Opern-Aufführungen auf YouTube - am Beispiel Rheingold, IOCO Essay

Opern-Aufführungen bei youtube: Nachdem der Autor zuletzt für IOCO über seine Erfahrungen mit einem Opernbesuch im Kino berichtet hat ..... Wie fühlt es sich an, wenn man zu Hause am heimischen Fernseher die gewünschte Lieblings-Oper auf YouTube sehen will?

Opern-Aufführungen auf YouTube - am Beispiel Rheingold, IOCO Essay
RICHARD WAGNER Denkmal in .... @ IOCO

 von Uli Rehwald

Nachdem der Autor zuletzt für IOCO über seine Erfahrungen mit einem Opernbesuch im Kino, link HIER!, berichtet hat, soll diesmal noch ein weiterer Versuch gewagt werden: Wie fühlt es sich an, wenn man zu Hause am heimischen Fernseher die gewünschte Lieblings-Oper auf YouTube sehen will? Welche Erfahrungen wird es dabei geben? Wie viel echtes Opernfeeling wird aufkommen? Oder wird man sich danach am Ende sogar wünschen, diese Erfahrung nicht gemacht zu haben?

Die Wahl der richtigen Oper für diesen Versuch ist diesmal ganz einfach. Es soll das Rheingold von Richard Wagner sein. Warum? Die Oper ist bekannt genug, damit eine größere Auswahl an Aufnahmen auf YouTube zur Verfügung steht. Außerdem ist sie kurz genug, um sich mehrere Varianten anzusehen. Und wirklich schön ist sie auch.

DAS RHEINGOLD - Oper von Richard Wagner youtube Deutsche Oper am Rhein

Auf diesen Entschluss folgt dann aber doch eine längere Phase des Sichtens und der Auswahl. Es ist ja nicht so, dass hier nur 2 oder 3 Varianten zur Wahl stehen. Sobald der Begriff

Rheingold - Richard Wagner“

in die Suchmaske eingegeben worden ist, zeigt sich eine fast unüberschaubare Fülle von Möglichkeiten, die in Form einer Liste zum Durchscrollen angezeigt werden:

-        Kurze Trailer als Werbung für lange zurückliegende Aufführungen von verschiedenen Opernhäusern, aber auch für aktuelle Fassungen.

-        Einführungen zum Werk, auch als Crashkurs zum Operninhalt.

-        Konzertante Aufführungen und Radiofassungen.

-        Einzelne beliebte Szenen, wie der Einzug der Götter in Walhall.

-        Eine Erläuterung der wichtigsten Leitmotive.

-        Einblicke in die Probenarbeit.

-        Und natürlich auch ganze Opern, sowohl aktuelle als auch historische Fassungen. Einige sogar so aufbereitet, dass man einzelne Szenen ansteuern kann.

Für eine aus dieser Unzahl von Möglichkeiten wird man sich entscheiden müssen. Gut dran ist, wer von einem Opernfreund einen Hinweis bekommen hat: „Das musst du dir unbedingt ansehen“. Wer diesen Vorzug nicht hat, muss selbst die aufwendige Suche durchführen, um sich eine Meinung zu bilden. Um dann am Ende sagen zu können: Ja, genau das will ich sehen.

Das wird normalerweise so anfangen, dass man mal in das eine oder andere hineinschaut und natürlich auch ein Weilchen hineinhört. Gut wäre, wenn die Unschlüssigkeit nicht allzu große wäre, sonst kann man leicht einen ganzen Samstag-Abend damit verbringen, ohne Klarheit erzielt zu haben. Das wäre gewissermaßen eine Form des

„Opern-Daddelns“.

Besonders heimtückisch dabei ist der Zeitfresser, dass oft erst mal Werbung geschaltet wird, wenn man die Oper auf der YouTube-Liste anklickt.

Richard Wagner: DAS RHEINGOLD [Official trailer] Youtube Deutsche Oper Berlin

Leider ist der YouTube-Algorithmus doch nicht so zuverlässig. Es werden auch Dinge vorgeschlagen, die nicht gesucht worden sind. Zum Beispiel auch der Trauermarsch aus der Götterdämmerung. Die gleiche Suche am nächsten Tag gibt andere Ergebnisse. Offenbar ist der Algorithmus auch ein wenig launisch. Ob am Freitagabend etwas anderes vorgeschlagen wird als am Montag, wurde nicht recherchiert.

Weiter spielt es auch eine Rolle, was genau in der Suchmaske eingegeben wird. Nur „Rheingold“, „Oper Rheingold“, „komplette Oper Rheingold“ oder „Richard Wagner Rheingold“. Die Ergebnisse sind unterschiedlich. Andererseits lernt der YouTube-Algorithmus mit der Zeit, was eigentlich gesucht wird und schlägt dann immer gezielter vor. Am Ende sind es dann gut 20 Videos, welche eine ganze Oper zur Verfügung stellen. Und ja, man kann erleichtert sein, es sind Gott sei Dank nicht 100 Videos. Aber auch hier geht das Suchen zunächst mal weiter.

-        Einige Vorschläge tragen keine Bezeichnung, um welche Aufführung es sich handelt.

-        Andere sind dann überraschend doch nur Audioaufnahmen mit Standbild.

-        Einige Vorschläge lassen erkennen, ob es sich um ältere oder neuere Aufnahmen handelt. Diese unterscheiden sich in der Tonqualität, es wurde damals ja ganz anders aufgezeichnet.

