Nachgedanken zur Musikvermittlung im deutschen Sprachraum, IOCO Essay
Nulla vita sine musica - Kein Leben ohne Musik: Noch zu Beginn der 80er Jahre war das Musikpädagogische in der damaligen Bundesrepublik eine Angelegenheit der allgemeinbildenden Schulen. Kulturorchester und Opernhäuser waren hier nur in Spurenelementen präsent.....
von Thomas Honickel
Nulla vita sine musica - Kein Leben ohne Musik
Noch zu Beginn der 80er Jahre war das Musikpädagogische in der damaligen Bundesrepublik eine Angelegenheit der allgemeinbildenden Schulen. Kulturorchester und Opernhäuser waren hier nur in Spurenelementen präsent. Da gab es dann als Feigenblatt die unverwüstlichen beiden großen Werke aus dem Fundus der Kunstwerk-Didaktik: Prokofieffs „Peter und der Wolf“ oder Saint-Saens „Karneval der Tiere“. Nichts gegen diese beiden wunderbaren Juwelen, aber dennoch wenig originell oder kreativ, keinesfalls wegweisend.
Seinerzeit war aber auch die Werbung um das „Publikum von morgen“ noch nicht im Gang. Die Häuser waren bestens besucht vom Bildungsbürgertum, das über entsprechende Ressourcen verfügte. Man sonnte sich im Kanon der großen Werke von Mozart bis Mahler, die man gerne immer wieder hören mochte. An hohen Feiertagen gab es das passende barocke Oratorium, zum Einheitstag Beethovens 9. Sinfonie. Es war ein Stillstand auf hohem Niveau. Aber, wie schon der große Unternehmer Rosenthal trefflich in Worte kleidete: „Wer aufhört besser zu werden, hört auf gut zu sein!“
Tempora mutantur, nos et mutamur in illis - Die Zeiten ändern sich, und wir mit ihnen
Die Zeiten wurden Mitte der 70er mit dem Umbau zur reformierten Oberstufe (mit Leistungskursen) für die Musikunterweisung mindestens an den Gymnasien schon erkennbar ungemütlicher und rauer.
Denn wer nicht auf einem musischen Institut landete, hatte kaum auskömmliche Unterweisung im Musischen. Das eigene Musizieren fand meist nur dort statt, wo eine heimische, familiäre Prädisposition unterstützend begleitete. Mediale Ablenkungen verschiedenster Art (CD, DVD, Computerspiele, neue Sender u.v.m.) machten dem aktiven Musizieren und dem analogen Rezipieren das Leben zunehmend schwerer. Gesungen wurde schon lange nicht mehr, Chöre (zumal in deutscher Sprache singend) waren bei der Jugend verpönt. Das Populäre zog die Massen.
Lange dachte man überdies, dass die Generation „Theatersilber“ immer irgendwann die Häuser wieder stürmen würde, weil jeder ja irgendwann zurück zu seinen Wurzeln kommt. Aber mit fehlender „Impfung“ in früher Jugend durch prägenden Musikunterricht, gute Instrumentalunterweisung und lebendige Erlebnisse in Konzert und Oper blieben letztlich auch diese Jahrgänge den Profi-Häusern fern. Der Ablenkungen und Verlockungen gab es inzwischen einfach zu viele. Als das alles dann Mitte bis Ende der 90er Jahre erkannt wurde, versuchte man so schnell wie möglich umzusteuern mit der Entwicklung von Musikprogrammierungen für die Jugend.
Abyssus abyssum invocat - Ein Fehler zieht den nächsten nach sich
Da es aber kaum entsprechend ausgebildete und versierte Pädagogen mit Musikexpertise gab, musste man erst einmal an den Musikhochschulen Studiengänge für Musikvermittlung installieren. Der sehr exklusive Standort Detmold, der ja schon so einzigartige Lehrstühle wie Tonmeister – Standort des Labels MDG - für sich reklamieren konnte, ist da nach wie vor ein Leuchtturm, der unangefochten die Liste der (wenigen) Lehrorte anführt. Lübeck und Berlin waren hier Ergänzung dieser Speerspitze einer Entwicklung, die später durch München, Trossingen, Köln und einige Universitäten mit niedrigerem Einstiegslevel und schmalerem Portfolio ergänzt wurden. Sie alle warfen jedoch nur wenige markante Persönlichkeiten auf den Markt, die sich dort dauerhaft bewähren konnten. Nicht ausreichend für das, was tatsächlich benötigt wurde.
