Paris, Basilique Cathedrale Saint-Denis, LA RESURREZIONE - Händel, IOCO
Cathedrale Saint-Denis in Paris: Georg Friedrich Händels erstes geistliches Oratorium wurde von Fürst Francesco Maria Marescotti Ruspoli im Auftrag gegeben, um mit einer Passione von Alessandro Scarlatti zu konkurrieren. Ein prächtiger Saal, ein Orchester aus 47 Musikern
F E S T I V A L D E S A I N T – D E N I S 2 0 2 4 - LA RESURREZIONE, HWV 47 (1708) - Georg Friedrich Händel, Oratorium in zwei Teilen mit einem Libretto von Carlo Sigismondo Capece
von Peter Michael Peters
EIN ORATORIUM AUS HÄNDELS JUGENDZEIT
Angelo:
Disserratevi, o porte d‘Averno,
e al bel lume d’un nume ch’e eterno
tutto in lampi si sciolga l’orror!
Cedete, orride porte,
cedete al re di gloria,
che della sua vittoria
voi siete il primo onor.
Lucifero:
Qual’insolita luce
squarcia le bende alla tartarea notte?
Qual’eco non più udita
d’un armonia gradita
fa intorno risonar le stigie grotte?
Se son del mio valore
gli applausi, giusti sono!
Oggi, che vincitore,
cittadini d’abisso, a voi ritorno;
e già mi vendicai con fiero sdegno
che perder già mi fé
de’cieli il regno!
(1.Teil / Szene Angelo und Lucifero / Auszug)
Georg Friedrich Händels (1685-1759) erstes geistliches Oratorium wurde von Fürst Francesco Maria Marescotti Ruspoli (1672-1731) im Auftrag gegeben, um mit einer Passione von Alessandro Scarlatti (1660-1725) zu konkurrieren. Ein prächtiger Saal mit einer überreichen Dekoration, ein Orchester aus 47 Musikern unter der Leitung von Arcangelo Corelli (1653-1713), hervorragende Sänger, ein ausgewähltes Publikum: Alles trug am Ostertag zur Brillanz dieser Uraufführung bei. Aber am nächsten Tag ersetzte ein Kastrat auf päpstlichen Befehl die berühmte Sopranistin Margherita Durastanti (1685-1734) in der Rolle der Maddalena.
Die Aktion findet nach der Beerdigung statt. Im ersten Teil stellt sich ein Angelo gegen Lucifero, während Maddalena und Cleofe um Christus weinen und vom San Giovanni getröstet werden. Im zweiten Teil tauchen dieselben Charaktere am Ostermorgen wieder auf, geteilt zwischen Schmerz, Wut für Lucifero und Hoffnung für die anderen, bis zur Verkündigung der triumphalen Nachricht von der Auferstehung.
Dieses typisch italienische Oratorium besteht im Wesentlichen aus Rezitativen und Arien, wobei die Solisten am Ende jedes Teils in zwei kurzen Chören ohne kontrapunktische Ansprüche zusammenkommen: Der erste wird später in der Water Music, Suite Nr. 1 in F-Dur, HWV 348 (1715) zu einer Bourrée. Die Abläufe sind ähnlich wie in der Oper, wie in diesem Arien-Gleichnis des San Giovanni: „Cosi la tortorella“, wo die Metapher der Taube und des Falken durch eine nachahmende Musik bedient wird. Unter Vermeidung jeglicher überflüssiger Virtuosität kümmert sich Händel um die Charakterisierung der jeweiligen Figuren, indem er wunderschöne Melodien verwendet, die oft in späteren Werken aufgegriffen werden: Die emotionelle Arie der Maddalena: „ Ho un non so che nel cor“ nach einer einfachen von Corelli entlehnten Melodie wird später sehr populär und berühmt werden.
Er handhabt sein reiches Instrumental-Ensemble mit Leichtigkeit, variiert seine Effekte – oft auch sehr sparsam, wie in Arie des San Giovanni: „Ecco il sol“ malt er gewissermaßen den Sonnenaufgang und wird nur allein vom Continuo unterstützt – mit einer Meisterschaft, die die zukünftigen englischen Oratorien ankündigt.
Il caro Sassone…
Florenz, Rom, Neapel, Venedig: Allenfalls die erste Station, die Händel auf seiner Italienreise ansteuerte, war für einen Musiker ungewöhnlich. Doch hier wartete jener toskanische Herzog Ferdinando de Midici (1663-1713), der Händel in Hamburg zu seiner Reise ermunterte und ihm offensichtlich auch einige finanzielle Unterstützung angeboten hatte. Das Händel zögerte und erst eigene Rücklagen bilden wollte, bevor er im Sommer 1706 aufbrach, wird gemeinhin als Zeichen für sein Selbstbewusstsein gewertet, für ein Streben nach wirtschaftlicher Eigenständigkeit, der einer künstlerischen Autonomie entspreche. Doch plante er weder eine Kavalierstour noch einen Bildungsaufenthalt wie jene Adligen und Humanisten nördlich der Alpen, die eine „italienische Reise“ schon seit dem 16. Jahrhundert als Abschluss ihrer Adoleszenz erachteten. Ohne fürstliches Stipendium und ohne pekuniäre Unterstützung seitens seiner Familie reiste Händel mit professionellen Ambitionen: Nicht nur um zu lernen, sondern auch um Aufträge in den Zentren des europäischen Musiklebens zu erhalten. So kann es kaum überraschen, dass Händel sich rasch nach Rom wandte, wo die Möglichkeiten, Auftraggeber zu finden und eigene Werke vorzustellen, ungleich reicher waren als etwa in Venedig oder Neapel, wo er als noch vergleichsweise unerfahrener Opernkomponist mit den renommiertesten Kollegen – etwa Antonio Vivaldi (1678-1741) oder Scarlatti – hätte konkurrieren müssen. In Rom hingegen waren Opernaufführungen nach einem Erdbeben 1703 verboten worden, was nur hieß, dass man auf szenischen Aufwand verzichtete und geistliche Sujets für dramatische Werke wählte, für die jedoch nur die besten Sänger und Instrumentalisten verpflichtet wurden.