-        In der Kameraführung sind die Opern unterschiedlich. Der große Vorteil einer Oper mit spezieller Kino-Inszenierung mit unterschiedlichen Kamerapositionen ist bei älteren Werken ja nicht vorhanden. Dann gibt es oft einfach nur einen statischen Blick auf die Bühne, so wie man es aus dem Zuschauerraum ja auch gesehen hätte.

Das Rheinggold - Opernhaus Zürich - youtube Opernhaus Zürich

Bei einigen Vorschlägen ist es klar ist, worum es sich handelt. Einige Beispiele:

-        Aus Bayreuth sowohl die Aufführung mit Christian Thielemann als auch die umstrittene Castorf-Inszenierung.

-        Eine historische Aufnahme von 1953 mit Furtwängler.

-        Valencia 2007.

-        2012 aus einem Opernhaus in Argentinien.

-        Salzburg 1968 mit Karajan.

-        Stuttgart 2021.

Natürlich wäre es jetzt schön zu wissen, ob z. B. Untertitel (in welcher Sprache), verschiedene Kamerapositionen oder Werbeunterbrechungen vorhanden sind. Dies wird aber auf der YouTube-Liste leider nicht angezeigt. Also ist ein beherzter Versuch nach Gutdünken genau das Richtige. Und so werden diese 3 Opern auf die enge Auswahlliste gesetzt:

-        Die Bayreuther Castorf-Inszenierung von 2013 als traditionelle Variante.

-        Eine Version „The Animated Ring“, also mit virtuellen Bildern rein aus Neugier.

-        Aus der noch laufenden Ring-Aufführung in Stuttgart das Rheingold von 2021.

Wenn diese Entscheidung dann endlich getroffen ist, stellen sich Fragen, die sonst eher nicht auftauchen:

-        Die ganze Oper am Stück oder besser in Teilen?

-        Was ist mit dem Catering? Vorher, nachher oder gar dabei? Chips sind nicht optimal wegen der Geräuschkulisse.

-        Abends könnten sich die Nachbarn gestört fühlen. Welche Lautstärke geht noch?

-        Füße hochlegen oder besser nicht? Sonst wäre es vielleicht doch zu profan. Andererseits legt Wotan in Bayreuth ja selbst auf offener Bühne vor Publikum die Füße hoch.

Das Rheingold - Staatsoper Unter den Linden - youtube Staatsoper Unter den Linden

Beim Ansehen der engeren Auswahl gibt es dann die folgenden Erfahrungen:

-        Die Castorf-Inszenierung von 2013 war damals sehr umstritten. Trotzdem hat sie ein hervorragendes Merkmal: Wie bei einer modernen Kino-Oper gibt es ständig unterschiedliche Kamerapositionen mit anderen Blickwinkeln. Auch die Sänger in Großaufnahme und kleine, interessante Details. Zusätzlich laufen ständig großformatige Videos auf dem Kulissenhintergrund als besonderes Merkmal dieser Inszenierung. Manchmal weiß man gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Weiter gibt es auch einen Blick in den Zuschauerraum am Anfang und bei dem Applaus am Ende. Alles mit deutschen Untertiteln, Werbeunterbrechungen gibt es erfreulicherweise nicht.

-        Die Variante „Animated Ring“ startet wirklich ärgerlich. Es werden nämlich ganz plumpe künstliche Figuren gezeigt, die aus der Anfangszeit der Computerspiele stammen könnten. Dazu läuft die Musik vom Band als Hintergrund. Daraus kann man sich nur nach 10 Minuten ärgerlich verabschieden. Da hilft auch nicht, dass am Ende der Oper die Götter wirklich über den virtuellen, buntschillernden Regenbogen gehen.

-        Die Stuttgart-Aufführung von 2021 hat große Qualitäten. Sie verfügt über eine individuelle Kameraführung wie im Kino, auch mit Blicken in den Orchestergraben. Etwas stört jedoch, dass sowohl englische Untertitel (sehr groß) als auch deutsche Untertitel (kleiner) gezeigt werden. Am meisten stört, dass recht regelmäßig und überfallmäßig Werbung eingeblendet wird, auch mitten in der Arie. Dadurch will sich ein Operngefühl nicht so richtig einstellen. Erfreulicherweise werden in einem Vorspann die Sänger und die Beteiligten genannt. Das ist ein Service, der bei den meisten Videos fehlt.

Und wie kann man abschließend die Erfahrung „Oper am heimischen Fernseher“ einordnen? Ein richtiges Opernerlebnis wird es wohl in aller Regel eher nicht sein. Der Ablenkungsfaktor ist zu Hause naturgemäß am größten. Gleichwohl ist es eine sehr gute Möglichkeit, sich auf eine Oper vorzubereiten, sich damit zu beschäftigen. Auch die Trailer und Einführungen zum Werk sind sicher hilfreich. Gerade zur Orientierung, wie unterschiedlich eine Oper inszeniert werden kann. Vielleicht kann man sagen, dass dieses spezielle Segment „Oper auf YouTube“ durchaus seine Berechtigung hat. Und am besten ist es sicher, wenn man schon vorher weiß, was man genau sehen möchte. Eine gute Empfehlung wäre zum Beispiel die Bayreuther Castorf-Inszenierung.

Rheingold - Staatsoper Stuttgart youtube Staatoper Stuttgart

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