Osnabrück, Theater am Domhof, Unter einem Himmel - Dreiteiliger Tanzabend, IOCO Kritik, 09.02.2018
De Candias Tanzstück „Unter einem Himmel“ fasst „Heimat“ weltweit
Die ganze Welt umarmen
Von Hanns Butterhof
Im Theater am Domhof konnte Mauro de Candias neuer, dreiteiliger Tanzabend „Unter einem Himmel“ eine viel beklatschte Uraufführung feiern. Das Spielzeit-Motto „Heimat“ interpretiert er als Aufforderung, die ganze Welt zu umarmen, die er tänzerisch und musikalisch ins Theater holt, wie auch Tanz und Musik überall in der Welt zuhause sind. Befremdliche Reisende in sandfarbenen, mit Landkarten bedruckten Kostümen, dicken Schneebrillen und Propellerhütchen auf dem Kopf begrüßen die Zuschauer bereits beim Gang zu ihren Plätzen. Eine von ihnen (Saskia de Vries) fungiert auch als schwaches Bindeglied zwischen den drei Teilen des Tanzabends, die mit jeweils charakteristischer Musik in verschiedene geographische Gegenden führt.
Das erste Stück mit dem italienischen Titel „Branco“, Herde, führt musikalisch mit der glutvollen Zigeuner-Musik von Félix Lajkò in die Puszta. Im Halbdunkel, das manchmal durch Lichtschneisen zerschnitten wird, zeigt sich das in einheitliches Dunkelblau gekleidete Ensemble vornehmlich als Gruppe, dicht gedrängt und doch in sich individuell bewegt. Aus ihr bilden sich verschiedene Formationen, Linien, Kreise, die auszuprobieren scheinen, wie weit sich der Einzelne von der Gruppe entfernen kann, ohne ihren Schutz zu verlieren. Dazu findet de Candia die wohl schönsten Bilder des Tanzabends.
Als die Reisende dann den Bühnenvorhang hebt, eröffnet sie den Blick auf das zweite Stück, „In Transit“. Jetzt ist die Bühne hell, Das Ensemble ist in leuchtendes Rot, Blau oder Gelb gekleidet. Die Musik von Keith Jarretts „The Köln Concert“ ist intensiv, ein vom Stöhnen des Pianisten begleitetes Selbstgespräch. Und wie im Gespräch mit sich selber ziehen die je fünf Tänzerinnen und Tänzer ihre eigene Bahn über ein helles Teppichgeviert. Sie nehmen individuelle, kaum aufeinander bezogene Positionen ein, queren die Bühne schulterrollend in Zeitlupe oder führen Elemente ihrer Beweglichkeitsübungen aus. Nur am Rand kommt es zu intensiveren Beziehungen, insgesamt ein ernstes Bild der schwierigen Situation von Künstlern, die ihre stets nur vorübergehende Heimat überall neu finden müssen.
Das letzte Stück, „Pachuco“, handelt vom Widerstand, sich ganz der je neuen Heimat hinzugeben wie die Pachucos, Mexikaner, die in die USA eingewandert sind und ihre Eigenheit in Dialekt und Kleidung ausdrücken. So trägt das Ensemble gelbe Strümpfe zu dreiviertel-langen, schwarz gemusterten Hosen, weißen Jacketts und Reiterkappen mit gelben Propellerchen. Wie skurrile Aliens, von denen einer noch seinen Fallschirm hinter sich her schleift, scheinen sie eine fremde Welt zu besuchen. Weich hüpfen sie wie an Gummibändern oder folgen staunend den Weisungen ihres Stadt-Führers. Mit Jazz, italienischen Schnulzen und Csárdás umarmen sie musikalisch die ganze Welt. Mit „Auf Wiedersehn“ endet ihre heitere sight-seeing-tour nach neunzig Minuten unter großem Beifall und Bravos für das präzise tanzende Ensemble und seinen variantenreichen Choreographen de Candia.
Unter einem Himmel im Theater Osnabrück - Weitere Vorstellungen am 9., 11. und 16.2.2018 1900, 18.2.2018 15.00 Uhr
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