Osnabrück, Theater am Domhof, DWA-Zwei - Doppel-Tanztheater Abend, IOCO
DWA - Zwei - Tanztheater in Osnabrück: Seit Beginn der Intendanz von Ulrich Makrusch am Theater Osnabrück gibt es einen Länderschwerpunkt für jede Spielzeit. Polen, dem Partnerland dieser Spielzeit, ist DWA-Zwei gewidmet ......
Angstraum mit langem hoffnungsfrohen Ende - Doppel-Tanztheater-Abend „DWA-Zwei“ mit unterschiedlichen Hälften - Theater Osnabrück würdigt mit „DWA-Zwei“ sein Partnerland Polen
von Hanns Butterhof
Seit Beginn der Intendanz von Ulrich Makrusch am Theater Osnabrück gibt es einen Länderschwerpunkt für jede Spielzeit. Polen, dem Partnerland dieser Spielzeit, ist DWA-Zwei gewidmet. Für den Doppel-Tanztheater-Abend mit dem polnisch-deutschen Titel hat das Leitungsteam der Tanz-Sparte, Britta Aliena Horwath und László Nyakas, dem polnischstämmigen Choreographen Maciej Kuźmiński und der israelischen Choreographin Adi Salant die Osnabrücker Dance Company anvertraut. Kuźmiński steuert zu DWA-Zwei das 35 Minuten lange Stück Beginningend bei, Salant das etwa gleichlange Position A.
Für Beginningend steht im Osnabrücker Theater am Domhof ein fast raumfüllend großer Quader auf der Bühne. Seine weißen, mit Reihen von Buchstaben in Computerschrift versehenen Wände (Bühne: Margarita Bock) nehmen laut Programmheft Bezug auf die „konkrete Poesie“ des polnischen Dichters Stanisław Dróżdż (1939 - 2009), die Maciej Kuźmiński für Beginningend als Inspirationsquelle diente.
Wenn die je sechs Tänzerinnen und Tänzer barfuß und in Alltagskleidung (Kostüme: Lucia Frische) diesen Quader bespielen, vollführen sie eckige, teils mechanische Bewegungen. Wie sie dabei einzelne Körperteile isolieren, so sind auch sie durchwegs von einander isoliert. Sie sehen sich nicht an und nehmen auch sonst keinen Kontakt zueinander auf. Selbst wenn alle gleichzeitg stürzen, ruckartig die Bühne verlassen oder parallel auf einem Bein stehend das andere diagonal in die Höhe strecken, bleibt jeder für sich.
Eingestreut sind wenige erzählende Elemente. So liegt einmal eine Tänzerin am Boden, um die sich ein Tänzer erst bemüht, sich dann aber abwendet, ohne sie berührt zu haben. Wenn eine Tänzerin ein sehr ausdrucksstarkes Solo tanzt, wird sie von einer Gruppe erst sorgfältig beobachtet, dann eingekreist und abgeführt. Eine vor den zum stummen Schrei geöffneten Mund gehaltene Hand erzählt auf knappste Weise vom Grund der Isolierung.
Verbunden mit einer minimalistischen Musik von nur wenigen, zwischen langen Pausen rasch angeschlagenen Klaviertönen (Musik: Matthew Bourne, Murcof) entsteht so eine bedrückend lähmende Atmosphäre, als spielte sich alles beziehungslos in einem unterkühlten Angst-Raum ab.
Erst zum Ende löst sich die bedrückende Atmosphäre auf. Die Seitenwände des Quaders weichen zur Seite, mit der Rückwand verschwinden die darauf befindlichen Buchstaben. Unbedrängt finden sich nun unter anschwellend hoffnungsfroher Musik alle zusammen. Selbst der letzte Skeptiker reiht sich ein, so dass zum Finale das Ensemble Arm in Arm an der Rampe steht und den aufbrandenden Beifall entgegennimmt.
Für Position A von Adi Salant ist die Bühne weit offen. Ein faltiger Vorhang mit der abstrakten Struktur von Baumstämmen rahmt sie seitlich und hinten ein. Wenn die Tänzerinnen und Tänzer durch diesen Vorhang auftreten oder abgehen, dann ist es, als würden sie aktiv eingesogen oder ausgestülpt, keinesfalls aber aufgehalten und abgetrennt. Das ist der wohl deutlichste Hinweis auf das Thema Grenzen und ihre Durchlässigkeit, das laut Programmheft für Adi Salant besonders zentral ist.
Die meiste Zeit liegt die Bühne im Halbdunkel, und das Ensemble tanzt organisch und meist gemeinsam nicht wie ein Gegenstück, sondern nur wie eine lange Fortsetzung des hoffnungsfrohen Endes von Beginningend. Schön anzuschauen sind die Bewegungen des Ensembles, das sich zur Musik von Hania Rani und Dobrawa Czocher mehrfach von der geschlossenen Gruppe zu Linien, Dreiecken und Kreisen entfaltet.
Während Beginningend von Maciej Kuźmiński rein tänzerisch auch ohne Polen-Verweis eingängig und verständlich ist, bleibt Position A von Adi Salant thematisch undeutlich und nur tänzerisch gefällig. Das Ensemble der Dance Company mit Ambre Twardowksi, Ayaka Kamei, Barbara Minacori, Bojan Micev, Emanuela Vurro, Jeong Min Kim, John O'Gara, Luigi Imperato, Richard Nagy, Sander Los, Francesco Di Feo und Chiara Sorrentino fesselt mit seiner erstaunlichen Leistung, sich in zwei so verschiedene Tanzsprachen souverän bewegen zu können. Großer Beifall nach eineinhalb getanzten Stunden.