Osnabrück, Theater am Domhof, PINOCCHIOS ABENTEUER - Jonathan Dove, IOCO Kritik, 05.05.2023

Osnabrück, Theater am Domhof, PINOCCHIOS ABENTEUER - Jonathan Dove, IOCO Kritik, 05.05.2023
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Theater Osnabrück

Osnabrück / Theater am Domhof © Marius Maasewerd
Osnabrück / Theater am Domhof © Marius Maasewerd

PINOCCHIOS ABENTEUER - Familien-Oper - Jonathan Dove

- Der Holzkopf und die gute Fee -

von Hanns Butterhof

Noch ist nicht Weihnachten, und das Theater am Domhof bringt als Familien-Oper Pinocchios Abenteuer des englischen Komponisten Jonathan Dove auf die Bühne. In 15 bunten Bildern erzählt sie nach Carlo Goldoni (1707 – 1793) die Geschichte der Holzpuppe, der beim Lügen die Nase wächst, als Sozialisationsprozess mit Hindernissen. Der erst nur dem Lustprinzip folgende, faule und mehr eingebildete als gebildete Holzkopf wird mit treuer Hilfe einer Blauen Fee am Ende ein richtiger, guter Mensch.

Regisseur Christian von Götz hat für das Theater am Domhof eine phantasievolle, mit der aufgewerteten Rolle der Blauen Fee (Susann Vent-Wunderlich) märchenhafte Inszenierung geschaffen. Vor allem der Chor (Einstudierung: Sierd Quarré) in den wunderbar bunten Kostümen von Ausstatter Lukas Noll fesselt Augen und Ohren.

Theater Osnabrück / PINOCCHIOS ABENTEUER hier Die Blaue Fee hilft Pinocchio auf den rechten Weg, v.l.: Susann Vent-Wunderlich, Olga Privalova Foto Stephan Glagla
Theater Osnabrück / PINOCCHIOS ABENTEUER hier Die Blaue Fee hilft Pinocchio auf den rechten Weg, v.l.: Susann Vent-Wunderlich, Olga Privalova Foto Stephan Glagla

Star der Oper ist Mezzosopranistin Olga Privalova in der Titelrolle des Pinocchio. Fast ohne Unterbrechung ist sie in ihrer orangenen Latzhose auf der Bühne und erfreut mit hölzernen Haaren und Bewegungen. Dazu musste der arme Tischler Gapetto (Jan Friedrich Eggers) sie aus dem Holzklotz herausschnitzen, der mit dem dringenden Anspruch „Mach mich !“ mit Aplomb aus dem Schnürboden herabgestürzt war. Mit anstrengendem Sprechgesang trägt sie die Handlung, in der sie durch rigorose Leistungsverweigerung und an Dummheit grenzende Naivität laufend in Gefahr gerät. Ihr Pinocchio kann falsche Freunde nicht von echten unterscheiden und lässt sich widerstandslos blauäugig zum Lebeschön verführen. Wenn ihm Olga Privalova nicht ein so wirklich gutes Herz mitgäbe, hätten wir kein Mitleid mit dem Lausejungen.

Auch die gute Blaue Fee von Susann Vent-Wunderlich sieht tief in das Herz des hölzernen Bengels. Allerdings ist ihre Stellung zu Pinocchio nicht sehr klar. Schon vor der Ouvertüre sitzt sie am seitlichen Rand der weit offenen Bühne und spielt mit einer Pinocchio-Puppe. Sie könnte Pinocchios mentale Mutter sein, wofür ihre ungebrochene Fürsorge spricht, aber auch seine Schwester, wie eine Szene nahelegt. Vielleicht ist sie aber das ewig Weibliche, das den Holzkopf zu einem richtigen, guten Menschen hinanzieht. Von Harfenklängen begleitet, ist Susann Vent-Wunderlich mit strahlendem, kraftvollem Sopran das personifizierte Vertrauen in eine Jugend, die den Lohn der Arbeit wertschätzt, weil sie damit denen Gutes tun kann, die sie liebt.

Im Verlauf der Handlung begegnet Pinocchio einer Grille, die ihm vergeblich zum Lernen rät (Sopanistin Marianne Herzig gefällt auch als Papagei und Rosaura), einem sentimentalen Feuerschlucker (Bassist Erik Roussi füllt auch die Rollen Zirkusdirektor und Bauer umfänglich aus), einer ihn übel mobbenden Schulklasse, dem putzig kleinkriminellen Pärchen Fuchs und Katze (Kathrin Bauer und Mark Hamman) und vielen anderen, die wie Bariton Jan Friedrich Eggers als Pinocchios „Vater“ Gapetto in mehreren Rollen zum musikalischen Gelingen der Oper beitragen.

Die episodenhaft gereihten Szenen entfalten viele guten Einfälle wie die, Pinocchio zum Lügen auf die Psychiater-Couch zu legen, wobei ihm technisch sensationell die Nase wächst. Beeindruckend ist auch die  Video-Riesenwelle, die Pinocchio und Gapetto unter sich begräbt, wo sie sich dann in einem poppigen Unterwasser-Video mit animiertem, Karten spielendem Getier wiederfinden.

Pinocchios Abenteuer - Regisseur Christian von Götz stellt vor youtube Theater Osnabrück [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]

Auf dem Weg zur erfolgreichen Familienoper muss Pinocchios Abenteuer aber noch einige Hindernisse überwinden. Die mit zweieinhalb Stunden recht lange Oper bietet für Kinder mehr zum Staunen als zum Verstehen des nicht immer deutlich artikulierten, von Ralf Nürnberger kaum kindgerecht deutsch gereimten Textes. Man muss schon sehr genau hinhören, um den Fortschritt von Gapettos biederer Moral am Anfang: „Kein Geld ohne Arbeit, Mühe, Pflicht“, zu Pinocchios werthaltiger Einstellung zu Arbeit und Geld als Mittel, denen Gutes zu tun, die er liebt, am Ende mitzubekommen.

Auch die Musik macht es nicht jedem leicht. Es fehlt am gerade für Kinder wichtigen Liedhaft-Melodiösen, das sich mit einzelnen Figuren verbände. Stattdessen breitetet Dove vielerlei musikalisches Material aus der neueren Musikgeschichte von Wagner bis Orff, von der Spätromantik bis zur Minimal Music aus. Und zu oft deckt das geforderte Symphonieorchester Osnabrück unter dem energischen Dirigat von Daniel Inbal, manchmal auch erschreckend laut, die Sänger zu.

Nach der Pause blieben bei der Premiere mehrere Sitze leer, das übrige Publikum spendete allen Beteiligten wohlwollenden Beifall, Bravos für Olga Privalova und Susann Vent-Wunderlich.