Osnabrück, emma-theater, Die schöne Müllerin - Tanzabend, IOCO Kritik, 23.05.2019
Die schöne Müllerin - Tanzabend - Franz Schubert / Wilhelm Müller
- Tanz voll Sehnsucht, Hingabe und Trauer -
von Hanns Butterhof
Im Osnabrücker emma-theater ist jetzt Die schöne Müllerin glücklich wieder aufgenommen worden. Zu der Komposition Franz Schuberts mit dem Text von Wilhelm Müller hat der 1978 in Brasilien geborene, heute in Holland arbeitende Samir Calixto einen tief bewegenden Tanzabend choreographiert. Mit der anrührend singenden Mezzosopranistin Gabriella Guilfoil und der Dance Company zeigt Calixto einen Verlust, der weit über den persönlicher Liebe hinausreicht bis zum Verlust jeder Heimat.
Ein kalkweißer, tot seine dürren Äste krümmender Baum steht in der Mitte der völlig in Weiß gehaltenen Bühne des emma-theaters. Hier lebt nichts mehr, was das Herz wärmt, ins moderne Bauhaus-Weiß verloren ist die romantische Heimat, in der noch "die Mühle am rauschenden Bach klapperte" und man sich zur Abendzeit wohl unter Linden fand.
An die vergangene Zeit denkt auch die Frau zurück, die im weißen Kleid zögernd ins Scheinwerferlicht tritt: Die Mezzosopranistin Gabriella Guilfoil beginnt den Tanzabend fast wie einen gewöhnlichen Solo-Liederabend, begleitet von dem einfühlsamen Florian Appel am Klavier. Doch ist sie ausdrucksstark in die Choreographie eingebunden als die einst schöne, nun von ihrem Leben enttäuschte Müllerstochter, die sich an ihr kurzes Glück mit dem Müllergesellen erinnert.
Es ist ein gewagtes Spiel Calixtos, neben der von Müller so eindringlich geschilderten, von Schubert schon musikalisch ausgedeuteten Geschichte noch zusätzlich tanzen zu lassen. Aber er entgeht der Gefahr des bloßen Vertanzens, indem er mit dem Tanz eine weitere Ebene einzieht, die der Erinnerungen und inneren Bilder der Müllerin.
Es sind schwankende Erinnerungen, tastend nach dem, was gewesen ist, wer sie damals war und wer der Geselle; überhaupt ist stimmig die Zuordnung zu Geschlechtern und Personen aufgelöst. So kommt zu Beginn ein einzelner Tänzer unbeschwert jugendlich hüpfend auf die Bühne, dann jauchzend ein zweiter, bis schließlich ein ganzer Pulk auf die Sängerin zustrebt; damit erst ist der Müllergeselle da. Auch die Bilder der Müllerin von sich selber vervielfältigen sich, wenn dann fünf Tänzerinnen beschwingt ihre flirrenden Gefühle auskosten und Haltungen großer Sehnsucht und Hingabe den ganzen Raum füllen.
Ein wildes Jagen um den Baum herum lässt vermuten, der Geselle hätte die Liebe der Müllerstochter errungen. Doch die wendet sich dem besser gestellten Jäger zu, gibt rational ihre gegenwärtige Liebe für künftigen Wohlstand auf. Grüne Augenbinden, die allen die Sicht auf die Folgen nehmen, hängen bald wie Schlingen um die Hälse der Verschmähten. Die stampfen noch einmal, ein starker Ausdruck, unisono wütend auf, bevor sie nacheinander wie tot umfallen. Während alle voll Trauer in geknickter Haltung dem Geschehen den Rücken zuwenden, umarmt schließlich ein Tänzer, stöhnend und verzweifelt stammelnd, den Baum, den Tod. Nur hier noch findet er eine Heimat.
Nach einer guten Stunde berührenden Gesangs und fesselnden Tanzes gab es lang anhaltenden, begeisterten Beifall für Gabriella Guilfoil und Florian Appel sowie das Ensemble der Dance Company.
Die schöne Müllerin im emma-theater, Osnabrück; Die nächsten Termine: 26.5. und 2.6.2019, jeweils 19.30 Uhr
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