Münster, Theater Münster, KINDERHÄUSER - Kareen Breece, IOCO

Kinderhäuser von Kareen Breece: im Kleinen Haus des Theater Münster uraufgeführt, handelt von Kindesmissbrauch. Es ist das Ergebnis eines Rechercheprojekts im Auftrag des Theaters, dessen unmittelbarer Anlass die dreitägige Missbrauchs-Orgie in einer Kleingarten-Anlage

Münster, Theater Münster, KINDERHÄUSER - Kareen Breece, IOCO
Theater Münster © Rüdiger Wölk

`Wer nicht sehen will, muss hören´ - Kareen Breece bringt schockierend Kindesmissbrauch auf die Bühne

Von Hanns Butterhof

Das Stück Kinderhäuser von Kareen Breece, das im Kleinen Haus des Theater Münster uraufgeführt wurde, handelt von Kindesmissbrauch. Es ist das Ergebnis eines Rechercheprojekts im Auftrag des Theaters, dessen unmittelbarer Anlass die dreitägige Missbrauchs-Orgie in einer Kleingarten-Anlage in Münster-Kinderhaus  2020 war, der folgende Prozess gegen vier beteiligte Männer und eine Frau sowie die Münster betreffende Studie „Macht und sexueller Missbrauch in der Katholischen Kirche“.

Theater Münster: Kinderhäuser (Trailer) youtube Theater Münster

Im Zentrum von Kinderhäuser stehen zwei Missbrauchs-Opfer, die selber mitspielen und ihre Geschichte erzählen. Wo sie von Gefühlen überwältigt werden und nicht mehr weitersprechen können, übernehmen die Schauspielerinnen Klara Kronek und Agnes Lampkin oder der Schauspieler Pascal Riedel ihren Text. Sie sorgen auf der einen Kinderspielplatz mit Schaukel andeutenden Bühne (Ausstattung: Hannah Judith Wolf) auch dafür, dass durch Hin- und Hertragen einer Wippe, einen Gang durchs Publikum oder eingeflochtene Recherche-Erfahrungen so etwas wie Handlung entsteht (Regie: Kareen Breece). Sie fungieren auch als Müttergruppe, die mehr empört als betroffen recht volksnah darüber spricht, wie gering die Strafen für die Täter von Kinderhaus ausgefallen seien.

Im Wesentlichen besteht das Stück daraus, dass Melanie Hach und Martin Schmitz selber die schrecklichen Taten schildern, denen sie ausgesetzt waren; Melanie Hach, die einen Teddy mit auf die Bühne bringt, war Opfer familiären Missbrauchs und danach dem vielfachen in einem kirchlichen Jugendheim ausgesetzt. Martin Schmitz, der in einem rot-weißen Messdiener-Gewand auftritt, wurde von einem katholischen Priester missbraucht. Kein einziger der Missbrauchsfälle wird szenisch dargesstellt, doch es ist unmöglich, alldem im Detail zuzuhören, ohne dass das Kopfkino angeht und sich einem der Magen umdreht.

Die Bedeutung, die für Melanie Hach und Martin Schmitz das Mitspielen in diesem Stück hat, kann wohl nur ein Psychologe abschätzen. Es steht zu wünschen, dass das Benennen dessen, was ihnen angetan wurde, einen Beitrag zur weiteren Bewältigung ihrer Traumata darstellt, von der sie auch  beeindruckend Zeugnis ablegen.

Was es aber für die Zuschauer bedeutet, mit diesen Taten konfrontiert zu werden, steht auf einem anderen Blatt. Trotz der Altersempfehlung „Ab 18 Jahren“ und der Triggerwarnung vor expliziten Opfer-Berichten und Tatbeschreibungen kann man von den Darstellungen kaum anders als schockiert sein. Beim Hinhören kann man sich nicht vor den Bildern schützen, die man auf gar keinen Fall sehen möchte. Das Pogrammheft verurteilt dies als Wegschauen, das das Leid der Opfer maximiere und fortschreibe. Aber es handelt sich deutlich um zwei verschiedene Fälle; bei einem Verdachtsfall von Kindesmissbrauch hinzuschauen, kann Opfer schützen und Leid verhindern, sich Einzelheiten vorzustellen ist krank. Ein Theater unter dem Motto `Wer nicht sehen will, muss hören´, ist übergriffig.

Nach fast zweistündigem  Spiel ohne Pause gab es den Beifall des Premieren-publikums für die Protagonisten und ihren Mut.

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