Oldenburg, Staatstheater, JUBILÄUMSKONZERT - Te deum laudamus, IOCO

OLDENBURG: Was wäre das deutsche Musiktheater ohne seine Extrachöre? Ensembles, die aus purer Lust am szenischen Spiel im chorischen Verbund sich Woche für Woche durch spannende aber sicher auch aufwändige Probenphasen wälzen, um am Ende gemeinsam mit den Profis aus Ensemble und Hauschören

Oldenburg, Staatstheater, JUBILÄUMSKONZERT - Te deum laudamus, IOCO
Staatstheater Oldenburg @ Stephan Walzl.

Te Deum laudamus - Bericht zum Jubiläumskonzert des Extrachores am Oldenburgischen Staatstheater

von Thomas Honickel

Was wäre das deutsche Musiktheater ohne seine Extrachöre? Ensembles, die aus purer Lust am szenischen Spiel im chorischen Verbund sich Woche für Woche durch spannende aber sicher auch aufwändige Probenphasen wälzen, um am Ende gemeinsam mit den Profis aus Ensemble und Hauschören die Inszenierungen der Häuser stimmstark zu beleben und zu unterstützen. Gewiss können kleinere oder mittlere Häuser Barockes oder Mozart, Weber und Kammerorchestrales stemmen, aber eine Tosca, einen Peter Grimes, einen Tannhäuser zu realisieren, dazu bedarf es üppigerer Vokalensembles, als man an diesen Häusern vorrätig hat. Dann kommen die ambitionierten und teilweise seit Jahrzehnten aktiven Laiensänger zum Zug und veredeln im Verein mit den Gesangsprofis solche Mammutwerke. Und auch bei Sinfoniekonzerten mit prachtvollen Großchören (Mahler, Schönberg, Bruckner) sind sie zwingend vonnöten.

Oldenburgisches Staatstheater - EXTRACHOR @ Stephan Walzl

Nun durfte das hauseigene Extra-Ensemble des Nordwesthauses sein 30jähriges Bestehen feiern, und es tat dies mit gleich dreifacher Dankeshymne unter Beteiligung von Soli und Staatsorchester: „Te Deum laudamus!

Die Ursprünge dieses lateinischen Lob-, Dank- und Bittgesangs liegen der Legende nach im 4. Jahrhundert und gehen auf Augustinus und Ambrosius zurück, weswegen er bisweilen auch ambrosianischer Lobgesang genannt wird. Es ist formal nicht metrisch und daher ein freier Prosatext aus 29 Zeilen, und er verarbeitet, ähnlich dem liturgischen Gloria, Hymnen zu der Dreifaltigkeit und Psalmverse. Die Vereinigung aller (neun) Engelscharen, Apostel, Propheten, Märtyrer zum kollektiven Lobgesang auf die Gottheit verleiht dem Ganzen eine überzeitliche, transkonfessionelle und in Teilen ins Weltliche schwappende Grundstimmung.

Martin Luther übertrug es als dem liturgischen Credo gleichgestelltes Werk 1529 ins Deutsche. 1768 wurde eine gereimte Fassung als Kirchenlied durch Ignaz Franz zum heute beliebten Kirchenlied „Großer Gott, wir loben dich“ international und ökumenisch ein Hit.

Letzteres mag dazu geführt haben, dass die ersten mehrstimmigen Vertonungen bereits gänzlich anderen Zwecken zugeführt wurden als ausnahmslos sakral-liturgischen Festen oder Anlässen. So diente es lange Jahrhunderte in der Neuzeit als Danklied für Abtwahlen, Bischofswahlen, Papst- und Königskrönungen. Die erste prominente Vertonung (im „stile antico“) stammt vom römischen Großmeister Pierluigi da Palestrina. Spätestens ab dem 17 Jahrhundert, in dem bekanntermaßen auch die Instrumentalmusik sich verselbständigte und emanzipierte, wurden Vertonungen bereitgestellt, die als höfisches und staatliches Zeremoniell herhalten mussten. Nicht selten wurden Siegesfeiern nach langen (kriegerischen) Auseinandersetzungen durch Te Deum-Vertonungen musikalisch zelebriert.

