Musée d'Art moderne de Collioure

Musée d'Art moderne de Collioure

Collioure in Südfrankreich © HB

Collioure in Südfrankreich © HB[/caption]

Eine der schönsten des an schönen Städten reichen Roussillon, der im Süden Frankreichs am Mittelmeer gelegenen und an Spanien grenzenden Region, ist Collioure. An dessen südlichem Rand liegt das kleine Musée d'Art moderne de Collioure in der „Villa Pams“ auf einem der ihren Fuß im Mittelmeer badenden Ausläufer der Pyrenäen. Sie blickt hinunter auf die Stadt mit ihrer Vauban-Festung und dem malerischen Hafen, den in Bildern zu verewigen von Paul Matisse, André Derain und Paul Signac bis hin zu Pablo Picasso kaum ein Maler der Moderne ausgelassen hat. Der um 1880 herum errichtete, schlossartige Bau mit seiner katalanischer Schmiedearbeit und Keramik passt perfekt in die Landschaft.

1985 wurde das Museum mit dem anspruchsvoll klingenden Namen Musée d'Art moderne de Collioure in der Villa Pams eröffnet und ist vornehmlich der modernen zeitgenössischen Kunst Collioures und lokalen Künstlern wie Balbino Giner oder Gilbert Descossy gewidmet.,

1940 - Horror im Paradies - Ausstellung zur Zeit- und Kunstgeschichte des Roussillon

von Hanns Butterhof

Collioure. Die sehenswerte, von Claire Muchir klar kuratierte Ausstellung „Front de mer 1940“ ("1940 - Südfranzösische Küstenfront") im Musée d'Art moderne de Collioure erinnert an das Jahr 1940 im südfranzösischen Roussillon. In die paradiesische Landschaft am Mittelmeer brach damals der Horror ein. Nach den Bürgerkriegs-Flüchtlingen aus Spanien 1939 setzte nun auf Grund der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen ein Strom von Flüchtlingen ein. Vor allem linke Künstler und jüdische Intellektuelle hofften auf eine Möglichkeit, von hier aus das Land zu verlassen. In sechs Abteilungen mit konzentriertem Blick auf die Städte Canet, Collioure und Banyuls präsentiert die Ausstellung sehenswert Werke von dorthin geflüchteten Künstlern.

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Gemälde von Victor Brauner 1941 © Adogp Paris

Gemälde von Victor Brauner 1941 © Adogp Paris[/caption]

Es sind im wesentlichen Surrealisten, denen die Ausstellung gewidmet ist; ein von Victor Brauner (1903 – 1966) gemaltes Portrait ihres Vordenkers André Breton begrüßt populär die Ausstellungsbesucher. Breton (1896 – 1966) war einer der ersten Flüchtlinge im Roussillon; in die Kapitale Perpignan kam er, weil ihm der surrealistische, heute wenig bekannte Dichter Robert Rius (1914 - 1944) das Haus seiner Mutter in Perpignan als Aufenthaltsort angeboten hatte. Als immer mehr befreundete Künstler dazustießen, zogen alle ins nahegelegene Canet um. Aus dieser gemeinsamen Zeit sind mehrere Produktionen von Breton mit etwa Óscar Dominguez (1906 – 1957), Jaques Herold (1910 – 1987) und anderen zu sehen, die kleinformatige Zeichnungen zu einem „Dessin collectif“ vereinigen, von Dominguez noch ein surreal-witziger Stierkopf und von Henri Goetz (1909 – 1989) eine düstere, in Einzelheiten deutlich an Salvador Dalì (1904 - 1989) angelehnte Landschaft. In feinen Zeichnungen von Victor Brauner überschneiden sich Mensch und Tier, vornehmlich Fische, in ambivalenter Verbindung.

Ein eigenes Kabinett ist dem Dichter Robert Rius gewidmet. Er kann als Repräsentant der 2. Surrealisten-Generation gelten, seinem Ruf folgten alle ins Roussillon. Ein Öl-Porträt von Pedro Flores (1897 - 1967), eine Zeichnung von René Iché (1897 – 1954) und Exemplare seiner Publikationen „Frappe de l'écho“ und „La Main A Plume“ sowie verschiedene „Dessins communiqués“ mit André Breton und anderen rücken den jungen Künstler in ein äußerst freundliches Licht.