So dilettierte man zwischenzeitlich munter vor sich hin, in dem einmal hier einmal dort interessierte Hornistinnen oder Oboistinnen sich Dinge ausdachten, die wohl irgendwie funktionieren mussten. Ab und zu gab es auch den einen oder den anderen Dramaturgen, der mit Handpuppen oder Balletttänzern etwas zu Wege brachte. Es blieb aber oft in Anfängen stecken oder bei einer sympathischen Bespaßung ohne nachhaltiges Konzept, ohne zwingende Linie oder nachhaltige Erfolge. Zumeist, und das häufig bis auf den heutigen Tag, bleibt es bei der eingeschworenen Trias von Dramaturgen, Erzähler und Dirigent, die sich irgendwie die häufig nicht gemeinsam entworfenen Bälle zuspielen müssen.
Das ist zumeist leider wenig abgestimmt, im pädagogischen Ergebnis eher zufällig, musikalisch bisweilen fahrlässig oder künstlerisch zu abgehoben, in der Moderation wahlweise albern, anbiedernd, oberflächlich, zu akademisch oder selbstverliebt. Überhaupt überwiegen dann, wenn die Motivation der Vermittler erkennbar hoch ist, die Wortanteile gegenüber der Musikauswahl. So verunglücken regelmäßig gut gemeinte Unternehmungen und lassen ein maximal irritiertes junges Auditorium zurück. Da hilft auch keine kosmetische Umbenennung des Unternehmens von Konzertpädagogik oder Musikvermittlung in „Konzertdesign“ und ähnliche Wortneuschöpfungen, wenn sich letztlich inhaltlich oder personell keine neuen Horizonte öffnen.
Wer sich hier tummelt, um das Richtige zu tun und doch zu verfehlen, ist oft ein Zufallsprodukt an fast allen Häusern. Selten stellt man eine erfahrene Persönlichkeit mit Praxiserfahrung, musikalischem Hintergrund, pädagogischer Expertise, kreativem Potential und im besten Fall dirigentischem Vermögen ein. Oft sind es nachgeordnete Kapellmeister, die sonst nicht zum Zuge kämen, die aber eigentlich ganz anderes für ihre Laufbahn im Sinn haben, als die Jugend in den Zauber der Musik einzuführen. Oder es sind dramaturgische Hilfskräfte, frisch von der Uni, mit häufig experimentellen Ideen und Kopfgeburten, die wenig tragfähig oder zielführend sind; dieser Personenkreis steht dem Theaterbetrieb zumeist hilflos wie fremd gegenüber. Dazu gesellen sich dann Mimen oder Sänger aus der zweiten oder dritten Reihe, die für den Betrieb im sogenannten „Hauptspielplan“ künstlerisch nicht mehr in Frage kommen und denen man vor der endgültigen Ausmusterung noch etwas zu tun geben will. Eine explosive Mischung mit unkalkulierbarem Ausgang!
Da, wo es gut bis exzellent lief, wurde oft ohne Not eingespart oder eingestampft. Die hochambitionierte Hörfunksendung „Papageno“ im WDR oder die „Yacult“-Kinderoper in Köln sind da prominente Beispiele. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen konnte sich kaum ein musikvermittelndes Format etablieren, sieht man einmal von der langjährigen Quizsendung „Erkennen Sie die Melodie“ ab, die vom charmanten Österreicher Ernst Stankovski als quasi-partizipatives Format in 153 Folgen (!) moderiert wurde (1969-1977 mit Nachfolgern von 1980-1985), sowie „Achtung! Klassik“ mit dem Pianisten Justus Frantz, der es immerhin in schon beginnender digitaler Zeit und massiver Senderkonkurrenz durch die Privaten auf die Zeit von 1990-2000 brachte. Senta Berger setzte das Format in „Klassisch!“ mit ähnlicher Diktion von 2001-2005 fort (berühmte Interpreten werden mit bekannten Schmankerln des Repertoires vorgestellt und interviewt).
