Osnabrück, Theater am Domhof, Trouble in Tahiti - Leonard Bernstein, IOCO Kritik, 06.03.2021
Trouble in Tahiti - Leonard Bernstein
- Berührende Szenen einer Mittelschichts-Ehe -von Hanns Butterhof
Knapp vier Wochen nach der geplanten Premiere im Theater am Domhof war jetzt coronabedingt Leonard Bernsteins einaktige Oper Trouble in Tahiti von 1952 im Digitalen Theater zu sehen. Entgegen den Erwartungen, die der eher auf schmalzige Melodramatik hinweisende Titel weckt, berührt die Handlung durch die schier trostlosen Szenen einer Mittelschichts-Ehe und fesselt durch ein breites musikalisches Spektrum von arienartigen Melodien bis hin zum Broadway-Jazz.
Die karge Einheitsbühne von Jörg Zysik ist mit einigen Tischen und Stühlen möbliert, die von den beiden Protagonisten Dinah (Susann Vent-Wunderlich) und ihrem Ehemann Sam (Jan Friedrich Eggers) für die sieben Szenen der Oper jeweils neu arrangiert werden. Hinter einer Galerie mit drei Kammern für die Auftritte des Jazztrios (Erika Simons, Mario Lee und Mark Hamman) ist das dahinter postierte Orchester mit An-Hoon Song am Pult zu erahnen.
Trouble in Tahiti - Leonard Bernstein youtube Trailer Theater Osnabrück [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]
Das in einfarbige Anzüge gekleidete Jazztrio (Kostüme: Natalie Himpel) beschreibt dynamisch swingend die Ausgangslage, eine Vorstadtidylle mit dem weißem Eigenheim von Dinah und Sam. Deren Liebe ist irgendwann zerronnen, vielleicht weil sich Dinah nach der Geburt ihres Sohnes in die Mutter- und Hausfrauenrolle und Sam in seine Geschäfte verloren hat: Dinah mit biederem Krägelchen am Kleid schaukelt ihr Baby, während Sam sich in Unterwäsche mit Liegestützen für das Arbeitsleben stählt und dabei irgendwie auf die Liebe seines Lebens wartet.
Jedes ihrer Gespräche selbst um Banalitäten endet in Streit, aus dem es keine Lösung gibt, weil jeder den ersten Schritt zur Versöhnung vom anderen erwartet. So weichen beide dem konfliktträchtigen Zusammensein aus, indem sie einander dringende Termine vortäuschen. Sam bestätigt sich im Job als smarter Gewinnertyp, während Dinah beim Psychiater ein düsteres Bild ihres Innern zeichnet. Ihre verlorene Hoffnung, dass die Liebe zu Harmonie und Anstand führt, lässt der Musical-Film Trouble in Tahiti noch einmal kurz aufflammen, in dessen falsche Idylle sie träumerisch mit Blumenkranz und Federboa eintaucht.
Auch wenn das Jazztrio jetzt noch so eindringlich mahnt, dass es Zeit für eine Aussprache wäre, erreicht es weder Dinah noch Sam. Beide decken ihr wunschloses Unglück mit einem Kinobesuch, ausgerechnet von Trouble in Tahiti, zu.
Susann Vent-Wunderlich zeichnet mit ihrem kräftigen Sopran im Konflikt mit Sam eine äußerlich starke Frau, die nur in Erinnerungen und Träumen ihre Schwäche berührend zulässt. Jan Friedrich Eggers überzeugt mit hartem Bariton im Streit mit Dinah auf Augenhöhe, lässt aber auch nur, wenn er einmal nachdenkt, seine Stimme weich werden.
Die unaufdringlich den Hygienevorschriften angepasste Regie Guillermo Amayas und das kleine Osnabrücker Symphonieorchester unter An-Hoon Song setzen Bernsteins Oper präzise um. Sie leuchten mit dem modernen, aber nirgends provokanten Klangmaterial die verschiedenen Seelenlagen aus. So versinkt Trouble in Tahiti nicht im Trübsal trostloser Szenen einer Ehe, sondern bietet über eine gute Stunde fesselndes Musiktheater.
Der Theater-Film Trouble in Tahiti steht als Video on demand (mit Bezahl-Schranke) mit englischem Text und deutschen Untertiteln
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