Paris, Théâtre des Champs-Élysées, BORIS GODUNOW - M. Mussorgskij, IOCO Kritik

Boris Fedorovich Godunow I. (1551-1605) regierte von 1598-1605, einer kurzen, glänzenden und tragischen Herrschaft, die von einem Geheimnis beherrscht wurde: Dem von Dimitrij (1583-1606), dem wahren oder falschen Zaren zugeschriebene Unfalltod oder mörderischer Tod? ......

Paris, Théâtre des Champs-Élysées, BORIS GODUNOW - M. Mussorgskij, IOCO Kritik
Théâtre des Champs-Élysées, Paris © wikimedia commons

Modest Mussorgskij: BORIS GODUNOW (1869), Musikalisches Volksdrama in vier Akten und einem Prolog nach der gleichnamigen dramatischen Chronik von Alexander Puschkin und Iwan Chudjakows: Das mittelalterliche Russland; besprochene Vorstellung 1.3.2024

 von Peter Michael Peters

EIN KRIMINAL-ROMAN DER RUSSISCHEN GESCHICHTE…

Das Ende eines Betrügers…

Boris Fedorovich Godunow I. (1551-1605) regierte von 1598-1605, einer kurzen, glänzenden und tragischen Herrschaft, die von einem Geheimnis beherrscht wurde: Dem von Dimitrij (1583-1606), dem wahren oder falschen Zaren zugeschriebene Unfalltod oder mörderischer Tod? Historiker haben ihren Streit um die Persönlichkeit von Boris und den mit ihm verbundenen „Kriminal-Roman“ noch nicht beendet. Modest Petrowitsch Mussorgskij (1839-1881) in seiner Oper, Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799-1837) in seiner Tragödie, beide übernahmen die These des großen Historiker Nikolaj Michajlovic Karamzin (1766-1826), dem Puschkin auch seinen Boris widmete, im Gegensatz zu der eines anderen späteren Historikers von derselben Statur, Sergei Fjodorowitsch Platonow (1860-1933), dessen Version der Aktionen und Herrschaft des Boris setzen sich letztendlich durch. Um den Streit zu verstehen, müssen wir zunächst zur Geschichte des Aufstiegs und der Herrschaft von Zar Boris zurückkehren.

TRAILER / Boris Godounov Szenenfoto youtube Théâtre des Champs-Elysées

Alles begann mit dem Tod von Iwan IV. Vassilivitch, auch Iwan der Schreckliche (1530-1584) am 18. März 1584. Nach einem halben Jahrhundert tyrannischer Herrschaft hinterließ der unbekleidete daliegende Zar ein wirres Erbe. Drei Jahre zuvor hatte er in einem Wutanfall seinen Sohn und Erben Iwan mit einem Pfahl getötet. Als Nachfolger blieb ein weiterer Sohn Theodor, 27 Jahre und körperlich schwach, von mittelmäßiger Intelligenz und politischen Fähigkeiten: Aber von großer Frömmigkeit! Und ein Kind von wenigen Monaten, Dimitrij, Sohn der siebten Frau von Iwan, Maria Nageij (?-?), die nur sehr fragwürdige Rechte auf den Thron hatte, da die orthodoxe Kirche höchstens drei Ehen erlaubte: Was Dimitrij zu einem Bastard machte! Der neue Zar Theodor, der sich sehr wenig auf sein Regierungsamt vorbereitet hatte, verließ sich auf die Berater, von denen der engste Boris war, dessen Schwester Irene er geheiratet hatte. Es war eine glückliche Ehe, aber politisch katastrophal, weil das Paar kein Kind hatte und auch nie bekommen wird. Plötzlich nach dem Tod von Iwan, wurde implizit die Frage der Sukzession aufgeworfen und sie sollte die gesamte Regierungszeit von Theodor belasten, der 1598 starb. Die Figur, die in diesen Jahren die politische Szene Russlands dominierte: war Boris! Er hatte bereits die Aufmerksamkeit auf sich gerichtet, denn Iwan und sein Sohn, dem unglücklichen erschlagenen  Thronfolger, dessen bester Freund er war. Als die Wut von Iwan gegen diesen Sohn ausbrach, versuchte der anwesende Boris den Pfahl auf sich selbst abzulenken. Er scheiterte, wurde aber verletzt! Iwan war so entsetzt darüber, dass er sein eigenes Kind getötet hatte und vergaß nicht die Geste von Boris, dem er schwur das er „ihn wie seinen eigenen Sohn liebte!“: Zusätzlich gab er ihm dann den Titel eines Boyard! Diese Gunst brachte Boris das Vertrauen von Theodor, dem zukünftigen Zaren und den Hass des Nagaij-Clans ein, der bei der Geburt von Dimitrij in 1583 die vergebliche Hoffnung geweckt hatte, in der Thronfolge das Neugeborene an die Stelle des schwachen Theodor zu stellen und die Macht zu ergreifen. Boris, der Lieblings-Berater des neuen Zaren, war für diesen Clan das große Hindernis, das sie von ihrem Traum zur Macht trennte. Um den so schwachen Theodor herum wird jahrelang ein schrecklicher Kampf um die Macht weitergehen.

BORIS GODUNOW - hier Alexander Roslavets (Boris Godounow), Chor @ Mirco Magliocca

 

Wer war dieser Boris, der schon so mächtig ist? Alle Historiker haben auf seine körperlichen, intellektuellen und moralischen Qualitäten bestanden. Von hübscher Erscheinung, edler Haltung und schönem Gesicht war Boris ein Meister darin zu gefallen und zu verführen. Für die damalige Zeit und sein Umfeld richtig erzogen – er stammte aus einer bescheidenen Familie des Dienst-Adels – zeichnete sich Boris durch seine lebhafte Intelligenz, bemerkenswerte Intuition und grosse Urteils-Sicherheit aus. In diesen Jahren, in denen sein Stern an der Seite eines Zaren, der sich in allem auf ihn verlässt, immer heller strahlt: Ist aber die Lage in Russlands sehr dramatisch! Die Clan-Kämpfe schwächen den Staat! Manchmal wetten die Bojaren auf den bevorstehenden Tod des Zaren, manchmal wollen sie ihn zwingen, seine unfruchtbare Frau zu verstoßen und deshalb auch ihren Bruder Boris zu verwerfen. Zu den internen Kämpfen kommt noch eine wirtschaftliche Katastrophe dazu. Aufeinanderfolgende schlechte Ernten, strenge Fröste, die das Saatgut zerstören, sowie steigende Preise und Steuern verärgern ein ohnehin schon unglückliches Volk, das an periodische Aufstände gewöhnt ist. Diese Leute dringen in den Kreml ein, zerschlagen alles und fordern lautstark den Tod von Boris. Tatsächlich sucht er nach jemanden, der für sein Unglück verantwortlich ist! Das ihm die Bojaren und der Nagaij-Clan alles vorwerfen! Ist er, Boris nicht allmächtig?

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