Das gilt auch für zwei der vom Extrachor Oldenburg ausgewählten Werke: Die äußerst bekannte Vertonungen durch Marc-Antonie Charpentier (1643-1704) der mit seiner Version aus dem Jahr 1690 eine sogenannte Grand Motet schuf, die vermutlich zu den Feierlichkeiten anlässlich der Schlacht bei Steenkerke (1692) diente (Pfälzische Erbfolgekriege zwischen Niederlande, England, Heiliges Römisches Reich). Charpentiers Werk besticht durch eine Vielzahl an kleinteiligen motettischen Abschnitten mit regem Wechsel zwischen Soli, Chor und orchestralen Zwischenspielen. Zumeist stellt es sich homophon dar; mal festlich, mal kontemplativ. In der Instrumentierung mit wechselnder Farbgebung für verschiedene Texte und vokale Partner. Heinrich Schütz´ epochale Weihnachtshistorie ist noch nicht weit her (1664). Einzig in der großen Schlussfuge „in te domine speravi“ beweist der Komponist auch sein fugales Handwerk. Hier steht die oratorische Entwicklung noch am Anfang, was allerdings die Bedeutsamkeit des Opus nicht schmälern sollte. Nicht zuletzt wegen der Strahlkraft seiner Ouverture wurde der beginnende Teil dieses Werkes lange Jahre als Erkennungsmelodie der Eurovisionsfanfare eingesetzt. Den Status der Europahymne hat ihr Beethovens Götterfunken“-Thema aus dessen 9. Sinfonie abgelaufen.

Das zweite Hauptwerk des Abends, das ebenfalls äußerst populäre Dettinger Te Deum, schrieb der schon betagte George Frideric Handel (sic!) 1743 anlässlich der Feierlichkeiten zum Sieg in der Schlacht bei Dettingen (Österreichische Erbfolgekriege zwischen Hannover und Großbritannien). Händel lag die englische Übersetzung und Version des Te Deum vor, die auch bereits Henry Purcell erstmals vertont hatte. In weiten Teilen folgt diese britische-anglikanische Version dem lateinischen Urtext. Wer die oratorischen Vorgänger aus der ersten Reihe kennt (Messias 1742, Israel in Egypt 1739) kann hier manch ähnliche Passage oder einen bereits geübten Gestus wiedererkennen. Wie so oft bei Händel (Urheberrechte gab es noch nicht) nutzt er in seinem Werk Materialien anderer Komponisten; hier ist es ein lateinisches Te Deum des Zeitgenossen Francesco Antonio Urio (+ 1719), den vermutlich schon damals niemand mehr kannte. Im Gegensatz zum bei Charpentier eher homöopathischen Einsatz des Chores mit häufig schlichten Linien, weniger Polyphonie und kaum Koloraturen ist der Chor bei Händel üppig beschäftigt und stark herausgefordert. Kondition und Konzentration sind zwingend bei diesem sechzehnteiligen (!) Werk, das reich ist an starken und wechselnden Stimmungen.

Man sieht schon in den genannten Widmungsanlässen der Werke des hochbarocken Charpentier und des spätbarocken Händel eine zunehmende Vereinnahmung des liturgischen Kirchengesangs und Kirchengebets zu profan-politischen Zwecken. Das sollte sich in der weiteren Entwicklung der Vertonungen bestätigen: Kompositionen von Haydn (zur Krönung von Kaiserin Maria Theresa von Neapel-Sizilien), Josef Kozlowski (zur Krönung des Zaren Nikolaus I.), Mendelssohn-Bartholdy (zur Feier des tausendjährigen Bestehens von Deutschland), Berlioz (zur Thronbesteigung Napoleons III.), und erstmals zwei Kompositionen, die dezidiert nicht für die Kirche sondern für den Konzertsaal bestimmt waren: Verdis Teil 4 aus Quattro pezzi sacri (UA 1898 in der Pariser Oper) sowie Bruckners monumentales Te Deum von 1881 (UA 1886 im Musikvereinssaal des Wiener Singvereins). Bruckner selbst hielt dieses Werk für den „Stolz seines Lebens“, von dem er verfügte, dass es als Ersatz für den nicht mehr fertiggestellten Finalsatz seiner 9. Sinfonie gespielt werden sollte.Insofern wählte man für Oldenburg zwar zwei sakral motivierte Texte, die allerdings in Versionen erklangen, die eine Aufführung im profanen Theater sinnvoll erscheinen lassen. Mag einem dann bei mancher Passage auch das akustisch optimalere Ambiente eines Kirchennachhalls fehlen: Der prächtig-pompöse Gehalt der beiden o.g. Werke ist in einem solchen Haus durchaus gut verortet.

