent des Aedes-Chores, betont: „Das Requiem richtet sich an jeden von uns, aber auch an das Universelle, das in uns ist“.

Cathédrale Notre-Dame de Paris zur Wiedereröffnung © MC Bertin

Fauré hat keine Angst vor dem Tod. „Ich empfinde es als eine glückliche Erlösung, als ein Streben nach Glück darüber hinaus  und nicht als einen schmerzhaften Übergang“. Er entfernt alles, was im Dies Irae Schrecken hervorruft und behält nur die letzte Strophe, das Pie Jesu bei, die er als eigenständige Sequenz behandelt. Die schwebende Melodie von einem Knaben-Sopran oder auch manchmal von einer Sopranistin interpretiert, scheint von woanders her zu kommen, eher engelhaft als menschlich. Antonín Dvořák (1841-1904) misst dem Pie Jesu  in seinem Requiem in b-Moll, Op. 89, B. 165 (1891)  - das zeitgleich mit dem von Fauré ist – auch große Bedeutung bei, aber behält  den gesamten Text des Dies Irae bei.

Schmerz und Angst fehlen jedoch nicht in Faurés Partitur. Das Offertorium bringt eine Harmonie mit geschwungenen Halbtönen zum Ausdruck, die große Unsicherheit zum Ausdruck bringen. Der Chor interveniert manchmal a capella, eine Wiederbelebung alter Praktiken, die uns daran erinnert, dass das Geheimnis des Todes so alt ist wie die Menschheit. Das Bariton-Solo wirkt verstört, obwohl es den beruhigenden Gegengesang des kommenden Sanctus zitiert. Für Romano ist „das Offertorium wie eine existentielle Frage: „Was tun?“. Die Antwort kommt von selbst mit den folgenden Stücken: Sanctus, Pie Jesu – Der Tod bringt Ruhe und Frieden! Das Agnus Dei lässt sicherlich das Leiden Christi wie z. B. „das geopferte Lamm“ in der katholischen Liturgie, erklingen. Sicherlich ein Echo unserer eigenen Schwierigkeiten, aber es wird durch die lächelnde instrumentale Einleitung gemildert, die vor dem „Gib ihnen die ewige Ruhe“ nach Lux aeterna wiederkehrt.

Berlioz beendete sein umfangreiches Requiem, Opus 5, H 75 (1837) mit einer Gesamtspielzeit von ungefähr 1 Stunde und 15 Minuten im Vergleich zu 35 Minuten bei Fauré mit dem Agnus Dei, oder bei Verdi mit dem Libera me. Mozart konnte sein Werk nicht fertigstellen und sein Schüler Franz Xaver Süßmayr (1766-1803) entschied sich dafür, es bis auf das Lux aeterna fertigzustellen. Fauré wiederum entschied sich für eine Antiphon, die traditionell nach der Messe der Verstorbenen gesungen wird, wenn die Prozession zum Friedhof geht. In Paradisum vervollständigt tröstend das Gefühl von Frieden und Intimität, das die gesamte Partitur ausstrahlt.

NOTRE-DAME - Jean-Christophe Lanièce, Bariton © Léonard de Serres)

Im Jahre 1924 wurde Fauré ein nationales Begräbnis organisiert. Man spielte natürlich sein Requiem in der Kirche La Madeleine. Und dieses Konzert heute Abend ist auch gleichzeitig ein wohlverdienter Abschiedsgesang vom Jubiläumsjahr 2024 für diesen großen Komponisten und Menschen.

Suite Liturgique für Chor, Englischhorn, Cello und Harfe…

Der Zweite Weltkrieg und insbesondere André Jolivets (1905-1974) Teilnahme an der Schlacht von Gien im Jahr 1940 stellten für den Komponisten einen tiefen Schock dar und verliehen seiner Musik eine deutliche spirituelle Ebene. Während der Besatzung schrieb Jolivet für Institutionen wie die Opéra National de Paris und insbesondere für die Comédie-Française, für die er Stücke kreierte, die seinen Ruf festigten und deren musikalischer Direktor er schließlich im Jahr 1945 wurde.

