Münster, Theater Münster, Spielplan 2023-24 - Jahrespressekonferenz, IOCO Aktuell, 15.05.2023
Theater Münster - Spielpan 2023/24 - Jahrepressekonferenz
- Eine Spielplan-Vorstellung mit vielen Fragen -
von Hanns Butterhof
Die Jahrespressekonferenz zur Spielzeit eines Theaters ist naturgemäß nicht der Ort zur Klärung von Grundsatzfragen. Der Blick des Leitungsteams des Theater Münster war entsprechend auf die Präsentation des Programms für 2023/24 in den einzelnen Sparten gerichtet, das, wie Generalintendantin Dr. Katharina Kost-Tolmein betonte, wieder „mit großer Freude entwickelt“ worden sei. Das Stichwort sei, wie im letzten Jahr bereits für die nächsten Jahre vorgegeben, der Westfälische Frieden von 1648, mit dem der Dreißigjährige Krieg beendet wurde. Genauer steht die zweite Spielzeit, für die das Team um die Generalintendantin mit Generalmusikdirektor Golo Berg, Schauspieldirektor Remsi Al Khalisi, Tanzdirektorin Lillian Stillwell, Angela Merl, Leiterin des Jugendtheaters und Verwaltungsdirektorin Rita Feldmann verantwortlich ist, unter der Frage „Was, wenn morgen Friede wäre ?“
Insgesamt soll es in der kommenden Spielzeit 27 Premieren geben, 7 davon im Musiktheater, „intellektuell, unterhaltsam und niederschwellig“, wie Kost-Tolmein warb. Im Hintergrund von Leonard Bernsteins Oper Mass, die am Beginn der Spielzeit steht, soll der Krieg präsent sein, in Franz Schrekers Der Schmied von Gent wird eine Welt wie die unsere gezeigt voller Machtstreben, Gier und Gewalt. Niederschwellig kommen Jacques Offenbachs Operette Doktor Ox und eine Operngala mit den „schönsten Opernhits“ ins Programm.
Dieses Musikprogramm lässt sich als Reaktion auf Kritik an der laufenden Spielzeit lesen, die durch ein gehöriges Defizit an Gewicht gewonnen haben dürfte. Sie bezog sich nicht nur auf die Ausrichtung der Musiksparte allein und hatte vor allem eine allgemein mangelnde Balance von Werktreue einerseits und gesellschaftspolitischer Belehrung andererseits zum Thema. Zu letzterem räumte Kost-Tolmein etwas sibyllinisch ein, sie seien gut beraten, sich nicht auf die Antworten zu konzentrieren, sondern sich auf die Fragen zu stürzen. Ob Operngala und Operette das Publikum, das sich von Belehrungstheater nicht angesprochen fühlt, versöhnt, steht dahin; gibt es doch zwischen Belehrung und Unterhaltung noch große Stücke, denen man Aktualität und Menschlichkeit nicht eigens aufpfropfen muss.
Das Schauspiel präsentiert Remsi Al Khalisi ungebrochen gegenwartsfreudig: Unter den 11 Premieren, die mit der deutschen Erstaufführung von Amir Gudarzi Am Anfang war die Waffe beginnen, sind allein 7 Uraufführungen. Man kann darauf gespannt sein, ob Give Peace A Chance von Friedrich Schiller u.a. und Georg Büchners Leonce und Lena und Lenz mehr zu sagen haben als die in sich geschlossenen Originale der Autoren. Bertold Brechts und Kurt Weills Dreigroschenoper kommt ohne angekündigten Eingriff auf die Bühne wie Rex Gildo – Das Musical von Rosa von Praunheim, der dazu seinen Film über den Schlagersänger umgearbeitet hat. Nach dem etwas trendstreberhaften Durchlauf von Krieg und Frieden, sexualisierte Gewalt, Klimakrise und Ausgrenzung endet das Schauspiel mit der Uraufführung von Gesine Danckwart und Sabrina Zwach, einem kollektiven Lesehappening für die Zukunft.
Das Tanztheater ist auch an der Oper Mass beteiligt, Lillian Stillwell choreographiert den Street-Chorus und mischt ansonsten existierende und neue Produktionen. Einen Tanzabend in vier Teilen über den Frieden mit dem Titel Nachbarschaft bestreitet sie mit drei Compagnien aus der weiteren oder näheren Nachbarschaft wie der des Tanztheaters Osnabrück. Mit Orchester Bei Eroica / Sacre choreographiert Stillwell Beethovens Symphonie, während Edward Clug den Part Stravinsky übernimmt. Für Real Victory und Madrigale von Krieg und Liebe überlässt sie ihr Ensemble GastchoreographInnen.
Golo Berg blickt zufrieden auf seine Konzeption der Konzerte, bei denen er erfolgreich Bewährtes mit Neuem kombiniert. Besonders hebt er hervor, dass in diesen Kombinationen durch das Zeitgenössische auch das Klassische verändernd gehört wird. Er ist somit bei 10 Konzerten glücklich über den Gegensatz von Genuss und Anspruch hinaus, von Klassischem zum Genießen und Modernem als Aufgenötigtem. Für neues Hören im Kontrast empfiehlt er besonders das 8. Sinfoniekonzert, das Igor Stawinsky, Peter von Wienhardt und Ludwig van Beethoven zusammenführt.
