München, Gärtnerplatztheater, WERTHER - Jules Massenet, IOCO Kritik, 26.02.2023
Staatstheater am Gärtnerplatz München
WERTHER - Jules Massenet
- "Mellodramma tragico" - Liebesleiden in gesellschaftlichen Zwängen -
von Daniela Zimmermann
Jules Massenets (1842-1912) Oper Werther, 1892 in Wien uraufgeführt, verbindet auf einzigartige Weise romantische Musik mit der emotionalen Tiefe von Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werthers, in welchem Goethe eigene Seelenleiden beschrieb. Der deutsche Schriftsteller und Musikkritiker Georg Hartmann baten Massenet, eine Oper auf der Grundlage von Goethes Roman zu komponieren. Georg Hartmenn, Edouard Blau und Paul Milliet, verfassten das Libretto.
Werther, eine hoch emotionale Oper, gilt als einer der Höhepunkte des französischen Opernrepertoires, und jetzt, in doppelter Besetzung am Gärtnerplatztheater in München, zu erleben. So begeistern in München zwei Werther - Ensembles, jeweils mit eigener Premiere (A und B)
Die Handlung der Oper Werther folgt weitgehend Goethes Romans und erzählt, an das italienische "Mellodramma tragico" erinnernd, die tragisch endende Geschichte der unerfüllten Liebe des jungen Werther zu der verheirateten Charlotte. Eine Ehe, konventionell arrangiert, nach dem Wunsch der verstorbenen Mutter. Pflicht, Konventionen und Liebe sind das zentrale Thema dieser Oper.
Inszeniert hat Werther der Direktor des Wiener Theater in der Josefstadt, Herbert Föttinger: gesungen wird nach dem Originaltext, französisch; feinsinnig und scharfsinnig formt er ihre Charaktere auf der Bühne. Werther, in der B - Premiere gesungen von Alexandros Tsilogiannis, ist ein sensibler junger Mann, der, von seiner Leidenschaft zur Charlotte und seinen inneren Konflikten gequält, die Realität aus den Augen verliert. Föttingers Inszenierung spielt in der Entstehungszeit der Oper um 1900, als die gesellschaftlichen Zwänge noch Realität waren. Alfred Mayerhofer entwarf dazu, die, in die Zeit passenden, sehr hübschen Kostüme. Die Bühnenbilder, gestaltet von Walter Vogelweider, sind ungewöhnlich vielschichtig sind und vermitteln Einblicke in das damalige, gehobene Wohnen: große Türrahmen, die Durchblicke in weitere Zimmerfluchten frei geben; hohe Fenster, exklusive Bilder im Herrenzimmer; wie man damals so lebte: dazu die mitgestaltende Lichtführung von Peter Hörtner.
Alexandros Tsilogiannis singt seine Partie des Werther mit hoher Intensität und Leidenschaft, verleiht mit der sicherer Technik auch in hohen Stimmlagen und weiten Intervallen seiner inneren Verzweiflung und Zerrissenheit Ausdruck. Charlotte, dargestellt von Anna-Katharina Tonauer vermittelt feinfühlig und souverän den Kontrast zwischen ihrer inneren Zerrissenheit und äußerlich gespielter Stärke. Ihr Mezzosopran sehr schön und voll emotionaler Tiefe.
Charlottes Schwester Sophie (Andreja Zidaric) mit hell strahlender Sopranstimme, ist reizend jung, und offen neugierig für alles, dazu verliebt in Werther, der die Zuneigung nicht erkennt. Sie bildet den optimistischen Kontrast zu Charlottes emotionaler Intensität. Tragend im Bühnengeschehen ist auch Albert (Ludwig Mittelhammer), der Ehemann von Charlotte, der durch Gesang, aber auch Darstellung, Würde und Entschlossenheit, einen Mann mit Prinzipien und Pflichten ist. Mit selbstbewusstem Bariton, will er Werther überzeugen, dass er mit Charlotte gut verheiratet ist, und alles Werben zwecklos sei.
Höhepunkt und der zentrale Moment in der Oper, ist die Sterbestunde Werthers: er leidet sichtbar unter der Hoffnungslosigkeit seiner Liebe und seiner Unfähigkeit, diese Realität zu akzeptieren. Durch den Freitod entscheidet sich Werther für eine endgültige Lösung, im Sinne einer Befreiung. In der Todesszene von Werther, gesteht Charlotte ihre Liebe zu ihm. Die Abschiedsszene ist äußerst bewegend und betont noch einmal, auf das die Komplexität des Beziehungsdreieck von Werther, Charlotte, Albert. Charlotte betrauert den Verlust von Werther. Die wahren Gefühle und führen Werther und Charlottezueinander, kurz und innigst.
Jules Massenets Musik ist voller Emotionen und Stimmungen. Anthony Bramall dirigiert diese Oper voller Tempo und Dynamik. Manchmal ähnelt die überbrausende Musik einer modernen, mitreizenden Filmmusik. Antony Bramall bringt sehr sensibel die verschiedenen emotionalen Ebenen der Handlung zum Ausdruck.
Das Publikum feiert die Werther - Inszenierung von Herbert Föttinger ebenso begeistert wie das überwältigende Ensemble des Münchner Gärtnerplatztheater.