Münster, Pablo Picasso-Museum, "Celebrating Picasso" - Ausstellung, IOCO Kritik, 06.06.2023
„Celebrating Picasso“ - Ausstellung
- Picasso-Steckbrief - die vielen Seiten von Pablo Picasso -
von Hanns Butterhof
Es ist eine nette Provokation, wenn das Kunstmuseum Pablo Picasso in Münster seine neue Ausstellung „Celebrating Picasso“ mit dem Untertitel „Künstler - Mensch - Genie (?)“ versieht. Im letzten der zwölf Räume, die das Museum dem katalanischen Maler-Fürsten anlässlich seines 50. Todestages widmet, dürfen die Besucher der Schau mit ihren über 120 Exponaten das Genie-Fragezeichen in ein Ausrufezeichen verwandeln oder eben nicht: Auf einer wandbreiten Picasso-Signatur können sie grüne Klebe-Punkte für „Genie: ja“ oder rote für „Genie: nein“ vergeben. Es ist zu befürchten, dass in keinem der Fälle die Frage als abschließend geklärt gelten kann.
Die Exponate von „Celebrating Picasso“ stammen zum größten Teil aus Beständen des Hauses und mögen manchem Besucher daher bekannt vorkommen, auch wenn sie in einen neuen Zusammenhang gestellt sind. Soll doch, so Museumsdirektor Markus Müller, die Ausstellung „eine Art Steckbrief des Menschen hinter seiner Kunst“ sein. So wird die unvermeidliche Stierkampf-Passion des Spaniers in zwei Sälen in prekäre Beziehung zu seiner fast unbedingten Tierliebe gesetzt, allerdings in pietätvoller Distanz. Und auch die bereits mehrfach gezeigten Auseinandersetzungen Picassos mit alten Meistern von Rembrandt bis Cranach, von El Greco bis Matisse sowie den Mischwesen der griechischen Mythologie, vor allem dem Minotaurus, werden als „geheimer Exhibitionismus“, so Museumsdirektor Müller, an den Menschen Picasso angedockt.
Der erste Raum der Ausstellung liefert ein detailliertes Organigramm von Picassos Familien und Musen. Den Künstler aber auf dem Hintergrund seines Verhaltend diesen gegenüber im Sinne der me-too-Bewegung grundlegend neu zu bewerten, dürfte eine ebensolche ästhetisch Zumutung sein wie das ganze Ausstellungskonzept. In der Folge werden wesentlich biographische, strikt auf die Person Picasso bezogene Aspekte beleuchtet, etwa sein sozialer Aufstieg anhand seiner Immobilien. Ärmliche Bretterbuden auf dem Montmartre stehen am Beginn, das schlossartige Nôtre Dame de Vie am Ende seiner Laufbahn. Ihre fotografisch dokumentierte spartanische Einrichtung legt davon Zeugnis ab, dass Picasso sein Bohemien-Gen auf dem Weg nach oben nicht verloren hat. Als unermüdlicher Arbeiter präsentiert er sich im großen Saal des ersten Stocks auf der Serie „24 Stunden mit Picasso“ des Fotografen David Douglas Duncan, der nahezu als sein Leibfotograf angesehen werden kann. Und vor der Bildtapete eines unaufgeräumten Picasso-Ateliers kann man sich als Besucher in einem Schaukelstuhl der Entspannung hingeben, die sich der Künstler in seinem Schaffensdrang versagt; Steingut-Krüge und bemalte Servierplatten machen deutlich, dass der Künstler auch dann rastlos tätig war, wenn er nicht malte.
Picassos vorurteilslose Tierliebe wird dann im zweiten Stock in vielen Fotos und Werken dokumentiert. Nicht nur die ikonische Taube ist dabei, sondern auch seine müffelnde Ziege Esmeralda, zu der es so witzige Anekdoten gibt wie zu Picassos Hund Lump. Auch dem Thema Essen und seiner Bedeutung für den Künstler ist ein Raum gewidmet, der darüber informiert, mit welchen Essenszutaten Picasso malte und und wie er Reste wie Fischgräten zum Gestalten nutzte. Nach solchem „Steckbrief“ über den Menschen und Künstler Picasso kann es dann zur Fahndung gehen: Daumen rauf oder runter, Genie oder nicht? Immer wenn 5000 Voten die Picasso-Signatur ausgefüllt haben, wird abgerechnet; man darf gespannt sein, ob sein „Genie“ gefasst wird.
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