Osnabrück, Theater am Domhof, Die Fledermaus - Johann Strauß, IOCO Kritik, 09.12.2021
Die Fledermaus - Johann Strauss
- Die Welt hinter Masken -
von Hanns Butterhof
Bei der Premiere der Erfolgsoperette Die Fledermaus von Johann Strauß herrscht Maskenpflicht auch im Zuschauerraum des Theater am Domhof. Man könnte sie fast für einen genialen Trick der Regie halten, dem Publikum zu verdeutlichen, dass es mit der Operette selber gemeint ist. Alle sind Maskenträger bei einer kleinen Ausschweifung vom engen bürgerlichen Alltag.
In den tollen Kulissen von Darko Petrovic, einem 50er-Jahre Wohnzimmer mit schwanzwedelndem Hund hinter dem Sofa, einem futuristischen Ballsaal von der Größe einer Bahnhofshalle und schließlich einem kargen Gefängnis, entrollt sich turbulent die Intrige des Dr. Falke (Jan Friedrich Eggers). Der will sich an seinem sehr von sich eingenommenen Freund Gabriel v. Eisenstein (James Edgar Knight) dafür rächen, dass dieser ihn nach einem Kostümball betrunken im nächtlichen Stadtpark abgelegt hatte, so dass er anderntags, noch im Fledermaus-Kostüm, zum Gespött der Stadt wurde. Auf einem fingierten Ball beim Fürsten Orlovsky (Olga Privalova) will er ihn vor den Augen seiner Frau und sogar mit ihr der Untreue überführen und nun seinerseits der Lächerlichkeit preisgeben.
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Von da ab ist keiner mehr der, als der er sich unter der Alltags-Maske bürgerlicher Wohlanständigkeit gibt. Das beginnt bei Dr. Falke, der sich als durch und durch falscher Freund erweist, und setzt sich bei Eisenstein fort, der sich noch wie ein treuer Ehemann von seiner Frau Rosalie (Susann Vent-Wunderlich) verabschiedet, um dann auf dem Ball fremdzugehen. Allerdings zeigt auch Rosalie gegenüber ihrem umfassend hemmungslosen Verehrer Alfred (Aljoscha Lennert) nur bedingt Widerstand gegen dessen Verführungsdrang. Auf dem Ball wird sie unter der Maske einer ungarischen Gräfin ihrem Mann den Kopf verdrehen und damit Falkes Plan gelingen lassen.
Die Täuschung zieht sich durch alle Milieus der quirligen Operette, von dem lebenslustigen Hausmädchen Adele (Julie Sekinger) bis zum trotteligen Gefängnisdirektor Frank (Erik Rousi) und den weiteren Gästen Orlovskys. Von Darko Petrovic fantasievoll kostümiert, findet sich in deren buntem Chor erstaunlich viel Prominenz, von Marylin Monroe und Alfred Einstein bis zu Marlene Dietrich und Charly Chaplin.
Nur der Gefängniswärter Frosch (Stefan Haschke) bleibt, wer er ist. Er extemporiert zur allgemeinen Heiterkeit tagesaktuell über Corona, die Komik von Oper und die tatsächlich immer wieder erstaunliche Schlüpfrigkeit von Operetten-Regie, für die er dann selbst noch eine peinliche Probe bietet. Aber er hat keine Gesangsrolle, gehört also deutlich nicht dazu und, Hand aufs Herz, einer wie er möchte man wirklich nicht sein.
Dem galoppierenden Treiben bis hin zur sentimental-lustigen Allerweltsverbrüderung folgt das Publikum voller Begeisterung und wohlwollend hingenommener Betroffenheit. Geht es doch um den allzu menschlichen Wunsch zu träumen, völlig losgelöst dem geregelten Alltag auch um den Preis des kalten Erwachens zu entfliehen. Wenn das jeder jedem vorwerfen kann, dann kann doch keiner einen Stein auf den anderen werfen; Champagner!
Den bunten Strauß (!) musikalischer Einfälle des Walzerkönigs mit Ohrwurmgarantie entfaltet das Osnabrücker Symphonieorchester unter Leitung von Daniel Inbal schwungvoll und mitreißend. Dem insgesamt begeisternden Ensemble hat Regisseurin Eike Ecker überbordende Spielfreude und Gesangslust vermittelt. Susann Vent-Wunderlich und James Edgar Knight passen stimmlich perfekt zusammen, Vent-Wunderlichs unangestrengt kräftiger Sopran findet in Knights jugendlichem Heldentenor das entsprechende Gegengewicht. Von der koloraturseligen Julie Sekinger bis zum stimmig von Sierd Quarré einstudierten Chor tragen alle zum hinreißenden Gelingen der Operette bei. Die ist nicht nur allerbeste Unterhaltung, sie mahnt auch, in einer Welt hinter Masken Mensch zu bleiben und zu träumen; es muss nicht vom Ehebruch sein, etwas Allerweltsverbrüderung tut es auch.
Nach drei kurzweiligen Stunden Riesenbeifall des Premierenpublikums.
Die Fledermaus im Theater Osnabrück; die weiteren Termine 11., 19. und 31.12. um 19.30 Uhr, am 31.12.2021 zusätzlich um 15.00 Uhr.
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