Politische Fragen spalteten die Surrealisten im Roussillon wie wohl in ganz Frankreich: in Stalinisten und Trotzkisten, in solche, die nur weg wollten und die, welche zum widerständigen Bleiben aufforderten. Ihre Antworten waren für ihre Schicksale entscheidend. Während etwa André Breton nach Amerika emigrierte, traten Jaques Herold und Robert Rius der Resistance bei; Robert Rius wurde 1944 von der Gestapo erschossen.

Aristide Maillol: Harmonie (1940 – 1944) © Hanns Butterhof

Aristide Maillol: Harmonie (1940 – 1944) © Hanns Butterhof[/caption]

Ein Raum führt in den Küstenort Banyuls. Von dort gab es einen Fluchtweg ins spanische Portbou und, sofern man ein Visum besaß, weiter zu einem Hafen in Portugal; auf dieser Route gelangte der deutsche Philosoph Walter Benjamin (1892 - 1940) bis Portbou (mehr hierzu im link HIER!) wo sich Benjamin das Leben nahm. Führerin über die Berge war im Herbst 1940 Diana Vierny (1919 - 2009). Diana Vierny war Quelle der Inspiration in den späten Lebensjahren des Bildhauers Aristide Maillol (1861 - 1944). Sein letztes Werk „Harmonie“, zu dem sie Modell stand, ist Teil der Ausstellung.

Spätestens im Raum, der Collioure betrifft, fällt auf, wie wenig die prekäre Situation der Künstler als Flüchtlinge in ihren Werken zum Ausdruck kommt. Es scheint, als seien sie von der paradiesischen Schönheit von Stadt, Meer und Bergen, ihrem einzigartigen Licht geblendet. So ist von Raoul Dufy (1877 -1953) neben einigen Akten ein sonniger Wandteppich zu sehen, von Juan Navarro Ramón (1903 -1989) und Rolande Déchorain (1898 - 1977) je eine kunstvoll stilisierte Stadt-Ansicht von Collioure.

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Gerardo Lizarraga: Virtuelles Bild des Albtraums von Argelès (1939) © Droits reservés

Gerardo Lizarraga: Virtuelles Bild des Albtraums von Argelès (1939) © Droits reservés[/caption]

Der Horror der damaligen Zeit wird erst in dem Raum greifbar, der den Städten Saint-Cyprien und Argelès gewidmet ist. Holzschnitte von Carl Rebus (1898 - 1983), der als deutscher Staatsangehöriger in Saint-Cyprien interniert war, geben erst nach Kriegsende Zeugnis seiner Lagerhaft. Es sind die Bilder von Gerardo Lizarraga (1905 - 1982), die dem Schrecken vollen Ausdruck verschaffen. Lizarraga war als Spanienflüchtling im Lager am Strand von Argelès unter grauenhaften Umständen interniert. Nach seiner Befreiung 1940 schuf er sie in eindrucksvoll-grauenerregende Bilder aus der „Hölle im Sand“ um.

In einem letzten Raum sind Werke zeitgenössischer internationaler Künstler und Künstlerinnen versammelt, die in unterschiedlichen Formen und Materialien das Thema Flucht und Exil aktuell reflektieren.

Wer die höchst informative, konzeptionell überzeugende Ausstellung besucht hat, wird mehr über den Landstrich von Canet bis Banyuls erzählen können als jener deutsche Vater, der angesichts einer betonierten MG-Stellung am Küstenweg von Argelès nach Collioure stolz zu seinen Kindern sagte: „Das haben wir gebaut.“

  • Die Ausstellung „Front de mer 1940“ ist bis zum 8. Oktober geöffnet.
  • Der Eintritt kostet 3€, ermäßigt 2 €.
  • Ein Katalog zur Ausstellung mit 144 Seiten, 90 Illustrationen und informativen Texten in französischer und englischer Sprache kostet 25 €.
  • Geöffnet ist das Museum täglich von 10 bis 12 und von 14 bis 18 Uhr. Von Oktober bis Mai ist es dienstags geschlossen.
www.museecollioure.com --- contact@museecollioure.com

Musée d'Art moderne de Collioure