Münster, Theater Münster, ZOROASTRE - J. P. Rameau, IOCO

ZOROASTRE: Wenn man sich schon etwas über die äußerst selten gespielte Tragédie  lyrique Zoroastre von Jean Philippe Rameau (1683 – 1764) und seines Librettisten Louis de Cahusac (1706 – 1759) informiert hatte, die 1749 uraufgeführt wurde, wusste man, .....

Münster, Theater Münster, ZOROASTRE - J. P. Rameau, IOCO
Theater Münster © Rüdiger Wölk

Und ab und zu ein weißer Elefant - Theater Münster opfert Rameaus Barockoper Zoroastre einer Regie-Idee

Von Hanns Butterhof

Das Bild, das sich im Großen Haus des Theaters Münster bei geöffnetem Vorhang bietet, ist vielverprechend. Weit hinein ins Parkett dehnt sich eine Manege aus, farbige Masten scheinen ein Zirkuszelt zu tragen , unter dem prominent ein Theater-Schminkspiegel steht, und buntes Volk turnt und tummelt sich um eine Frau mit Krone, die offenbar Geburtstag hat.

ZOROASTRE feiert hier mit seinen Groopies @ Martina Pipprich

Wenn man sich schon etwas über die äußerst selten gespielte Tragédie  lyrique Zoroastre von Jean Philippe Rameau (1683 – 1764) und seines Librettisten Louis de Cahusac (1706 – 1759) informiert hatte, die 1749 uraufgeführt wurde, wusste man, dass derlei weder in der ersten, noch in  der überarbeiteten Fassung von 1756 vorkommt. So konnte man den Auftakt folgendermaßen lesen: Bühne ins Publikum bedeutet, dass wir Zuschauer gemeint sind. Zirkus und Schminkspiegel: Ja, das Leben ist ein Spiel, und wir sind die Schauspieler in dieser Welt, die die Bühne ja sowieso bedeutet. Was also auch immer kommen mag, es ist aktuell gemeint.

Zoroastre beginnt dann mit einer Intrige, die in einen Kampf Gut gegen Böse mündet. Sie wird durch den Abgang der Köngin hervorgerufen, der einen Kampf um die Nachfolge hervorruft. Abramane treibt Érinice, die Herrschaft zu ergreifen, sie wird von Hass auf den abwesenden Zoroastre getrieben, der sie einst verschmäht und sich Amélite zugewandt hatte, welcher eigentlich die Krone zusteht. Als Zoroastre wieder ins Land und zu Amélite zurück kommt, entspinnt sich ein langwieriger Kampf. An dessen Ende siegt Zoroaster, er gewinnt Amélite und alles wird gut.

ZOROASTRE hier Érinice wieder der Elefant ( Wioletta Hebrowska) @ Martina Pipprich

Was im Einzelnen warum und mit wessen übernatürlicher Hilfe vor sich geht, bleibt weitgehend im Dunkeln und im unüberschaubaren Figurengewusel verborgen. Dunkel bleiben vor allem wesentliche Figuren. Wer ist etwa diese/r Abramane (Bariton Johan Hyunbong Choi), eine extrem übergewichtige Frau im Kostüm einer Flamenco-Tänzerin; welche Macht hat oder verkörpert er/sie? Wer auch ist Érinice (Sopran Wioletta Hebrowska), die  Dame mit dem schmucken Oberlippen-Bärtchen und schwarzem Anzug? Wer schließlich ist dieser Zoroastre (Haute-Contre David Tricou), der so plötzlich im strahlend weißen Anzug mit metallenem Reiseköfferchen auftaucht? Will er wie ein moderner Guru ein Reich der Liebe und des Lichts errichten oder eine neue Tyrannei, wie Érinice mutmaßt? Oder geht es ihm nur um das Geld der Menge, das er am Ende mit Amélite gierig zusammenrafft? Letztlich rätselhaft bleibt auch der ab und zu auftretende weiße Elefant.

Die Regie klärt wenig und lässt die Konturen der handelnden Figuren verschwimmen. Doch es ist gerade diese Unschärfe, die verhindert, dass man sich in der sehr naheliegenden Situation allgemeiner Unsicherheit und dem Kampf des immer eigenen Guten gegen das Böse erkennt, in der Orientierung an dubiosen Heilsversprechen und den postmodernen Möglichkeiten der Identitäten-Wahl. Das turbulente Teiben auf der Bühne mag dem heutigen unübersichtlichen Leben entsprechen, sollte aber nicht bei dessen Reproduktion stehen bleiben, sondern das eine oder andere darüber hinausgehende Angebot machen.

Musikalisch gelingt dem seitlich auf  der Nebenbühne plazierten Sinfonierchester Münster, das vom Spezialisten für Alte Musik, Bernhard Forck, mit ganzkörperlichem Einsatz dirigiert wird, ein einnehmender Barock-Klang. Das männliche Gesangsensemble wirkt einschließlich David Tricou als Zoroastre etwas beengt durch die meist kurzen Arien und den vielen Spechgesang, nur Wioletta Hebrowska als Érinice mit giftiger Wutarie, die als Amélite-Figur unscheinbare Robyn Allegra Parton mit strahlenden Koloraturen sowie Maria Christina Tsiakourma als ihre Vertraute Céphie mit angenehm jugendlichem Sopran können glänzen. Anton Tremmel hat den Chor vorzüglich in das barocke Klangbild eingepasst.

Bei allem artistischem Aufwand, aller vielfältigen Symbolik der Bühne von Ralf Käselau und der individuellen Kostümierung auch für kleinste Rollen durch Katharina Gault, bleibt am Ende der nahezu dreistündigen Auführung Ratlosigkeit im Premierenpublikum vorherrschend. Für die Idee einer Öffnung der Oper zur Gegenwart hat Georg Schütky die Rameau-Oper ohne Gewinn geopfert.

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