Osnabrück, Theater Osnabrück, Der Totentanz - In vier Prägungen, IOCO Kritik, 23.03.2017

Osnabrück, Theater Osnabrück, Der Totentanz - In vier Prägungen, IOCO Kritik, 23.03.2017
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Theater Osnabrück

Osnabrück / Theater am Domhof © Marius Maasewerd
Osnabrück / Theater am Domhof © Marius Maasewerd

Der Totentanz in vier Prägungen

Vier Osnabrücker Kulturinstitutionen laden zum Totentanz

Von Hanns Butterhof

Vier Kulturinstitutionen Osnabrücks widmen sich den nächtlichen Tänzen unerlöster Verstorbener. Die Rekonstruktion zweier Totentänze der Tanzlegende Mary Wigman (1886 – 1973) durch die Dance Company des Theaters gab den Impuls für die fruchtbare „Danse Macabre – Totentanz“- Kooperation mit dem Diözesanmuseum, der Kunsthalle Osnabrück und dem Felix-Nussbaum-Haus.

Der Tod behält die Oberhand, auch in den beiden Totentänzen der Tanzlegende Mary Wigman (1886- 1973). Ein Team um Henrietta Horn unter der Projektleitung von Patricia Stöckemann hat die Tanzstücke rekonstruiert, die Dance Company Osnabrück hat sie im Theater am Domhof begeisternd wieder zum Leben erweckt und mit je einer neueren Choreographie von Marco Goecke und Mauro de Candia spannungsreich konfrontiert.

Theater Osnabrück / Totentanz I - Katherine Nakui, Marine Sanchez Egasse, Rosa Wijsman und Cristina Commisso © Jörg Landsberg
Theater Osnabrück / Totentanz I - Katherine Nakui, Marine Sanchez Egasse, Rosa Wijsman und Cristina Commisso © Jörg Landsberg

In Mary Wigmans „Totentanz I“ von 1917/1921 herrscht die Groteske vor. Vier harlekineske Figuren mit spitzen Hüten und weiten Umhängen in kräftigen Farben tanzen barfuß sehr rhythmisch zur Camille Saint-Saëns Klavierstück „Danse macabre“. Sie bewegen sich manchmal wie Marionetten, und der Tod holt sie sich alle, ohne dass der Schrecken darüber allzu groß wäre.

Viel eindrucksvoller und weniger harmlos ist die rekonstruierte Fassung „Totentanz II“ von 1926. Zu den packenden, die Dynamik des Geschehens machtvoll unterstreichenden Klängen des Schlagwerks von Frank Lorenz treibt der Tod sein herrisches Spiel mit einer maskenhaft-gesichtslosen Figur. Mit weit ausladenden, auratischen Gesten beherrscht er die Bühne, treibt die leicht Widerständige und sechs willenlose Gestalten vor sich her oder zieht sie wieder saugend zu sich heran. Schließlich lässt er von seinem Opfer ab, das mit den anderen langsam, wie zurück ins Grab, zusammensinkt.

Das anschließende Stück Marco Goeckes, „Supernova“ von 2009, spricht eine völlig andere Tanzsprache, hat mit dem Sterben eines Sterns das Thema mit Wigmans „Totentanz“ gemein. Bei dem jazzig untermalten Stück beeindruckt das in schwarzen Hosen mit glitzerndem Pailletten-Knochengerüst tanzende Ensemble mit der ungeheuren Geschwindigkeit und Präzision der Arm- und Hand-Bewegungen. Als wären alle durchströmt von der Energie, die den Todeskampf eines Sterns vom jähen Aufleuchten bis zum langsamen Verlöschen begleitet.

Theater Osnabrück / Totentanz II - Der Tod ist Herr über alle © Jörg Landsberg
Theater Osnabrück / Totentanz II - Der Tod ist Herr über alle © Jörg Landsberg

Den Schlusspunkt des Tanzabends setzt Mauro de Candia mit der Uraufführung seines Stückes „Sacre“. In seiner sehr abstrakten Choreographie ist die Geschichte des zur Frühlingsfeier ausgewählten Menschenopfers nicht mehr zu erkennen. Die archaische Brutalität des Geschehens tobt sich nur in der überlauten Fassung von Igor Strawinskys „Sacre du printemps“ für zwei Klaviere (Denys Proshayev/Nadia Mokhtari) aus. Im Tanz der unterschiedslos in fleischfarbene Ganzkörpertrikots gekleideten Tänzerinnen und Tänzer auf goldenem Grund stirbt nicht das als Opfer ausgewählte Individuum, sondern die Individualität überhaupt; der Totentanz ist im Alltag der Gegenwart angekommen.

Der „Danse Macabre“ im Theater am Domhof ist einer der Glanzpunkte zum Thema Totentanz neben den unbedingt sehenswerten Ausstellungen in der Kunsthalle Osnabrück, dem Diözesanmuseum und dem Felix-Nussbaum-Haus.

Theater Osnabrück / Sacre von Mauro de Candia © Jörg Landsberg
Theater Osnabrück / Sacre von Mauro de Candia © Jörg Landsberg
Felix Nussbaum: Triumph des Todes © Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück
Felix Nussbaum: Triumph des Todes © Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück

Im verdunkelten Kirchenschiff der Kunsthalle in der Dominikanerkirche mahnt Icaro Zorbar unter dem Titel „Verweile doch. (Ein Abgesang)“ mit Projektionen von Staub an der Wand eindringlich an unsere Sterblichkeit. Im lichten Kreuzgang dagegen fordern als performative Installationen viele kleine Objekte heiter dazu auf, sich verweilend der eigenen Lebendigkeit bewusst zu werden. Das gleich neben dem Dom gelegene Diözesanmuseum glänzt unter dem Ausstellungstitel „Im Angesicht des Todes“ mit weit in die Vergangenheit reichenden Exponaten nicht nur zu Totentänzen. Neben beeindruckend alten Totenmess-Gewändern und Ratschlägen für ein heilsames Sterben findet sich aber auch Superman, der die Faust gegen den Tod ballt, doch generell ist Humor selten.

 Ernst Ludwig Kirchner: Der Totentanz der Mary Wigman © Galerie Henze & Ketterer,
Ernst Ludwig Kirchner: Der Totentanz der Mary Wigman © Galerie Henze & Ketterer,

Im von Architekt Daniel Libeskind entworfenen Felix-Nussbaum-Haus ist „Danse Macabre. Tanz und Tod im der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts“ zu sehen. Im Zentrum stehen neben den Bildern vieler anderer Maler zu Tod und Krieg zum einen Werke von Felix Nussbaum, vor allem sein eindrucksvoller „Triumph des Todes“ von 1944. Zum anderen liegt anlassbezogen der Schwerpunkt auf Ernst Ludwig Kirchner. Von ihm sind neben dem großen Ölbild „Totentanz der Mary Wigman“ von 1926 vor allem die schwungvollen Skizzen und expressiven Holzschnitte zu Wigmans Tänzen interessant wie auch die ausdrucksstark bleichen Masken, die Victor Magito 1926 für sie gestaltet hat.

Während die Ausstellung in der Kunsthalle nur bis zum 2. April 2017 dauert, sind die Ausstellungen in den beiden anderen Museen bis 25. Juni zu sehen. Nächste Termine des Tanztheaters:  25. 3.2017 19.30 Uhr, am 12. 3. um 15.00 Uhr.

 Weitere Informationen - www.dansemacabre-osnabrueck.de

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