Münster, Theater Münster, ASPECTS OF LOVE - Andrew Lloyd Webber, IOCO Kritik, 08.11.2022
ASPECTS OF LOVE - Andrew Lloyd Webber
- Konventionelles Webber-Musical - Ein Reigen unreifer Lieben -
von Hanns Butterhof
Andrew Lloyd Webber ist ein für viele erfolgreiche Musicals von Cats bis Jesus Christ Superstar gefeierter Komponist. Aspects of Love aus dem Jahr 1989, das vom Theater Münster jetzt ausgegraben wurde, gehört zu seinen eher selten gespielten Stücken. Es passt aber in das Generalthema, das die neue Intendanz für die Spielzeit 2022/23 ausgegeben hat, das Verhältnis der Generationen zueinander. In der Regie von Carsten Lepper bleibt Aspects of Love in den Paar-, Geschlechter- und Generations-Beziehungen unreif, die Musik Andrew Lloyd Webbers im Plauderton.
Wenn in Aspects of Love im Großen Haus des Theater Münster auch alles vorkommt, was der Intendanz am Herzen liegt, so fehlt es doch auffällig an der Liebe, die der Titel des Musicals verspricht. In zwei Akten mit um die vierzig Szenen entfaltet sich ein Reigen unreifer Lieben.
Er beginnt mit der jugendlichen Schwärmerei des 17-jährigen Alex Dillingham (Mark Roy Luykx) für die 20-jährige, wenig erfolgreiche Schauspielerin Rose Vibert (Katja Berg), mit der er eine stürmische Woche in der Villa seines Onkels George verbringt. Was Rose für Alex empfindet, bleibt weithin unklar bis auf ihre späte Selbstauskunft, dass sie einfach nicht alleine sein kann. Das wirft auch ein flaues Licht auf ihre Beziehung zu Alex' Onkel George (Gregor Dalal). Den hat sie während ihres Aufenthalts mit Alex in der Villa kennengelernt und ist danach dessen Geliebte geworden. Jahre danach betrügt sie ihn noch einmal kurz mit Alex, doch als George daraufhin zu seiner früheren Geliebten Giulietta Trapani (Floor Krijnen) zurückkehrt, reist sie ihm reumütig nach und bewegt ihn dazu, sie zu heiraten.
George Dillingham seinerseits ist ein begüterter Kunstfälscher und liberaler Lebemann, großzügig im Geben und Nehmen auch in Bezug auf seine Beziehungen. Gern gönnt er anfangs Rose seinem Neffen, um sie später zu übernehmen. Als sich zärtliche Regungen zwischen Rose und Giulietta anbahnen, sieht er das mit selbstgefälligem Wohlwollen, womöglich als Vorschein einer möglichen Dreierbeziehung. Jahre danach verknallt sich dann Jenny (Deike Darrelmann), die zu diesem Zeitpunkt 15-jährige Tochter von Rose und George, in den nun schon 36-jährigen Alex. Der wird nur mit äußerster Anstrengung seinem geweckten Appetit auf den verführerischen Backfisch Herr, bevor er sich dann Giulietta zuwendet, Georges ehemaliger Geliebten, womit sich am Ende der Reigen der unreifen Lieben schließt.
Das Geschehen spielt sich in dekorativen, bei geöffnetem Vorhang rasch wechselnden und mit albernen ballettösen Bewegungen verschobenen Kulissen (Bühne: Charles Quiggin) in ansprechenden Vierziger-Jahre-Kostümen von Aleš Valášek ab. Von Carsten Lepper wird es altbacken inszeniert. Da knistert es nicht zwischen den Paaren, in welchen Konstellationen sie auch auftreten. Unkonventionelles Verhalten wird nur angedeutet, schauspielerisch ist alles zu brav, was vor allem bei Rose und Alex bedauerlich ist. Katja Berg als Rose bleibt durchwegs blass, mehr Hausfrau als gefeierter Star, Mark Roy Luykx als Alex ein steifer Abiturient. Einen Höhepunkt bildet noch die Szene, in der Jenny im weißen Unterkleid in ihrem Kinderbett versucht, den daneben im Mantel mit sich ringenden Alex zu verführen. Über allen Szenen liegt so etwas wie der joviale Geist des saturierten Lebemanns George, ein „anything goes“, - außer der Verführung Minderjähriger. Da ist auch das Libretto streng, das auf einem Roman von David Garnett (1892 – 1981) aus dem Jahr 1955 beruht, und lässt als Ausrufezeichen George einen tödlichen Herzanfall erleiden, als er Alex dieses Vergehens an seiner Tochter Jenny verdächtigt.
Konsequent ist es Gregor Dalal als George, der schauspielerisch wie mit gepflegtem Bariton stimmlich überzeugend die Bühne beherrscht. Floor Krijnen ist ihm als Giulietta eine angemessene Partnerin, Deike Darrelmann mit jugendlichem Sopran eine stimmige Jenny. Katja Berg als Rose und Mark Roy Luykx als Alex sind probate, etwas durchdringende Musical-Stimmen, die in den strahlenden Höhen mit den Tücken der Übertragungstechnik zu kämpfen haben.
So harmlos wie die Inszenierung ist auch die Musik von Andrew Lloyd Webber. die durchwegs im Parlando-Stil mit vielen Anklängen an Webbers eigene Kompositionen und die mancher seiner Kollegen dahinplätschert. Von den vielen Nummern bleiben bestenfalls das leitmotivische „Liebe verändert alles“ und die an eine Tarantella erinnernde Tanz- und Chornummer (Choreinstudierung: Anton Tremmel, Choreographie: Vanni Viscusi) zu Georges Beerdigung in Erinnerung, solide vorgetragen vom Sinfonieorchester Münster unter Leitung des neuen 1. Kapellmeisters Henning Ehlert.
Nach zweieinhalb recht konventionellen Musical-Stunden war der Beifall des Premierenpublikums überschwänglich. Im Stehen dargebrachte Bravorufe für alle Beteiligten wollten nicht enden.
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