Osnarbrück, Theater am Domhof, Rusalka - Antonín Dvořák, IOCO
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Ein Märchen von drängender Aktualität
Antonín Dvořáks Oper „Rusalka“ in Osnabrück verbindet zwanglos Märchen und Aktualität.
„Rusalka“, Antonín Dvořáks 1901 entstandene Oper über das Schicksal einer Nixe, die ein Mensch werden möchte, ist ein sehr aktuelles Märchen. Es ist in märchenhafter Form die Geschichte des Menschen, der sich aus dem Naturzustand in den der Kultur aufmacht und am Ende mehr als nur Unbehagen in ihr verspürt. In Dvořáks Musik wird die ganze Sehnsucht des Aufbruchs und die Verzweiflung der Ankunft in der Gegenwart hörbar.
Regisseur Christian von Götz erzählt die Rusalka-Geschichte im Theater am Domhof vor allem im zweiten Akt nicht ganz so, wie sie das Libretto von Jaroslav Kvapil vorgibt. Der Prinz des Librettos ist in Osnabrück ein Maler, der stets Staffelei, Leinwand und Pinsel mit sich führt, statt in einem Schloss mit Tanz lässt Götz das Geschehen in einer Klinik spielen. Diese leichten Verschiebungen ermöglichen es, das Märchen sinnvoll und unaufdringlich kritisch ins Heute zu holen.
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Krass stehen sich zwei Welten gegenüber, die Welt der Natur, aus der Rusalka stammt, und die Welt der Zivilisation, wo der Maler wohnt. Die Natur malt Ausstatter Lukas Noll liebevoll als eine Idylle: Vor einem Tor mit hohem Rundbogen, durch den der Vollmond hereinscheint, erwachen drei Elfen, die ihr neckisches Spiel mit einem gutmütigen Wassermann (Dominic Barberi) treiben. Die Idylle wird nur dadurch getrübt, dass Rusalka, eine mit mächtigem Fischschwanz ausgestattete Nixe, unglücklich ist. Sie will ein Mensch werden, um den Mann, einen Maler (Sung Min Song), gewinnen zu können, der häufig in ihrem Gewässer gebadet hat. Der Preis ist hoch: Sie darf nicht zu ihm sprechen, und ein Zurück zu ihrer Natur wäre ausgeschlossen.
Die Menschenwelt, eine Klinik, in die der Maler verliebt und zur Hochzeit entschlossen Rusalka mitnimmt, ist bedrückend als krank und umfassend gierig gezeichnet. Patienten schleppen sich an einen Brunnen, ein Rundbogen an der Wand ist mit Pflanzen ausgemalt, deren Blätter aus goldenen Münzen bestehen. Ein übergriffiger Kurarzt (Jan Friedrich Eggers) geht einer widerstrebenden Bad-Schwester (Susanna Edelmann) an die Wäsche, und auch der Maler bedrängt Rusalka heftig, seiner Lust auf sie noch vor der Hochzeit nachzugeben. Doch als sie ihn abwehrt, ohne sich in ihrer Stummheit erklären zu können, wendet er sich lieblos schroff von ihr ab und einer fürstlichen Patientin (Susann Vent-Wunderlich) zu.
Doch der Weg zurück in die Natur ist Rusalka verwehrt. Nicht mehr Nixe, nicht so ein Mensch, irrlichtert sie in einer Zwischenwelt. Die Hexe (Nana Dzidziguri), die ihr den Fischschwanz fortgezaubert hatte, eröffnet ihr nur den einen radikalen Weg, den Geliebten zu töten. Doch diese Barbarei ist für Rusalka grundsätzlich verschlossen. Die Natur kann für sie kein Ort beruhigter Rückkehr mehr sein, nachdem sie aus ihr voll Sehnsucht nach Menschlichkeit aufgebrochen ist. Dass sie die noch nicht vorgefunden hat, heißt nicht, sie als Ziel aufzugeben.
Regisseur Christian von Götz zeigt mit Dvořáks „Rusalka“ ganz brandaktuell die unvollendete Geschichte des Aufbruchs des Menschen aus der Natur hin zu seinem Wesen. Von Götz' Deutung enthält unaufdringlich überzeugend den Appell, bei allem Unbehagen in der Kultur den Weg zu sich selber, zur Menschlichkeit weiterzugehen. Statt eines Zurück zur Natur droht der Rückfall in die Barbarei.
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Musikalisch ist die „Rusalka“ an Osnabrücks Theater am Domhof beeindruckend. Als Rusalka begeistert Tetiana Miyus mit klarem, auch in den Höhen unangestrengtem Sopran, die ergreifend Sehnsucht wie Verzweiflung zum Ausdruck bringt. Sung Min Songs strahlender, recht heldenhafter Tenor passt exakt auf die Ichbezogenheit des Malers. Als Hexe ist Mezzosopranistin Nana Dzidziguri von einnehmender Bühnenpräsenz, und Dominic Barberi verkörpert als Wassermann mit profundem Bass die Weisheit wie die fürchterliche Kraft der Natur. Susann Vent-Wunderlich gibt mit kraftvollem Sopran der Patientin Statur, und Bariton Jan Friedrich Eggers ist als Badearzt eher überzeugend widerlich statt buffonesk komisch. Wie Wagners Rheintöchter erfreuen Susanne Edelmann, Chihiro Meier-Tejima und Kathrin Bauer als Elfentrio.
Andreas Hotz am Pult des Osnabrücker Symphonieorchesters nimmt das Publikum mit in Dvořáks Klangwelt, ohne sie romantisierend zu verschwiemeln. Er zeichnet deutlich die Gegensätze der verschiedenen Welten. Indem er die Figuren differenziert in ihre unterschiedlichen Gefühlslagen begleitet und so auch die überpersönliche Sehnsucht nach Menschlichkeit in der Zivilisation deutlich macht, trägt er seinen bedeutenden Teil zum umfassenden Gelingen und zur Aktualität dieser Oper bei.
Die dreiaktige Aufführung mit tschechischem, deutsch übertiteltem Gesang dauert nahezu drei wie im Flug vergehende Stunden.
Die nächsten Termine: 6. und 14.3.,jeweils um 19.30 Uhr