Oldenburgisches Staatstheater - EXTRACHOR @Thomas Honickel

Einzig das dritte der ausgewählten Werke hob sich vom strahlenden und teilweise lärmenden Grundzug der barocken Werke ab: Mit Benjamin Brittens (1913-1976) Te Deum in C wählte man einen Kontrapunkt der besonderen Art und ein Kabinettstückchen, das sich wohltuend und wärmend von den beiden anderen Kompositionen aus der Feder von Charpentier und Händel abhob. Anstelle des Orchesters gibt es hier einen obligaten Orgelpart (souverän am digitalen Instrument: Thomas Bönisch), anstelle des Plakativen spielt sich das Verinnerlichte in den Vordergrund, für das Epische rückt hier das Kleinteilige in den Mittelpunkt der Betrachtung. Das Te Deum in C ist ein sehr frühes Jugendwerk des bedeutsamen Britten (UA 1935) und ist deutlich im Gegensatz zu allen o.g. Werken tatsächlich für den gottesdienstlichen Ritus bestimmt. Es war das erste Werk Brittens, das durch die Oxford University Press verlegt wurde.

Man durfte also auf das reiche Spektrum französisch-britischer Vertonungen dieses besonderen Textes gespannt sein.

Die Interpreten

Die mehrfache Wertschätzung der nun schon drei Jahrzehnte währenden Chorarbeit erhielt der Extrachor des Staatstheaters durch die Anwesenheit und gewinnende Moderation von Intendant Georg Heckel, durch ein schön gestaltetes Programmheft mit Namensnennung aller Ausführenden und durch einen phänomenalen Konzertbesuch, in dem nicht wenige Fans der Chorsänger versammelt waren. Ein wenig Volksfest wurde es dadurch am Ende gar.

Und es war eine gute Geste, den ehemaligen langjährigen Leiter des Chores, Kapellmeister Thomas Bönisch, an die Orgel zu setzen; beim Britten solistisch, bei Händel und Charpentier stützend im Continuo. Er hat den Chor bis vor knapp zwei Jahren geleitet und stets zu Großem geführt. Der Autor erinnert sich mit Freuden ans Festkonzert vor 10 Jahren, als man das höchst diffizile und vertrackte „Magnificat“ von Bachs Zweitältestem Carl Philip Emanuel gab, und an das 25jährige Festkonzert mit der „Misa Tango“ von Martin Palmeri im Kleinen Haus. Erlebnisse!

Und in Erinnerung bleiben zahllose große, klangvolle Operninszenierungen, die ohne diesen Extrachor nicht denkbar gewesen wären. Dazu addieren sich Mahler-Sinfonien, diverse üppig besetzte Requiem- und Mess-Vertonungen, Bruckners Te Deum, Orffs Carmina burana und Schönbergs Gurrelieder, Ein Überlebender aus Warschau und Raritäten wie Martins Et in terra pax oder Stabat Mater-Vertonungen von Rihm, Schubert und Szymanowski. Nun saß Bönisch also an der Orgel beim keinesfalls servilen Part des Britten-Frühwerks.

Benjamin Britten Büste in Aldebrough, seiner Heimat @ IOCO

Das 34köpfige Vokalensemble des Extrachores war also mit dem eröffnenden Britten-Opus zunächst alleine und einigermaßen „blank“ auf der Bühne, was die Sängerinnen und Sänger jedoch souverän meisterten, zumal Dirigent Felix Schauren durch klare Zeichengebung und motivierendes Dirigat sein Ensemble gut durch die heiklen harmonischen Entwicklungen der einnehmenden Komposition zu führen vermochte: Das Ergebnis ließ sich hören! Ein durchsichtiger und sauberer Gesamtklang, in welchem die Reibungen durch dissonante Akkordbestandteile ohne Abfall der Spannung erklangen. Schöne dynamische Entwicklungen bei der 50taktigen C-Dur-Fläche zu Beginn und ebenso sanftes Zurückgleiten ins Niente am Ende. (Leider wurde dieses Finale von nicht wenigen im Publikum völlig zerhustet! Loriot lässt grüßen….)

Im Anschluss gab es ein sehr gewinnendes Interview von zwei langgedienten Mitgliedern des Ensembles mit Generalintendant Heckel, der zuvor schon die Vorzüge des (Laien)Chorgesangs hervorhob. Die beiden Stellvertreter des Chores konnten dann profund aus dem Nähkästchen plaudern und betonten die freundschaftlich, fast familiäre Verbundenheit unter den Akteuren. In den Dank an die Theaterleitung für die stete Möglichkeit, am szenischen Musizieren beteiligt zu werden, mischte sich auch die Wertschätzung für die Familien der Laiensänger, die ein ums andere Mal ihren Partnern den Rücken freihalten für dieses arbeitsintensive und „zeitraubende“ Hobby.

