Münster, Theater Münster, TRIUMPH der LIEBE - Musical, IOCO Kritik, 03.12.2021
Triumph der Liebe - Musical - James Magruder
- Enttäuschend - mit zur Sinnlichkeit bekehrten Asketen -
von Hanns Butterhof
Man kann nicht sagen, dass die deutschsprachige Uraufführung des Musicals von James Magruder Triumph der Liebe im Jahr 2005 von Heilbronn aus einen Siegeszug durch die deutschen Bühnen angetreten hätte. Mit Sicherheit aber ist zu sagen, dass dem Stück in der Inszenierung von Achim Lenz nicht gelingen wird, was ihm in Heilbronn versagt war. Der Triumph der Liebe enttäuscht auf der ganzen Linie.
Die Geschichte, die auf dem Lustspiel Le Triomphe de l'Amour des französischen Barockdichters Pierre de Marivaux (1688 - 1763) basiert, hört sich noch ganz interessant an. Sie spielt in einer Art ländlicher Akademie in der Nähe Spartas, in der ihr asketischer Chef Hermokrates die Lehre der reinen Vernunft vertritt. Frauen als Gefühlswesen sind dort selbstverständlich nicht erlaubt, nur für Hermokrates' vertrocknete Schwester Hesione gilt eine Ausnahme. Beide erziehen ihren Neffen Prinz Agis vernünftig und gefühllos zum Mörder der Prinzessin Leonide von Sparta, um an deren Stelle wieder rechtmäßiger König dieser Stadt zu werden. Weil Leonide aber Agis liebt, kommt sie, als Mann verkleidet, mit ihrer Dienerin Corine in die Akademie und erreicht durch scheinbar mehrfachen Wechsel des Geschlechts, dass sich in allen die Sinne regen und die Lust, der Vernunft abzusagen und love, not war zu machen.
Die Einheitsbühne von Bernhard Nichotz, der auch die Kostüme mit den wagenradgroßen Strohhüten der Akademie-Bewohner verantwortet, sieht eher aus wie für ein Weihnachtsmärchen geschaffen statt für einen Tempel der Vernunft. Ein Prospekt mit einem dichten Wald schließt die Bühne nach hinten ab. Davor steht eine künstliche Ruine, wie die Romantik sie zu bauen liebte, die als Bibliothek dient. Hinter ihren Büchern lagert neben Waffen und Gartengerät auch Hochprozentiges, mit dem sich das angeblich asketische Personal verstohlen bedient.
Mit der Askese ist es nicht weit her. Schon ein kleiner Blowjob von Leonide (Katrin Merkl) weckt bei Hermokrates (Gerhard Mohr) die Sinnlichkeit, bei Hesione (Isa Weiß) braucht Leonide dazu nur etwas Liebesgesäusel. Wie aus der feierlich beschworenen Freundschaft von Agis (Johann Zumblüt) und Leonide Liebe werden kann, ist mit kräftigen Fragezeichen zu versehen. Dagegen schnappt sich Corine (Ulrike Knobloch) fraglos handfest den Harlekin (Christoph Rinke) und beide den Gärtner (Daniel Fries). Von Liebe weit und breit keine Spur., alles bleibt ziemlich unglaubwürdig.
Triumph der Liebe ist ein Kammerspiel für intime Gefühle. Doch dafür ist die Bühne des Großen Hauses zu groß und viele Stimmen, die diese Gefühle transportieren sollen, zu klein. Katrin Merkl als Leonide spielt zwar agil und trifft die richtigen Töne, aber ihr Broadway-Sopran ist schrill und in den Höhen gepresst. Der junge Johann Zumbült als Agis hat eine angenehme Stimme, bleibt aber für seine Rolle zu blass. Gerhard Mohr als Hermokrates, Christoph Rinke als Harlekin und Daniel Fries aus dem Schauspielensemble müssen nicht wirklich singen können, aber für ein Musical ist das zusammen schon eine ordentliche Hypothek.
Wenn dann auch die Musik von Jeffrey Stock nicht wirklich mitreißend ist mit nur einem Lied nach der Pause mit dem Zeug zum Ohrwurm, und Boris Cepeda am Pult das Sinfonieorchester Münster trotz kleiner Besetzung viel zu laut spielen lässt, so dass das Ensemble dagegen mit Kraft ansingen muss, ist das für das Musical tödlich. Nur Isa Weiß als altjügferliche Hesione mit gepflegtem Alt und Ulrike Knobloch als sinnenfrohe Corine mit ausdrucksstarkem Mezzo überzeugen gesanglich wie auch darstellerisch.
Wo es musikalisch im Argen liegt und auch der Text schwerfällig mit dem Hammer Reime schmiedet (Deutsch von Wolfgang Adenberg), setzt die Regie auf Clownerien, für die vor allem Christoph Rinke als tuntiger Harlekin zuständig ist. Was sich Achim Lenz dazu und auch zu den möglichen queeren Szenen von Leonide einfallen lässt, ist peinlich altherrenschenkelklopftaugliches Klischee. Wenn er hingegen zeigen wollte, dass es im „Triumph der Liebe“ bestenfalls um Sinnlichkeit geht, ist ihm das, wenn auch unter Opferung des Musicals, gelungen.
Triumph der Liebe, vom Theater Münster als feinfühliges Kammer-Musical beworben, ist ein auf der ganzen Linie enttäuschendes Armutszeugnis für ein Stadttheater. Nach fast drei viel zu langen Stunden gab es höflichen Beifall des Premierenpublikums für Ensemble und Regieteam.
Triumph der Liebe am Theater Münster, die nächsten Termine: 23.11, 7., 10., 18., 23.12.2021 jeweils um 19.30 Uhr, 31.12. um 15.00 und 19.00 Uhr.
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