Osnabrück, Theater am Domhof, DER GROSSE GATSBY - F. S. Fitzgerald, IOCO

OSNABRÜCK. Mit einer Schauspielfassung nach dem amerikanischen Roman-Klassiker Der große Gatsby von F. Scott Fitzgerald, der in den wilden Zwanziger Jahren in New York spielt, ist das Theater Osnabrück unterhaltsam in die .....

Osnabrück, Theater am Domhof, DER GROSSE GATSBY - F. S. Fitzgerald, IOCO
THEATER AM DOMHOF - foto-marius-maasewerd

Ein Sittenbild mit viel Schaum - Unterhaltsame Spielzeiteröffnung mit „Der große Gatsby“ im Theater am Domhof, Osnabrück

von Hanns Butterhof

Mit einer Schauspielfassung nach dem amerikanischen Roman-Klassiker Der große Gatsby von F. Scott Fitzgerald, der in den wilden Zwanziger Jahren in New York spielt, ist das Theater Osnabrück unterhaltsam in die neue Spielzeit gestartet. Die zeitlos abstrakte Bühne und Kostümierung reklamieren Aktualität, Live-Bühnenmusik begleitet die Handlung und eingstreute Songs lockern sie auf. Die Regie-Idee, einen Bogen von den Zwanziger Jahren damals zu denen von heute zu schlagen, geht nicht überzeugend auf.

Der große Gatsby youtube Theater Osnabrück

Die beiden von Anna Brandstätter abstrakt gestalteten Bühnenbilder wird man am längsten von diesem „Großen Gatsby“ in Erinnerung behalten. Mit silberglänzenden Stanniol-Streifen über die ganze Breite und Tiefe der Bühne schafft sie Bilder von New York und einem wildem Party-Dschungel bei Gatsby,  und mit einer steilen, rutschigen Rampe ein eingängiges Bild für sozialen Aufstiegswillen und Absturzgefahr, den beherrschenden Themen des Stücks.

In dessen langer erster Hälfte wird umständlich eine Zusammenkunft von Jay Gatsby (Michi Wischniowski) mit Daisy Buchanan (Rebekka Biener) arrangiert. Vor Jahren waren die beiden ein Liebespaar, doch während seiner Abwesenheit im Krieg hatte Daisy den reichen Ex-Footballer Tom Buchanan (Amaru Albancando) geheiratet, der sie aber schon lange mit der schlichten Myrtle Wilson (Cora  Kneisz) betrügt, der Frau eines prekären Auto-Schraubers (Raphael Akeel). Nicht nur deshalb glaubt Gatsby, Daisy wiedergewinnen zu können.

Gatsby, der nur anfangs einmal stumm im Bühnennebel hinter einem grünen Licht die Rampe hinaufgegeistert ist, tritt erst spät in die Handlung ein. Als Gastgeber seiner eher lauten (Komposition und Livemusik: Fiete Wachholz und Jonathan Strauch) als wilden Parties erscheint er steif und kontaktscheu. Als einziger trägt er einen Anzug (Kostüme: Olivia Rosendorfer), in dem er sich deutlich unwohl fühlt. Er kommt aus wenig begüterten Verhältnissen und greift, wohl in dem Wunsch, Seriosität auszudrücken und soziale Anerkennung zu finden, modisch so daneben wie vielleicht auch in seiner Beziehung: Nie wird deutlich, ob er von Anfang an die schöne, reiche und selbstbewusste Daisy nicht ebenso als Ausdruck seines erträumten sozialen Aufstiegs ersehnt hat und noch immer begehrt.

Jay Gatsby - Hans-Christian Hegewald und Ensemble in Gatsbys Party-Schaumbad.@ Joseph Ruben

Regisseurin Julia Prechsel lässt ab dem Moment, in dem Gatsby und Daisy zusammenkommen, die Bühne mit Schaum fluten. Der kommt zunächst beziehungsreich wie ein dicker Strahl von oben, dann bedeckt er die Bühne, wodurch sich die Rampe in eine veritable Rutschbahn verwandelt. In diesem Schaum verfliegen nicht nur alle Träume von Liebe und sozialem Aufstieg. Am Ende liegt Gatsby tot in ihm. 

Michi Wischniowski und Rebekka Biener als Gatsby und Daisy im Schaumbad @ Joseph Ruben

Das junge Ensemble nutzt die wenig Entfaltungsmöglichkeiten so gut es bei Julia Prechsels Bühnenfassung geht. Michi Wischniowski strebt als liebender Gatsby nach der kühlen Daisy Rebekka Bieners, die sich selbstbewusst nur für sich entscheidet. Der eigentliche Handlungsträger und Publikumsliebling ist Hans-Christian Hegewald als Gatsbys Nachbar Nick Carraway, der als Erzähler die Lücken der Handlung füllt und mit einer breiten klamaukigen Trunkenheits-Szene und einem wilden Verhältnis mit der stürmisch beweglichen Jordan Baker von Lua Mariell Barros Heckmanns für Heiterkeit sorgt. Amaru Albancando bleibt als brüllender, rassistisch schwurbelnder Tom blass, während  Raphael Akeel als George Wilson und Cora Kneisz als seine ungetreue Frau Myrtle schmal für das Prekariat und damit die andere Seite der Gesellschaft stehen.

Diesem „Großen Gatsby“ fehlt der breite gesellschaftliche Zusammenhang, aus dem heraus sich die Figuren glaubhaft hätten entwickeln können. Stattdessen bietet Julia Prechsel ein statisches Sittenbild, dessen  Aussagekraft für heute unklar bleibt. Dass der Schuss, der Gatsby tötet, aus dem Parkett zu kommen scheint, reicht als Anstoß für das Publikum, seine eigene Betroffenheit zu bedenken, wegen seiner Unbestimmtheit kaum aus.

Nach gut zweieinhalb von Musik begleiteten und von Gesang entschleunigten Stunden gab es anerkennenden Beifall des von dem Format durchwegs angenehm unterhaltenen Premierenpublikums. Mit mehr Schauspiel: einer klaren Handlung und entwickelten Charakteren, wäre der ambitionierten Regie-Idee Julia Prechsels und dem Theater als Form mehr gedient gewesen.