Anschließend gab es auf allen Kanälen keine nennenswerten Versuche mehr, klassische Musik in welcher Weise auch immer nochmals im Medium abbilden oder gar etablieren zu wollen. Und diejenigen, die sich als treue Konzert-abonnenten, Theatergänger, Opernfreunde oder Ballettfans ohnedies zum „inner circle“ zählen, finden sich dann mit Aufzeichnungen großer Metropol-Häuser auf ARTE, 3sat oder im Kino zufriedengestellt. Da ist man unter sich. Es werden aber keine neuen Menschen gewonnen, vor allem keine Jugend. Quote vor Bildung, ein Jammer!
Per aspera ad astra - Durch Rauheit zum Gestirn
Benötigt würde indes tatsächlich ein sehr breit ausgebildeter Personenkreis, der eine Fülle von Fähigkeiten und Eigenschaften besitzt: Kenntnis des Repertoires der letzten 400 Jahre, Umsetzen von Partituren in Probe und Konzert, Entwicklung einer CI-Linie für ein education-Programm mit wiedererkennbarem Profil, das viele Intendanzen durchlaufen kann, kreative Programmierungen vieler Genres (Konzert, Oper, Oratorium, Lied), Entwicklung von Moderationstexten für die jeweilige Zielgruppe, freie Rede im Konzert, Interaktion mit dem jungen Publikum, Fähigkeit zum Dialog während der Veranstaltung, Aufbau von Netzwerken in der Region (Schulen, musische Bildungseinrichtungen), Management der technischen Aspekte einer Produktion intern (Gewerke, Ablaufpläne, Bühnenpläne,Vermarktung) und extern (Presse, PR, Programmhefte). Naja, und charmant, gewinnend, zugewandt und unbedingt an der Jugend interessiert sollte er sein.
Zugegeben: die „eierlegende Wollmilchsau!“....
Warum die als richtig erkannte Notwendigkeit der Zuwendung zur jungen Generation nicht in einen Masterplan an den Häusern (in Kooperation mit den Hochschulen) führte, bleibt im Nebel. Oft waren (und sind es noch heute oft) solche Initiativen in den Orchestern wie in der Intendantenetage das sechste Rad am Wagen; im Zweifel verzichtbar, immer am Ende der Nahrungskette, bisweilen belächelt und nie nachhaltig ernstgenommen. Selten, dass sich mal ein Chefdirigent oder GMD eines solchen Unternehmens annimmt, um schon mit seiner Person die Bedeutung eines solchen Unterfangens zu unterstreichen. Und die Chefetage glänzt bei education-Aufführungen ebenfalls häufig mit Abwesenheit.
Auch in den Orchestern selbst, für die ja eine solche konzertpädagogische Initiative letztlich einen enormen Image(zu)gewinn bedeutete, ist lange gefremdelt worden mit allem, was „education“ im Dienstlichen betrifft. Als Bewohner des Elfenbeinturms war man der Ansicht, dass solch musikpädagogisches Tun in die Schulen, Musikschulen und Elternhäuser gehört. Eine erkennbare, leidenschaftliche Identifikation mit den Formaten der Musikvermittlung (etwa Schulkonzerte oder Familienkonzerte) blieb lange aus. Ausnahmen, und das zunehmend vermehrt, sind solche Kollegen, die selbst Eltern und noch nah am erzieherischen Geschehen sind. Für viele andere aber ein eher ungeliebter Dienst, der zumeist halbherzig versehen wird und damit dem Unternehmen oft einen Bärendienst erweist. Es soll sogar bis heute Konzertmeister-Verträge geben, in denen dezidiert eine Beteiligung an education-Konzerten exkludiert ist; ähnlich dem bekannten Operetten-Paragraphen.
Wie bedauerlich, wie empörend, wie fatal! Ein Umdenken in den großen Kollektiven ist unabdingbar.
Quaerendo invenietis! - Wer suchet, der findet!
Wirft man den Blick ins Ausland und hier vor allem in den anglo-amerikanischen Raum, staunt man nicht schlecht. Leonard Bernstein etablierte schon im Nachkriegsamerika seine „Young People´s Concerts“, die er als Chef der New Yorker Philharmoniker von 1958-1972 selbst leitete und moderierte.
Sie sind heute als exemplarische Modelle gelungener Musikvermittlung als Bücher ediert und auf YouTube archiviert; und sie dokumentieren die Ernsthaftigkeit und Lebendigkeit seiner (erfolgreichen) Bemühungen. Und sie tun das übrigens in der oben beschriebenen „Idealversion“ eines Musikvermittlers in Multifunktion (Konzept, Moderation und Dirigent).
