Münster, LWL-Museum für Kunst und Kultur, SOMMER DER MODERNE - Ausstellung, IOCO Kritik, 07.05.2023
SOMMER DER MODERNE - Austellung - Westfälisches Landesmuseum
- Aus dem Schatten größerer Namen - Westfälische Moderne -
von Hanns Butterhof
Große Erwartungen weckt der Titel Sommer der Moderne der Ausstellung im Westfälischen Landesmuseum Münster, die bis zum 3. September 2023 130 Werke von fünf Künstlern und einer Künstlerin zeigt. Die Ausstellung geht aus der Arbeit an einem neuen Bestands-Katalog des Museums hervor - der erste Band „Die Gemälde der Moderne 1900 – 1960“ liegt bereits vor – und wählt aus den Beständen des Hauses vom späten 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts nicht die üblichen Verdächtigen wie August Macke und Franz Marc. Unter dem Kriterium der besonderen Beziehung zum Museum und seiner Sammeltätigkeit präsentiert es Josef Albers (1888 -1976), Peter August Böckstiegel (1889 – 1951), Eugen Bracht (1842 - 1921), Melchior Lechter (1865 - 1937), Bernhard Pankok (1872 - 1943), und als einzige Frau Ida Gerhardi (1862 - 1927).
Jedem Künstler ist ein ganzer Saal gewidmet. So kann man Künstlern näherkommen, die sonst eher im Schatten größerer Namen stehen und doch wichtige Aspekte der Moderne aufzeigen, ohne dass sie zu deren sommerlicher Hochblüte gerechnet werden müssen. Der Ausstellungstitel nimmt somit eher Bezug auf die sommerliche Thematik einzelner Werke, ohne überzeugend für die Breite der Exponate zuzutreffen.
So weist im ersten, Eugen Bracht gewidmeten Saal sein „Provencalischer Frühling“ mit blühenden Obstbäumen, der die Ausstellungs-Besucher prominent empfängt, knapp am Sommer vorbei. Auch seine sehr ruhige „Mondnacht in der Wüste“ lässt Sommerliches vermissen, während seine düsteren westfälischen Industrie-Landschaften alles Jahreszeitliche dementieren und mit rauchgeschwängerter Luft die künftige Klimakatastrophe ahnen lassen.
Ganz anders tritt im folgenden Saal Melchior Lechter auf, der sich im Selbstporträt in priesterlich-spiritueller Pose malt. Seine Werke wie die „Frauenstudie“ auf dem Plakat zur Ausstellung sind wesentlich Jugendstil, sein mystisch entrückter „Orpheus“, Foto links, machte ihn berühmt und fehlt heute wohl in keinem Sammelwerk der Epoche. Das riesige Glasfenster „Lumen de Lumine“, in dem Lechter das Licht feiert, flammt wirkungsvoll im Treppenhaus, wenn man die Ausstellung verläßt. Zu ihm gehört die biographische Anekdote, dass der Künstler sich gewünscht habe, im Lichthof des Museums gegenüber diesem Fenster begraben zu werden, wozu es allerdings nicht gekommen ist.
Bernhard Pankok im dritten Saal zeigt sich als vielseitiger Künstler, der Bücher gestaltete und Möbel und Bühnenbilder mit Kostümen entwarf; aus dem Fundus des Theater Münster sind passend dazu Kostüme zu sehen. Pankok ist vor allem ein begnadeter Porträtist. Sein „Selbstbildnis im schwarzen Pullover“ zeigt einen selbstbewusst stolzen Mann, zu dem passt, dass er sich als Direktor der Stuttgarter Kunstgewerbeschule standhaft weigerte, der NSDAP beizutreten.
Ida Gerhardi, deren Bilder im nächsten Saal zu sehen sind, ist die wohl am wenigsten bekannte Künstlerin der Ausstellung. Ein Selbstporträt zeigt die zu Lebzeiten kaum erfolgreiche Malerin als schmale bürgerliche Dame in hellem Sommerkleid, mit Hut und Schleier, der man nicht zutraut, dass sie zu den „Pariser Malweibern“ gehörte. Nach Paris war sie vor den Einschränkungen der deutschen akademischen Ausbildung ausgewichen, die Frauen etwa von der Teilname an Akt-Studien ausschlossen. Die nun aus ihrer Zeit in Paris ausgestellten Akte sind deutlich schwächer als ihre Kaschemmen- und Tanz-Bilder wie das sehr liebevolle, 1903 entstandene Porträt der alten „Chanteuse“, i.e. Madame de Riau oder das „Tanzbild XII“ (Bal Bullier).
Mit kräftigen Landschaften und Porträts in pastosem, häufig mit Spachtel aufgetragenen reinen Tubenfarben zeigt sich dann Peter August Böckstiegel unübersehbar eigenständig mit expressionistischem Gestus. Zwischen den stark konturierten Bildern überrascht eine zarte sommerliche Frauenstudie, die an den späten Renoir denken lässt. 1937 wurden im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ seine Werke aus deutschen Museen und Sammlungen entfernt.
Gleiches widerfuhr Josef Albers, der nach der Schließung des Bauhauses 1933 in die USA emigrierte. Er ist, von Piet Mondrian inspiriert, mit den für ihn charakteristischen flächigen, quadratischen Farbstudien als einziger Repräsentant der abstrakten, vielleicht sogar als winterlich karg zu verortenden Moderne vertreten. Einst begrüßte über dem Eingang zum Landesmuseum am Domplatz Albers mit seinen Edelstahl-Supraporten die Besucher, jetzt schließt mit ihm die sehenswert abwechslungsreiche Ausstellung „Sommer der Moderne“.
Die Ausstellung „Sommer der Moderne“ im LWL-Museum für Kunst und Kultur, Domplatz 10, 48143 Münster, DAUER: 5. Mai bis 3. September 2023. Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr. Am 2. Freitag im Monat von 18.00 bis 24.00 Uhr freier Eintritt.