Osnabrück, Theater am Domhof, Kriegerinnen - von Ron Zimmering, IOCO Kritik,

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Theater Osnabrück

Osnabrück / Theater am Domhof © Marius Maasewerd
Osnabrück / Theater am Domhof © Marius Maasewerd

  Kriegerinnen - das Publikum chatted mit Alt- und Neo-Nazi-Frauen

Vor Rechts-Extremistinnen wird gewarnt

von Hanns Butterhof

Das Theater Osnabrück bleibt seinem ausgesprochen politischen Selbstverständnis auch mit der jüngsten Premiere der Schauspielsparte treu. Ron Zimmerings halbdokumentarisches Stück Kriegerinnen will deutlich machen, dass und wie Frauen zu Nazis werden, und eindringlich vor ihnen warnen. Die Aufführung findet am Rechner mit eingeloggten Zuschauern als interaktives Spiel auf der Videokonferenz-Plattform Zoom statt.

Kriegerinnen - Schauspiel von Ron Zimmering youtube Trailer Theater Osnabrück [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]

Die Regie-Idee von Ron Zimmering ist der ambitionierte Versuch, den coronabedingten Verlust des Publikums und dessen Distanz zur Bühne medial zu überwinden. Drei Schauspielerinnen, Juliane Böttger, Hannah Hupfauer und Hannah Walther, haben sich intensiv mit biographischen Zeugnissen von Alt- und Neonazi-Frauen vertraut gemacht. Vor abwechselnd schwarzem, weißen oder rotem Hintergrund (Bühne: Ute Radler) beantworten sie als Altnazi-Frauen, das Haar zu Zöpfen geflochten und in Turnhemdchen mit Hakenkreuz-Applikation (Kostüme: Benjamin Burguder), Fragen aus dem Publikum zu ihrem politischen Werdegang.

Ihre Aussagen stützen sich auf die Biogramm-Sammlung „Warum ich Nazi wurde“. Das umfangreiche Werk mit 581 biographischen Äußerungen war 1934 von Theodor Abel (1896 – 1988) mit Zustimmung des Propagandaministers Joseph Goebbels erstellt worden, um im Ausland für das III. Reich Verständnis zu wecken. Die Frauen, die darin zu Wort kommen, bekennen sich ungebrochen als Nationalsozialistinnen.

Kriegerinnen - Der nächste Online - Termin: 29.4.2021, 19.30 Uhr - Digitales Theater

www.theater-osnabrueck.de

Wenn die Schauspielerinnen nicht deren Texte wortgetreu wiedergeben, sondern aus der Haltung heraus sprechen, in die sie sich überzeugend hineinversetzt haben, ist kaum Abstoßendes an ihnen. Es sind stimmlich kaum zu unterscheidende junge Frauen, die sich nach Gemeinsamkeit, Stärke und einem Führer sehnen, der ihnen das alles verbürgt. Fast alle berichten von Anfeindungen oder der Drohung, ihre politische Haltung mit dem Verlust des Arbeitsplatzes bezahlen zu müssen, und dem Stolz, trotz allem den Nazis treu geblieben zu sein.

Für heute dient die 2017 erschienene Autobiographie Ein deutsches Mädchen der ehemaligen Rechtsextremistin Heidi Bennekenstein als Quelle für das Entstehen rechter weiblicher Gesinnung und ihrer Radikalisierung .

Theater Osnabrück / Kriegerinnen hierJuliane Böttger als Rechtsradikale Kriegerin im Dirndl: © Juliane Böttger Rina Zimmering / Ute Radler
Theater Osnabrück / Kriegerinnen hierJuliane Böttger als Rechtsradikale Kriegerin im Dirndl: © Juliane Böttger Rina Zimmering / Ute Radler

Überraschend fällt dabei Licht auf konspirative Jugendlager rechter Gruppen und lieblose, autoritäre Altnazi-Eltern, die ihren Kindern in den Ferien derlei zumuten. Und es wird deutlich, wie schwer es ist und wie lange es dauert, bis sich solche Kinder aus den besorgniserregend weitgespannten rechten Netzen freimachen und ihre eigenen Wege gehen können. Es ist die wohl berührendste Szene des Projekts, als die Heidi Bennekenstein - Darstellerin von der Scham über eine jäh mit elementarer Gewalt aus ihr herausbrechende Aggression berichtet, die ihr heute nicht mehr erklärlich ist. Mitgefühl und Schrecken mischen sich da in einem Moment der Betroffenheit.

Trotz der beachtlichen Leistung des Schauspielerinnen-Trios bei der Authentizitäts-Darstellung überzeugt Ron Zimmering mit Kriegerinnen nicht. Medial zu diffus ist die rasche Folge von Spiel-Szenen mit kommentierenden Zeitzeugen, Inspizienten, eingeblendeten Publikumsfragen und Moderation. Und dramaturgisch zu statisch sind die dargestellten Figuren, die wie in einer Talkshow ohne zeitgeschichtliche Präzisierung nur ausgestellt werden. Das Abblenden des zeitgeschichtlichen Horizonts ruft ein naives Gefühl von Gegenwärtigkeit und blanker Wichtigkeit herauf, wo es sich doch um  bloße Analogiebildungen handelt. Dabei wird nicht deutlich, was an weiblichem Rechtsradikalismus anders als an männlichem ist und so gefährlich, dass vor „Kriegerinnen“ ausdrücklich gewarnt werden muss.

Der nächste Termin: 29.4.2021, 19.30 Uhr, Digitales Theater zu sehen auf

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