So komponierte er 1942 eine Partitur zu einem Theaterstück von Henri Ghéon (1875-1944) Le Mystère de la Visitation, deren Thema natürlich der Besuch der mit Jesus schwangeren Marie bei ihrer Cousine Elisabeth war, die selbst von Johannes dem Täufer schwanger war [sic]. Davon entzog er einige  Monate später seine Suite Liturgique.

Für dieses spezifische Repertoire war Jolivets Position von großem Pragmatismus geprägt: Die Musik musste ebenso wie die Bühnenbilder oder Kostüme an der Ästhetik des illustrierten literarischen Werkes teilhaben.

NOTRE-DAME - David Walter, Englischhorn; Jean-Marie Trotereau, Cello; Valeria Kafelnikov, Harfe; Jugend- und Kinderchor der Cathédrale Notre-Dame de Paris; Émilie Fleury, Dirigentin © MC Bertin

In seinem Le Mystère de la Visitation fügte Ghéon liturgische Texte in lateinischer Sprache ein, die alle mit dem Marienkult in Verbindung stehen, einem Ausdruck seines katholischen Glaubens, den er angesichts der Schrecken des Ersten Weltkrieges wiederentdeckt hatte. Um diese Texte hatte Jolivet eine Partitur in acht Sequenzen entwickelt. Der von Jolivet gewählte Titel könnte jedoch irreführend sein: Denn man erkennt keine wirkliche liturgische Funktion in seiner Suite Liturgique. Fünf Sätze erfordern den nötigen Gesang: Der 2. Salve Regina, der 3. Alleluja, der 4. Magnificat, der 6. Benedictus und der 8. das zweite Alleluja. Modal und polytonal ist Jolivets Musik ein Teil einer Epoche der französischen Musik-Geschichte, die reich an Experimenten und Umbrüchen aller Art ist.

Um einen manchmal als belastend empfundenen Akademismus auszugleichen, wandten sich die Komponisten mit Begeisterung populären alten Praktiken und auch außereuropäischen Musik-Traditionen zu, die in der Suite Liturgique sehr spürbar sind.

Die Landschaften von Judäa entstehen unmittelbar aus einem Orientalismus, der von den Klängen der Harfe und der Oboe getragen wird – derselbe Musiker spielt je nach Satz auch das Englischhorn, ein Cousin-Instrument der hohen Holzbläser – das Jolivet wie er selbst sagt bewusst verwendet, um die „hebräischen Instrumente hervorzurufen“, während auf der gesanglichen Seite die gewundene  Flexibilität der Lautäußerungen an diese orientalischen Lieder erinnert, die unsere Vorstellungskraft schon für undatierte Zeiten bevölkert hat.

NOTRE-DAME - Orchestre National Auvergne-Rhone-Alpes, Chor der Cathédrale Notre-Dame de Paris, Henri Chalet, Dirigent @ Léonard de Serres

Wiederauferstanden aus der Asche…

Die Geschichte der Cathédrale Notre-Dame de Paris ist eng mit der Geschichte Frankreichs verbunden. Im 12. Jahrhundert erbaut, im 18. Jahrhundert umgebaut und im 19. Jahrhundert restauriert, ist sie im Laufe der Jahrhunderte gewissermaßen das Symbol der christlichen Gottesdienste in Paris geworden.

Im 4. Jahrhundert mit der Ankunft von König Chlovis I. (466-511 n. J.C.), wurde Paris zur christlichen „Hauptstadt“ des Frankenreichs. Damals war es die erste Cathédrale Saint-Etienne, die im 6. Jahrhundert erbaut wurde. Das Wachstum der Stadt begann im 12. Jahrhundert nach den normannischen Invasionen. Die Stadt florierte, sie wurde zu einem Ort des künstlerischen und intellektuellen Austauschs mit Hochschulen und einer Universität für Philosophie und Theologie. So beginnt die Geschichte der Cathédrale Notre-Dame de Paris!