Noch vor dem Krieg und erst recht danach gab es in England eine äußerst fruchtbare Szene der Zuwendung zum jungen Publikum, weniger weil man es brauchte, sondern weil es den Meistern selbst wichtig war. Benjamin Britten war hier einer der bedeutsamsten Initiatoren und kreativen Köpfe mit seinem Aldeburgh-Festival (seit 1948), seinen (Kinder!)Opern („The little sweep“, „Noye´s Fludde“) und seinen Kompositionen (z.B. „Young Person´s Guide to the Orchestra“). Ein nicht zu vernachlässigender Faktor seiner musikpädagogisch inspirierten Werke für die Jugend sind zahlreiche Chorwerke und Liederzyklen („Ceremonies of Carols“), die gar bis in umfängliche Gesangspartien seiner Opern ausstrahlen („The Turn of the screw“). Hier wie an vielen anderen Stellen huldigt er damit der besonderen Facette der Kinderstimme und wertschätzt das musikalische Potential der Jugend.
Auch die Angebote in Konzert, Ballett und Oper durch russische Kulturträger ist bemerkenswert, wobei vor allem dem Ballett hier eine herausragende Rolle zukommt, dem die besondere Liebe des russischen Volkes seit jeher gilt. Ähnliches mag für viele Staaten des osteuropäischen Raums gelten. Und vor allem dort, wo das aktive Musizieren, Singen und Tanzen eine ungebrochene Tradition aufweisen kann, wie etwa in den romanischen Ländern Spanien, Frankreich, Italien, ist die Situation auch heute weniger prekär. Sicherlich spielt in vielen dieser genannten Länder natürlich auch das traditionelle Element der Folklore befördernd mit hinein in ein System ungebrochener Musikleidenschaft.
Für den deutschsprachigen Raum fällt mir beim besten Wissen und Willen keine Persönlichkeit ein, die in den beiden letzten Generationen Prägendes geleistet hätte, was über eine Region hinaus Strahlkraft gehabt hätte. Mit einer begrenzten Wirksamkeit gab und gibt es Komponisten, die sich nicht nur künstlerisch sondern auch pädagogisch hochengagiert zeig(t)en. So etwa Paul Hindemith, Hans Werner Henze, Moritz Eggert oder Wilfried Hiller; alles schöpferische Persönlichkeiten, keine vermittelnden Akteure. In diesem Kontext muss auch August Everding erwähnt werden, der vor allem während seiner Intendantenzeit in München als zentraler Motor zahlreiche Kompositionen für die Jugend initiierte und Initiativen für Musikvermittlung startete.
Für mich persönlich kann ich einige solcher „Leuchttürme“ im deutschsprachigen Raum benennen, die nicht wenige ambitionierte Konzerthörer – und so auch mich - geprägt haben; jeder auf seine Weise, auch wenn ihr Schaffen defacto keine zwingenden Nachfolger gefunden hat: Prof. Hellmuth Rilling, bedeutender Chorleiter, Bachkenner, Festivalgründer (Bach-Akademie Stuttgart), der in einzigartiger Weise für verschiedenste Sender der ARD vor allem die Werke von Bach im Kontext der Akademie und des Stuttgarter Bachfestes sezierte, um auf die mannigfaltigen Details im Werk des Thomaskantors aufmerksam zu machen. Für mich als jungen Studenten war er ein Ohrenöffner, der sich mit spirituellen Wurzeln und großem Sendungsbewusstsein zum Anwalt des „5. Evangelisten“ (i.e. J.S. Bach) machte!
Prof. Dr. Peter Gülke, der an verschiedensten Orten (als erstes in seiner Funktion als langjähriger GMD in Wuppertal) die sogenannten „Werkstattkonzerte“ einführte, wo er publikumsnah und mit griffiger Sprache anschaulich und nachhaltig sogenannte „sperrige“ Werke erläuterte und das Ohr schulte für noch unbekannte Partituren. Mir lebendig im Gedächtnis sind die expressionistischen Sinfonien des Schweden Alan Pettersson und selten Gespieltes vom seligen Schubertfranzl. Noch im hochbetagten Alter von fast 90 Jahren kann man seine beredten und fundierten Gedanken etwa bei der „Bachstiftung St. Gallen“ (auf YouTube) bewundern. Auch er ein tiefbeseelter Advokat für Musik unterschiedlichster Provenienz.