Wer anschließend dachte, man würde dieses Konzert in angrenzende Staaten live übertragen, musste eines Besseren belehrt werden: Denn das Prélude aus dem Te Deum, das lange Zeit als sogenannte Eurovisionshymne genutzt wurde, ist der eigentliche Opener dieser Grandmotet. Aber so war der Start festlich und einnehmend und eben ein wenig auch geläufig. Vielleicht half ja just diese bekannte Melodie im Verein mit festlich-triumphaler Geste, die Herzen und Ohren auch für den „Rest“ dieses Werkes zu öffnen.

Mit Constanze Brüning (Sopran), Julia Wagner (Sopran), Dorothee Bienert (Alt), Mark Serdiuk (Tenor) und Stephen K. Foster (Bass) hatte man ein sehr besonderes und gediegenes Solistenquintett engagiert. Ganz unterschiedlich sind die Orte, bei denen man fündig wurde. Mitglieder des Opernchores (Julia Wagner und Stephen Foster, Mark Serdiuk), ein neues, aktives Ensemblemitglied (Dorothee Bienert) sowie die langjährige Stimmbildnerin des Extrachores und Konzertsängerin Constanze Brüning.

Dass dieses „mixtum compositum“ keine schlechte Wahl sein sollte, bewies sich schon im Charpentier, wo es zu mannigfaltigen solistischen Kombinationen im fünfköpfigen Ensemble kam, die allesamt makellos und homogen realisiert wurden. Vor allem Constanze Brüning mit treffsicheren Melismen und Stephen K. Fosters voluminös-samtiger Zugriff auf die zurückhaltend-deklamatorische Musik Charpentiers nahmen hier für sich ein. In der ohnedies schon sehr tiefen Alttextur hatte Dorothee Bienert keine optimale Möglichkeit, ihr Potential zu zeigen. Üblicherweise, vor allem dann, wenn im tiefen, historisch korrekten Kammerton musiziert wird, besetzt man hier einen Altus, dem die Lage entgegenkommt. Julia Wagners Sopran, der im Britten poetische und anrührende Klanglichter setzen konnte, fand im Charpentier nicht den günstigsten Zugriff auf die Partie.

Im finalen „Dettinger Te Deum“ waren mit Bienert, Serdiuk und Foster die drei tieferen Stimmen solistisch besetzt. Sie auch trugen zum positiven Gesamteindruck bei, wobei der Einsatz in Umfang, Ausdruckstiefe und Anspruch eindeutig beim Bariton von Foster lag, der dieser tragenden, kommentierenden Rolle optimal und mit großem Facettenreichtum gerecht wurde. Sein an die bekannte Bass-Arie aus dem „Messias“ (The trumpet shall sound) erinnernde Arie „Thou art the king of glory“ wurde zu einem ausdrucksstarken Höhepunkt, der kongenial flankiert wurde von der Solo-Trompete von Matthias Elsaeßer, der zurecht am Ende dafür auch gefeiert wurde.

Im Angesicht der 26 Mitglieder des Oldenburgischen Staatsorchesters konnte einem bei „nur“ 34 Sängerinnen und Sängern des Extrachores schon ein wenig mulmig werden. Würde diese Besetzung ausreichen, um Bestand gegen das Instrumentale zu haben? Sie reichte unbedingt aus!

Der Chor konnte sich bei Charpentier (und mit Einschränkung auch bei Händel) blendend gegenüber dem Instrumentalen durchsetzen; mit sehr guter Textverständlichkeit und absolut zuverlässiger Präzision, was Einsätze und Koloraturen betraf. Und der Dirigent forderte zügige Tempi ab, was im Theatersaal allemal günstiger ist als im Sakralraum. Gemeinsam betonte man so das Prunkvoll-Festliche der Musik und weniger das Kontemplativ-Meditative.

Tatsächlich war die prächtige Musik des frühen Hochbarock und auch die des späten Händel durchaus stimmig auf der Theaterbühne inszeniert: zwei hohe Stellwände (und ein leichter technischer Nachhall?) reflektierten günstig das Vokale, und die oft ins Hintertreffen geratenden Männerstimmen waren zentral positioniert. Hier gilt es ein wenig den Finger in eine (kleine) Wunde zu legen: Wo Chöre üblicherweise über Männermangel klagen, gab es hier gleich acht Tenöre und acht Bässe (!), was den Gesamtklang vor allem beim abschließenden Händel etwas unbalanciert daherkommen ließ. Die massive Wucht der Tenöre vor allem ließen am Ende die deutlich zarteren Sopranstimmen etwas zu sehr in den Hintergrund treten. Diese Fußnote ist aber ein Detail, was man angesichts der hymnischen Verve und des erkennbar großen Engagements aller Beteiligten verschmerzen kann.