Gleichzeitig bewegten die Kreuzzüge nach Jerusalem und die Pilgerfahrten nach Santiago de Compostela Tausende von Gläubigen auf den Wegen über Paris. Die Insel der Stadt ist ein wesentlicher Schritt, um die Seine zu überqueren. Tatsächlich strömen die Gläubigen in den Stadtbezirk. Sie generieren kommerzielle Aktivitäten und Opfergaben für die Gottesdienste. In diesem Zusammenhang veranlasste Maurice de Sully (1105-1196), Bischof von Paris, den Bau einer neuen riesigen Kathedrale zur Unterbringung der Gläubigen. Im 13. Jahrhundert verdoppelte sich die Bevölkerung von Paris.

Der König Louis IX., genannt Saint Louis (1214-1270) bringt aus Jerusalem die Reliquien der Passion Christi zurück. Sie kamen 1239 in Paris an, wo der König sie in einer Prozession in die Cathédrale Notre-Dame de Paris trug. Diese Reliquien wurden dann bis zur Revolution in der Sainte-Chapelle aufbewahrt. Sie wurden 1806 dem Schatz der Kathedrale zugeordnet.Die Kathedrale wurde erweitert und umgebaut, um zu einem Modell religiöser Architektur zu werden. Während der Renaissance veränderte sich der Geschmack und somit verlor sie an  Anziehungskraft und wurde langsam aufgegeben. Im 17. Jahrhundert stellte sich das Königreich auf Wunsch des König Louis XIII. (1601-1643) unter den Schutz der Jungfrau und versprach einen neuen Hochaltar für die Kathedrale – der von seinem Sohn König Louis XIV. (1638-1715  geschaffen werden sollte. Große Entwicklungen fanden im 18. Jahrhundert statt. Durch schlechtes Wetter und den Folgen der Revolution in Mitleidenschaft gezogen, drohte die Kathedrale im 19. Jahrhundert einzustürzen. Angetrieben durch die Wiederbelebung der Popularität dank dem Roman Notre-Dame de Paris (1831)  von Victor Hugo (1802-1885), beschloss der Staat im 19. Jahrhundert, große Restaurierungsarbeiten durchzuführen. Die Kathedrale wurde 1991 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen und ist ein bedeutender Ort für christliche Gottesdienste, sowie wurde sie auch im Jahr 2018 offiziell  als das meistbesuchte Denkmal Frankreichs ernannt.

Nach dem Brand vom 15. April 2019, der das mittelalterliche Eichenholz-Gerüst und den Turm völlig zerstörte, wurde ein großes umfangreiches fünfjähriges Restaurierungsprojekt durchgeführt, um die Kathedrale am 8. Dezember 2024 wieder im alten Glanz für die Gottesdienste und die Besucher aus aller Welt zu öffnen. Dieses heutige Konzert eröffnet die Reihe der jährlichen Konzerte im Rahmen der Musique Sacrée à Notre-Dame de Paris. Auskünfte und Kartenkauf: www.musique-sacree-notredamedeparis.fr  + 33 / (0)1 44 41 49 99.

CATHÉDRALE NOTRE-DAME de Paris - hier der End-Applaus (© Peter Michael Peters)

KONZERT ZUR WIEDERERÖFFNUNG - 14.1.2025 - Cathédrale Notre-Dame de Paris

Erfüllt voll großer Emotion…

Fauré gestand eine gewisse Verwirrung angesichts der großen dramatischen Requiems ein, die von theatralischen Ausbrüchen wie dem von Berlioz überfüllt waren und bevorzugte mehr ein heiteres intimeres Licht. Mit seinem Requiem, das er angeblich „umsonst… nur zum Vergnügen“ komponiert hatte, entwirft Fauré somit ein fast völlig ekstatisches Fresko von höchster Raffinesse, das sich hinter einer großer Einfachheit verbirgt, dessen poetisches und musikalisches Herz zweifellos das himmlische Pie Jesu ist und sollte wenn möglich von einem Knaben-Sopran gesungen werden.

