München, Gärtnerplatztheater, ROCKIN´ ROSIE - Kammermusical - Peter Lund, Wolfgang Böhmer, IOCO Kritik, 05.01.2023
Staatstheater am Gärtnerplatz München
ROCKIN´ ROSIE - Musical - Peter Lund, Wolfgang Böhmer
- Dagmar Hellberg und das wilde Leben in Schwabing der späten 70er Jahre -
von Daniela Zimmermann
Es geht hinab in die Katakomben des Gärtnerplatztheaters, hier befindet sich die Werkstattbühne des Theaters. In diesem kleinen, fast privat anmutenden Raum, wird ROCKIN´ROSIE, das Kammermusical von Wolfgang Böhmer (Musik) und Peter Lund (Texte) über das wilde Leben im Münchner Schwabing der späten 70er Jahre, aufgeführt. Böhmer komponierte eine Hommage an Dagmar Hellberg, ROSIE, die in München auch von Dagmar Hellberg persönlich dargestellt wird. Dagmar Hellberg, seit diesem Jahr von der Staatsregierung zur Bayerischen Kammerschauspielerin gekürt, erlebt in ROSIE einen großartigen und prägenden Teil ihres eigenen Lebens und spielt Rosie auf der Bühne des Gärtnerplatztheaters. Die Vorstellung, der Abend, beginnt mit ihrem Lied „Heute ist mein Tag“.
ROCKIN’ ROSIE Stückeinführung youtube Gärtnerplatztheater [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]
Dagmar Hellberg, alias ROSIE, ist die Person, um die sich alles dreht. Sie lebte in der Szene der wilden 1970er Jahre und 1980er Jahre; dies war ihr schillernde Mittelpunkt. Ihre Liebe gehörte der Musik, der Band, dem Singen, dem freien, unbeschwerten Leben. Ihre volumenstarke und variantenreiche Stimme war damals wie heute einmalig. Dazu kommt eine eindrucksvolle und mitreizende Bühnenpräsenz. All das noch einmal mit ihr im Gärtnerplatztheater zu erleben, ist etwas ganz Besonderes. Seit 2016 gehört sie zum Ensemble des Gärtnerplatztheaters.
Rosie wird 70 und das muss gefeiert werden, und zwar mit den alten, vertrauten Freunden aus ihrer Band. Eingeladen hat Rosie in ihre gemütliche, schöne Schwabinger Wohnung, mit altem Mietvertrag von 1988! Die Wohnung mit Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche und Balkon, gestaltete Rainer Sinell, entsprechend, ein wenig aus der Zeit gefallen, und mit vielen Accessoires aus Rosies reicher Vergangenheit. An Rosies beste Zeit erinnert ein großes Plakat an der Wand, mit der singenden Rosie. Rosie wartet auf ihre Gäste, als plötzlich unerwartet Enkelin Hanna (Florine Schnitzel) samt erfolgshungrigen Verlobten Maximilian (Peter Neustifter) in der geöffneten Tür stehen, um Omilein zu gratulieren. Hannas Verlobter, der junge Architekt, hält stolz in den Händen, das Gebutstagsangebot für Rosie, das Mehrgenerationenhaus, indem auch Rosie wohnen soll. Errichtet auf Rosies teurem Garagengrund. Ihre Garage, die Garage der Band, ihrer Musik, für die Proben, da wo sie glücklich war. Nein, an dem Haus ist sie nicht interessiert. Und Hanna, ihre Enkelin hat sie seit 20 Jahren nicht mehr gesehen.
- INSERAT - ROCKIN´ROSIE - der 70er Jahre:
- Altes Mädchen – 36 – sucht Mann
zum Heiraten (Alter und Ausse-
hen egal) für ca. ½ Jahr zwecks
Namensgebung – weil ich die
ständige dämliche Fragerei satt
habe. Ist keine Fangmethode,
keinerlei sonstige Verpflichtung
auf beiden Seiten – übernehme
Scheidungskosten, eventuelle
Übernahme der Wäschepflege
oder etwas Sex. Andere Verein-
barungen möglich
Die alten Band-Freunde kommen natürlich auch zu Rosies Party. Der Rocker, Sir Toby (Alexander Franzen), die etwas übertrieben schrille Uschi (Frances Lucey), Admiral Aki (Frank Berg), leicht dement, und Manager, genannt Manni (Erwin Windegger). Und diese alte Clique bringt sofort Stimmung in die Bude. Da wird wie früher gesungen, getanzt und geflirtet. Sie zeigen uns noch einmal den legendären Hedonismus der 70er und 80er Jahre in München. Was war das für eine unbekümmerte, fröhlich, ausgelassenen Zeit mit den vielen Schwabinger Clubs. Die Zeit von Kir Royal und Monaco Franz, Freddy Mercury und Uschi. Da ging die Post ab und an dieser beschwingten, unbekümmerten Atmosphäre dürfen wir noch einmal teilhaben.
Dagegen die überkorrekte Hanna, ganz kapitalistisch orientiert, ist Omilein nicht gewachsen und ruft ihren gesettelten Architekten Vater, Rosies Sohn Stefan ( Armin Kahl) zur Hilfe. Auch der hatte 20 Jahre lang keinen Kontakt mit seiner Mutter. Und dann entdeckt Stefan, auch noch seinen vermissten, dauernd bekifften Sohn Vinzenz (Gunnar Frietsch), der sich seit Wochen bei Omi versteckt aufhält.
Eine schwierige Situation und komplett unterschiedliche Interessen. Die Kumpels von damals wollen feiern, die Erinnerung hoch leben lassen, ein Joint rauchen, liegt schon bereit, neben dem Sahnekuchen und das Leben feiern wie damals, als alles leichter und unbeschwerter war. Und sie selbst, die 70er, wirken auch heute noch etwas wild, verkörpern Lebensfreude, und suchen den Spaß, genießen ihre Zeit.
Damit können die jungen gar nichts anfangen. Ihr Projekt, das Mehrfamilienhaus, steht im Mittelpunkt ihrer kapitalistisch ausgerichteten Interessen. Und Sohn Stephan, quält es, nicht zu wissen, wer sein Vater ist. Rosie war immer eine alleinerziehende Mutter, verheiratet mit ihrer Musik und der Vater war für sie kein Thema. Der Sohn bittet die Mutter, es ihm endlich zu sagen, aber es kommt nichts. Dass sie es vielleicht selber nicht weiß, begreift zum Schluss auch Sohn Stefan und Mutter und Sohn kommen sich trotzdem näher. Für Hanna ist alles eine neue Erfahrung. Sie lernt, dass das Leben auch andere Seiten hat und richtig unbeschwert schön sein kann und trennt sich letztlich von ihrem stocksteifen, spießigen, freudlosen Verlobten. Sie ist der Hoffnungsschimmer der Gebutstagsparty.
Inszeniert wurde das Musical von Nicole Claudia Weber, das musikalische Arrangement gestaltete am Keyboard Andreas Partilla mit der mitreißenden ROCKIN´ ROSIE -Band, E-Guitarre - Christoph Schultheiß, E-Bass - Matej Varga, Drums - Simon Kurz. Vor allem die zahlreichen starken Songs, begleitet von der Rockband, geben dem Musical Charme und Tempo. Dazu die köstlichen Dialoge und die Lässigkeit, die noch immer das Unbeschwerte in sich trägt, hat Nicole Claudia Weber gut herausgearbeitet. „Heute ist mein Tag“ machten der Besuch des Musicals für die Besucher zu einem fröhlichen Happening.
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