Meinen Mentor in frühen Studienjahren, Prof. Hartmut Klug aus Wuppertal, darf hier nicht unerwähnt bleiben. Über manch gute und zielführende Begegnung, Chance und Impulse hinaus war er derjenige bei dem ich in den sogenannten „Sitzkissen“-Konzerten hautnah erleben durfte, wie Musikvermittlung für ganz kleine Hörer gelingen kann. Exemplarische Konzertpädagogik ohne erhobenen Zeigefinger!
Ja, und last but not least als für mich ebenfalls prägende Gestalt nenne ich unverfroren den Großmeister des satirischen Humors: Loriot, alias Vicco von Bülow, der als profunder Kenner vor allem der Opernliteratur (u.a. mit veritabler Wagner-Expertise) in zahlreichen seiner Sketche einer sehr breiten Öffentlichkeit die Tür zur Klassik einen Spalt öffnete. Wie viele wohl neugierig durch diesen Türspalt gingen?
Keiner von ihnen wird sich wohl als Musikvermittler bezeichnet haben, aber sie alle haben mit ihrer jeweils eigenen Facette des leidenschaftlich gesprochenen Wortes zahlreiche Menschen erreicht; und zumeist auch davon überzeugt, genau hinzuhören, um „Unerhörtes“ wahrzunehmen!
Dum spiro, spero! - Solange ich atme, hoffe ich!
In Deutschland indes mit seiner Multi-Kulti-Gesellschaft ist uns in der digitalen Epoche seit Anfang des Jahrtausends der Kompass für das, was wir vermitteln wollen, und für die Frage, wie wir dies tun wollen, abhandengekommen. Strukturen wurden über lange Zeit so zurückgefahren oder gar eingeschläfert, dass sie nur schwer reanimierbar sind; oder aber der Wille zur Wende inklusive verbesserter personeller Ausstattung und finanzieller Unterstützung ist im politischen Raum selten vorhanden. Hier wird im Bereich der sogenannten „freiwilligen Leistungen“ gerade von Städten und Kommunen oft der Sport (mit deutlich größerer Lobby) gegen die Kultur ausgespielt. Am günstigsten kommen noch Häuser mit doppelter Trägerschaft von Stadt und Land zu Wege (Staatstheater, Staatsopern, Staatsorchester).
So bleibt die bedauerliche Erkenntnis, dass offensichtlich nur dort musikvermittelnd und –pädagogisch etwas erblühen kann, wo durch trefflichen Zufall der richtige Orchesterchef oder Intendant die entsprechenden Wegmarken und Schwerpunkte setzt. Es gibt nach wie vor zu wenige ausgebildete, versierte, kreative Köpfe in hauptamtlicher, langfristiger Anstellung, die das education-Gesicht eines Hauses langfristig formen. Auch die wenigen Vorzeigeprojekte, wie etwa das von Großkonzernen (derzeit die Deutsche Bank) üppig gesponsorte, umfangreiche Modell der Berliner Philharmoniker, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass an den allermeisten kleineren und mittleren Theatern das Feld der Musikvermittlung (inkl. Musiktheater) eher spartanisch Unterstützung erfährt, wenn überhaupt.
Am Oldenburgischen Staatstheater hatte man das Glück und das Privileg großzügiger Förderung und enormer „Beinfreiheit“ für die Handelnden ab 2013 mit der Installation eines hauptamtlichen Kapellmeisters für musikvermittelnde Formate. Es wurde mutig und erfolgreich in Angriff genommen: Mit dem prächtigen Ergebnis zahlreicher, zumeist neuer, innovativer Formate in einer überreichen Sparte, die in knapp einem Jahrzehnt weit über 500 Abonnenten neu gewinnen konnte und über 80.000 Besucher zählte; in Kinder-, Familien-, Schul-, Werkstatt- und Mitsingkonzerten sowie in Jugendopern, wo ausschließlich die singende Jugend Oldenburgs beteiligt war. Ein in dieser Form in einer vergleichsweise kleinen Stadt äußerst seltener Umstand. Intendant Christian Firmbach als Ermöglicher war hier die treibende und motivierende Kraft!
Hierzu auch: „Ein Intendant als Musiklehrer“ IOCO - Kritik zum 2. Familienkonzert am Oldenburgischen Staatstheater vom 19.2.2024