Neben dem Orchestre National Auvergne-Rhône-Alpes, dem Chor, Jugend- und Kinderchor der Cathédrale Notre-Dame de Paris, die ihre große Gesangskunst des hell-dunkel in den Dienst dieser wesentlichen Partitur stellen. Die leuchtende Spiritualität, die dieses Meisterwerk von Fauré umgibt, findet in der Suite Liturgique für Chor, Englischhorn, Cello und Harfe von Jolivet ein großes Echo.

Notre Dame rebuilt, reverently restored 5 years after world watched French cathedral burn youtube 60 minutes

Jolivets Werk erschien als ein musikalisches Universum, das wie so oft bei diesem Komponisten viel Strenge und auch gleichermaßen eine gewaltige lyrische Transzendenz und harmonische instrumentale Polychromie in einer erlesenen Atmosphäre vermischte und ein sehr aufmerksames Zuhören anregte – kurz gesagt eine äußerst anspruchsvolle Partitur. Dazu von den schon oben genannten drei Solisten, die gleichzeitig Mitglieder des Orchesters sind, außergewöhnlich spirituell interpretiert wurden. Natürlich vergessen wir nicht die wunderbaren engelhaften Stimmen des Jugend- und Kinderchors der Cathédrale Notre-Dame de Paris. Es war ein unvergesslicher Genuss für alle Sinneswahrnehmungen. Sie boten eine ziemlich dunkle Mischung aus Leidenschaft und Angst, dazu aber auch äußerste Stränge und unermessliche Schönheit in den Klangfarben, so hat sich dieses eher düstere Werk in gewisser Weise selbst erleuchtet.

Beim ersten Konzert im Rahmen der Musique Sacrée à Notre-Dame de Paris herrschte eine große Emotion. Die meisterhafte natürliche Akustik der Kathedrale kehrte zurück. Symbolisch schenkte sie uns eine von Bescheidenheit und Zurückhaltung geprägte Lektüre von Faurés Requiem.

Mit dem Requiem wird der Chor noch größer und das Orchester und der Leitung des französischen Chordirigenten der Kathedrale Henri Chalet wird somit voll eingesetzt. Dennoch führt dieses Arrangement dazu, dass wir den Chor deutlicher hören können als das Orchester, was uns ziemlich verwirrt machte. Aber das Ergebnis ist dennoch von einer andächtigen Intensität, die durch die bescheidenen und zurückhaltenden Interventionen des französischen Baritons Jean-Christophe Lanièce verstärkt wurde. Schade ist jedoch, dass dem jungen französischen Knaben-Sopran Aurélien Segarra das anvertraute Pie Jesu unter einer indiskreten Tonanlage verleidet war. Auch fehlte in der Interpretation des Dirigenten die richtige Balance zwischen der Tiefe des religiösen Gefühls und dem luftigen Leichten in diesem anspruchsvollen Werk. Es sollte ein wahres inneres Gebet ohne jeglichen Pomp sein. Kurz gesagt, es geht darum, diese vierzig Minuten Musik zu entfalten und dabei während der gesamten Sequenzen, aus denen sie besteht, eine Art konzentrierte Nüchternheit zu bewahren… Von diesem Standpunkt aus schien es uns, dass der Dirigent leider eine Vision des Werks präsentierte: Die zu bewegend und zu wenig tonisch war, in einer fast impressionistischen Konzeption von Faurés Requiem, was für uns unangenehm überraschend war! Seine zudem fast zu flexiblen Gesten zu Lasten der rhythmischen Kanten erweckten nach und nach den Eindruck einer mangelnden Verankerung im Boden. Dadurch verlor das Werk von Fauré gewissermaßen an Stärke und Tiefe!

Egal, die Emotion, die Akzente von Fauré noch einmal unter dem Gewölbe von Notre-Dame de Paris zu hören, erfüllte uns mit viel Freude und Glück… (PMP/18.01.2025)