Sechs neue Stücke und ein partizipatives Fstival neben Konzerten für junges Publikum hat das Junge Theater von Angela Merl im Programm. Neben Stückeentwicklungen wie Dunkelschwarz mit dem Mneme-Kollektiv, mit dem es beginnt, kommt es mit Siri und die Eismeerpiraten von Frida Nilson ins Große Haus. An der Oper Imperium der Illusionen, einer Auftragsarbeit von Helena Cánovas Parés, ist das Junge Theater beteiligt, das Orchesterprojekt „It Makes Me Feel“ nach der Oper The fairy Queen von Henry Purcell stemmt es selber.
Eine letzte Frage der Pressekonferenz galt der defizitären Finanzlage des Theaters - für den Anteil der einzelnen Sparten daran gab es auf Nachfrage keine Auskunft. Für sie führte Verwaltungsdirektorin Rita Feldmann coronabedingte Ausfälle und inflationär gestiegene Kosten an: Für die laufende Spielzeit rechnet sie mit einem Defizit von 500 000 €, es drohen Preiserhöhungen. Die Frage nach dem möglichen Zusammenhang von Fehlbetrag, Programmgestaltung und Besucherzahlen lag in der Luft, wurde aber nicht offen gesellt. Eventuell liegt hier ein Ansatz dafür, ohne Preiserhöhungen die Finanzlücke wenn nicht zu schließen, so doch zu verringern. Aussagen zur Auslastung des Hauses, gesamt oder nach Sparten, wurden nicht gemacht.
- Ausgewählte Premieren-Termine
- Musiktheater:
- 26.08.2023: „Mass“ für Sänger, Schauspieler und Tänzer von Leonard Bernstein
- 15.09.2023: „Operngala“
- 21.10.2023: „Der Schmied von Gent“ von Franz Schreker
- 27.01.2024: „Carmen“ von Georges Bizet
- 17.02.2024: „Imperium der Illusionen“ von Helena Cánovas Parés (UA)
- 23.03.2024: „Zoroastre“ von Jean-Philippe Rameau
- 04.05.2024: „Doktor Ox“ von Jacques Offenbach
- Schauspiel:
- 01.09.2023: „Am Anfang war die Waffe“ von Amir Gudarzi
- 08.09.2023: „Give Peace A Chance - Wallenstein“ von Friedrich Schiller u.a.
- 05.10.2023: „Der junge Mann“ von Annie Ernaux (UA)
- 10.11.2023: „Zwei Sonnen und ein Untergang“ von Kevin Rittberger (UA)
- 02.12.2023: „Die Dreigroschenoper“ von Bertold Brecht und Kurt Weill
- 18.01.2014: „Split“ von Sokola/Spreter (UA)
- 26.01.2024: „Internat“ von Serh ij Zhadan (UA)
- 09.03.2024: „Rex Gildo - Das Musical“ von Rosa von Praunheim (UA)
- 15.03.2024: „Kinderhäuser“ von Karen Breece (UA)
- 18.05.2024: „RCE:#REMOTECODEEXECUTION von Sibylle Berg
- 01.06.2024: „Leonce und Lena und Lenz“ von Georg Büchner
- Tanztheater:
- 26.08.2023: „Mass“ (s.o. Musiktheater), Choreographie Lillian Stillwell
- 20.10.2023: „Nachbarschaft“ , Choreographien van Dijk, Donlon, Spota, Stillwell
- 24.02.2024: „Eroica/Sacre“, Choreographien Edward Clug, Lillian Stillwell
- 26.04.2024: „Real Victory“, Choreographie Sandrine Lescourant, Dustin Klein, N.N.
- Konzerte:
- 12.09.2023: 1. Sinfoniekonzert, Heiner Goebbels und Richard Wagner
- 03.10.2023: 2. Sinfoniekonzert, Florence Price, George Gershwin, William Grant Still
- 14.11.2023: 3. Sinfoniekonzert, Richard Strauss, Kalevi Aho, Dora Pejacevic
- 12.12.2023: 4. Sinfoniekonzert, Alfred Schnittke, Peter I. Tschaikowsky, Modest Mussorgsky
- 09.01.2024: 5. Sinfoniekonzert, UA eines Auftragswerks, Dmitri Schostakowitsch, Robert Schumann
- 06.02 2024: 6. Sinfoniekonzert, Zygmunt Noskowski, Karol Szymanowski, Sergei Rachmaninow
- 05.03.2024: 7. Sinfoniekonzert, Ludwig van Beethoven, Franz Schubert
- 09.04.2024: 8. Sinfoniekonzert, Igor Strawinsky, Peter von Wienhardt, Ludwig van Beethovens
- 07.05.2024: 9. Sinfoniekonzert, Johannes Brahms, Ethel Smyth, Peter I. Tschaikowsky
- 18.06.2024: 10. Sinfoniekonzert, Dieter Schnebel, Wolfgang A. Mozart, Gustav Mahler
Foto: Das Leitungsteam des Theaters Münster. V.li.: Golo Berg, Dr. Katharina Kost-Tolmein, Remsi Al Khalisi und Lillian Stillwell
Foto: Hanns Butterhof