Osnabrück, Theater Osnabrück, Manon Lescaut von Giacomo Puccini, IOCO Kritik, 26.1.2017
Manon Lescaut von Giacomo Puccini
"Alle Männer sind Schweine"
Premierenerfolg für Puccinis Oper Manon Lescaut trotz zu engem Regiekonzept
Von Hanns Butterhof
In Osnabrücks Großem Haus, dem Theater am Domhof, fühlt man sich im falschen Film. Man hat Billetts für Puccinis Oper Manon Lescaut erstanden, aber Regisseur Walter Sutcliffe hat ein Schauspiel inszeniert. Es heißt vermutlich „Fiese Männer im Herrenclub“, in dem mehrere ununterscheidbar graue Männer die Hauptrollen spielen. Ihre wesentliche Tätigkeit besteht darin, leichtbekleidete Bunnies zu begrapschen, sich von ihnen befriedigen zu lassen und dabei die Verfilmung der Puccini-Oper „Manon Lescaut“ anzusehen.
Sutcliffes Idee ist anfangs schön: In die schwarzweiße Kintop-Optik auf der Leinwand ziehen allmählich die Farben ein, und aus den Flackerbildern treten die lebenden Figuren der Oper hervor. Aber sie kommen dem Publikum lange nicht nahe, weil sie auf der Ebene der Leinwand bleiben und sich auf der Vorderbühne immer das unappetitliche Clubleben in undifferenzierten Wiederholungen dazwischendrängt.
Sänger und Orchester singen und spielen durchgängig mit viel Kraftaufwand gegen die so geschaffene Distanz zum Publikum an. Vor allem Lina Liu als Manon erreicht mit ihrem klaren, sehr wandelbaren Sopran die Herzen. Weich zeichnet sie anfangs Manon als schüchternes Mädchen mit biederem Häubchen und Puffärmel-Kleidchen (Bühne und Kostüme: Okarina Peter und Timo Dentler), das sich aus Liebe mit dem Studenten Des Grieux (Jeffrey Hartmann) einlässt. Härter und kälter ist sie dann als die Geliebte des reichen Steuerpächters Geronte (José Gallisa), ergreifend im Sterben.
Mit seinem kräftigen, auch in forcierteren Passagen noch warm klingenden Tenor passt Jeffrey Hartmann gut zu Lina Liu. Er durchbricht in seiner um Vergebung für Manon bittenden Arie das erste Mal die Leinwandebene und kommt dem Publikum auch räumlich nah. Ihn zeichnet die Regie mit individueller Männlichkeit aus, weißer Anzug, schwarzes Haar. Aber nach dem Tod Manons wird er Teil des Herrenclubs. Dann erst sind wirklich alle Männer der Oper Schweine.
So drastisch Walter Sutcliffe sein Bild von dieser Männer-Welt inszeniert, so sehr fragt sich, ob das zu Puccinis „Manon Lescaut“ passt. Manon ist nicht nur Opfer einer fiesen Männerwelt, sondern auch ihrer eigenen Haltlosigkeit. Wäre sich Sutcliffe seiner Deutung sicherer, hätte es des Herrenclubs auf der Vorderbühne nicht bedurft. „Manon Lescaut“ ist dennoch ein lohnendes Opernerlebnis. Dafür dankte nach zweieinhalb Stunden italienisch gesungenen, deutsch übertitelten Gesangs das Premierenpublikum begeistert. Ovationen galten zum einen dem Gesang von Lina Liu, Jeffrey Hartmann, dem eindrucksvollen, von Markus Lafleur einstudierten Chor und dem bis in die kleinen Rollen ausgewogen gut besetzten Ensemble. Zum andern Andreas Hotz, der mit seinem Osnabrücker Symphonieorchester der farbenreiche Partitur, den differenziert wechselnden, immer heftigen Emotionen und damit der Oper gegen die Regie zu ihrem Recht verhalf.
Manon Lescaut im Theater am Domhof: Die nächsten Termine: 1., 3. und 8.2.2017, jeweils um 19.30 Uhr
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