Oldenburg, Oldenburgisches Staatstheater, FLIGHT – Opus von Jonathan Dove, IOCO Kritik, 07.10.2023
FLIGHT – Opus von Jonathan Dove
– Freud und Leid an einem Flughafen-Terminal –
von Thomas Honickel
Das Fazit gleich vorweg: In Oldenburg lässt sich ein Opernabend erleben, der konkurrenzlos alles bietet, was man sich von einem inspirierenden, optisch und akustisch ansprechenden und impulsgebenden Besuch an einem Staatstheater erwünscht: große Emotionen, große Stimmen, großer technischer und inszenatorischer Aufwand!
Wir besuchten die zweite Vorstellung nach der Premiere, bei der außergewöhnlich viel junges Publikum gesichtet wurde. Dem anfänglichen Geschmunzel im Auditorium folgten später laute Lachsalven und rege Anteilnahme, später auch größte, konzentrierte Stille Am Ende langanhaltender Applaus und überschwängliche Zustimmung, zurecht!
Zum Hintergrund: In Zeiten von Grenzkontrollen zur Verhinderung von illegaler Einwanderung, Fragen zur Sicherung der EU-Außengrenzen, Klagen von Städten und Gemeinden zur Flüchtlingsunterbringung und allgemein sinkender Zustimmung zur Aufnahme Geflüchteter kommt Jonathan Doves Klassiker „Flight“ zur rechten Zeit. Geplant war es in Oldenburg im März 2020: die Kulissen standen, die Kostüme waren erstellt, szenische Proben zum Abschluss gekommen, das Orchester probte bereits. Da fielen alle Vorhänge weltweit, weil ein Virus aus Osten alles kulturelle Treiben, und nicht nur dieses, zum Erliegen brachte.
Interessant in diesem Zusammenhang übrigens, dass Dove während der Coronazeit keineswegs passiv blieb. Er ist ein äußerst wandlungsfähiger Künstler, der die Zwänge der Pandemie zu nutzen wusste. Im Juni 2020 erklang seine „Slim-Version“ von Wagners „Rheingold“ mit knapp 22 (sic!) Musikern unter Donald Runnicles von der Deutschen Oper Berlin auf dem dortigen, akustisch optimalen, obersten Parkdeck. Der Pandemie zum Trotz!
Drei lange Jahre später hat die Resilienz des Hauses im Nordwesten offensichtlich ausgereicht, um das Werk nun zeitversetzt zu präsentieren. Ein Werk, das auch 25 Jahre nach seiner enorm erfolgreichen Uraufführung beim Glyndeborne-Festival nichts von seiner Aktualität, seiner dramaturgischen Wucht und seiner mitreißenden Klanglichkeit eingebüßt hat; im Gegenteil!