Osnabrück, Theater am Domhof, ROMEO UND JULIA - Tanzabend M. Dolon, IOCO Kritik, 19.11.2022
ROMEO UND JULIA - Tanzabend Marguerite Donlon
- Wenn selbst Liebe und Tod nicht versöhnen -
von Hanns Butterhof
In ihrer Tanz-Version von Romeo und Julia nach dem Liebes-Klassiker von William Shakespeare (+ 1616) zur Musik von Sergei Prokofjew (1891 – 1953) hat sich Marguerite Donlon ganz Shakespeares tragischem Komödien-Stil verschrieben. In der erwartbaren Tragödie des unsterblichen Liebespaares aus Verona spürt sie im Theater am Domhof zuverlässig die Komödie auf und vergisst auch die menschliche Tragödie nicht.
Komödie findet Tanzchefin Marguerite Donlon vor allem in den breiten Raum einnehmenden Ensemble-Szenen. Bei den gegnerischen Gangs der Montague- und Capulet-Familien betont Donlon vor allem verständnisvoll deren Jugendlichkeit.Wenn da einer dem anderen provokativ an der Jacke zupft oder im Sprung Brust auf Brust knallt, dann ist das voll pubertäres Renommier-Gehabe, nicht wirklich ernst zu nehmen. Oder wenn die Kampfhähne, getragen von ihren Kumpels, wie Kung-Fu-Kämpfer aufeinander zu fliegen, nimmt die Schwerelosigkeit dieses Auftritts ihrem Kampf jede Verbissenheit und erheitert allein schon wegen dessen Nähe zu filmischen Tricks.
Wenn aus den Kabbeleien der Jungs plötzlich Ernst wird, bricht die Tragödie herein. Als der Capulet Tybalt (Marine Sanchez Egasse) Romeos Freund Mercutio (Bojan Micev) hinterrücks ermordet, ist Schluss mit lustig, gerade auch, weil der Spaßmacher Mercutio trotz seiner Verletzung ergreifend weiterkaspert, bis er stirbt.
Hinreißend ist auch der Hochzeitsball bei den Capulets, bei dem Julia (Ambre Twardowski) dem Grafen Paris (Yi Yu) zugeführt werden soll, den ihre unbarmherzig sture Familie für sie als Bräutigam ausgesucht hat. Die Gäste tanzen, aber so, dass jeder auf der einen Körperseite einen halben Anzug trägt, auf der anderen eine Puppe mit halbem Ballkleid, so dass der perfekte Eindruck eines Paares entsteht (Bühne und Kostüme: Belén Montoliú). Bei einem davon kommt es zur allgemeinen Erheiterung sogar zu einem Streit darüber, wer führt.
Sehr humorvoll sind auch Einzelfiguren gezeichnet. Köstlich siegt bei Ajaka Kamei als alterslose Amme Julias bei ihrem inneren Kampf die Neugierde über das Briefgeheimnis. Und selbstverliebt dreht Paris seine Pirouetten, dem sich Julia schon bei seinem gezierten Handkuss dauernd entzieht.
Ambre Twardowski als Julia und Kesi Rose Olley Dorey als Romeo sind ein glaubwürdiges Liebespaar. Nur anfangs befremdet, dass es zwei Frauen sind, die da einander verfallen; für Dolon verkörpern sie programmatisch die Liebe allgemein. Vom Ensemble getragen fliegen sie sich wie eine liebevolle Spiegelung der kämpferischen Kung-Fu-Szene in schwebender Leichtigkeit zum ersten Kuss entgegen. Sie umkreisen einander und genießen die schüchterne Berührung ihrer Hände und Ellbogen. Dass sie vielleicht zu ideal und brav gezeichnet sind und in den eher konventionellen Soli zum tödlichen Ende hin nicht völlig erschüttern, öffnet den Blick für die hinter ihrem Schicksal liegende größere, allgemeine Tragödie: Weder ihre Liebe noch ihr Tod beenden die Feindschaft ihrer Familien.
Das Bühnenbild kommentiert präzise den Stand der Handlung. Zeigt anfangs der Riss in einer mit Graffiti bemalten Mauer den Konflikt der Familien an, scheint er sich in der Liebesnacht zu schließen. Am Ende steht er wieder weit offen. Unter der Oberfläche der Komödie liegt die fortdauernde menschliche Tragödie von Liebe und fortdauerndem Hass, Frieden und Krieg.
Das Osnabrücker Symphonieorchester unter Anhon Song begleitet und vertieft mit Sergei Prokofjews eingängiger, nahezu sprechender Musik mitreißend die Handlung. Nach mehr als zwei fesselnden Stunden erhält es wie das begeisternde Ensemble Bravos und langen, im Stehen dargebrachten Beifall des hingerissenen Publikums für eine schlüssige und bei aller unterhaltsamen Komik nachdenkliche Choreographie.
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