Wie luzide und einfühlsam die (geteilte) Soprangruppe agieren konnte, weist die einzige a-cappella-Passage des Abends nach: Das makellose und emotionale „We therefore pray Thee“.

Ansonsten sonnte sich das barocke, strahlende Werk Händels im kollektiven Glück. Wie im Rausch nahm man perlendes Koloraturenwerk und die massiven, homophonen Chöre. Prächtig saßen die fugierten Abschnitte. Da hatte der Chorleiter so gut vorgearbeitet, dass viel Blickkontakt möglich wurde.

Felix Schauren ist seit gut zwei Jahren zuständig fürs Musikvermittelnde in Kinder- und Familienkonzerten. Da lässt sich bekanntermaßen viel Erfahrung sammeln, viel Kreativität lostreten und viel Repertoire einblenden. Als Kapellmeister in diesem besonderen und sensiblen Feld hat er überdies auch die Aufgabe, den Extrachor für seine Auftritte in der Opernsparte vorzubereiten.

Der noch am Anfang seiner Laufbahn befindliche, junge Dirigent verfügt über ein leicht federndes und angenehm rundes Dirigat, was dem nötigen Schwingen großer Metren unbedingt entgegenkommt. Die in Teilen fast waghalsigen Tempi vor allem im Charpentier sind Geschmackssache. Das Abbremsen in die Schlusskadenzen fällt dann oft schwer oder wirkt wenig organisch.

Sei´s drum, der Gesamteindruck blieb blendend, auch weil die Profis im Oldenburgischen Staatsorchester das Ganze mit Hingabe, historisch informierter Spielweise und wachem Ohr begleiteten: Makellos-sanfte Blockflötenklänge, homogen-musikantische Oboen, mal samtige, mal zupackende Streicher und eine absolut zuverlässige und hochpräsente Continuo-Gruppe. Dazu ein virtuos aufspielender Solo-Pauker (Charpentier-Prolog) und eine unbedingt für sich einnehmende Trompetengruppe, die das barocke Sahnehäubchen herstellte: Stets synchron und mit Detailliebe bis in die Verzierungen. Dass historisch informierte Spielweise nicht zwingend der Darmbesaitung und Barockbögen bedarf, sondern dass der Geist des Spiels den Ausschlag gibt, bewies dieses Konzert erneut nachdrücklich. Chapeau!

Fazit: So gab es vom Publikum schon zur Pause „Bravi“ und am Ende zahlreiche Vorhänge für das Kollektiv, außerdem Blumen und sehr sympathische Worte für Brüning (Stimmbildung), Bönisch (23 Jahre Chorleitung), den scheidenden Chorinspizienten und natürlich den Neuen, Felix Schauren. Wie sagte so launig am Ende ein Chorsprecher: „Wenn du noch mal so lange wie ehedem Thomas Bönisch bei uns bleibst, feiern wir in 20 Jahren unser 50jähriges Bestehen gemeinsam!“

Was kann man einem Ensemble mehr wünschen als Zukunft, Zusammenhalt und reichlich attraktive Aufgaben in Oper und Konzert!

Persönliche Einlassung

Für meine Begriffe, auch wenn sich offensichtlich die romanische Aussprache des Lateinischen mit französischen Einsprengseln auch in deutschen Landen zwischenzeitlich wohl durchzusetzen scheint, war das ununterbrochene „Ü“ im lateinischen Text des Charpentier eine ästhetische Herausforderung. Die ungezählten Vokale „U“ im Lateinischen führen so unweigerlich zu einer klanglichen „Ü“-Massierung. In unseren Breiten ein eher seltener genutzter Umlaut, der überdies auch wenig sanglich ist, da er der schmalste aller Selbst/Umlaute ist. Und dann entstehen eben auch so Kuriositäten wie „tüüm verüm et ünicüm filiüm“ (für „tuum verum et unicum filium“). Mag sein, dass solch Aussprache im französischen Sprachraum en vogue ist, vielleicht ist sie sogar stilecht; mir kam sie jedoch sehr manieriert vor und lenkte bisweilen von der musikalischen Textur unangenehm ab….