München, Gärtnerplatztheater, ALCINA - Georg Friedrich Händel, IOCO

Alcina, gesungen von Jennifer O’Loughlin bewältige die komplizierten Arien mit einem perfekten Belcanto.

München, Gärtnerplatztheater, ALCINA - Georg Friedrich Händel, IOCO
Gärtnerplatztheater © Christian POGO Zach

von Daniela Zimmermann

Barock im Gärtnerplatztheater, Händels Alcina gewollt modern

Georg Friedrichs Händels Oper Alcina gehört zu den Höhepunkten der barocken Opernliteratur. Am 16. April 1735 wurde sie im Theatre Royal, Covent Garden in London uraufgeführt und wurde seine letzte große Oper, bevor er sich verstärkt dem Oratorium zuwandte. Die Oper basiert auf Motiven aus Ludovico Ariostos Renaissance-Epos Orlando Furioso und erzählt die Geschichte der Zauberin Alcina.

Die Inszenierung von Georg Friedrich Händels Oper Alcina präsentiert die Handlung in einer Werkshalle, die meist düster und mal kurzzeitig hell beleuchtet ist.  Regisseurin Magdalena Fuchsberger interpretiert Alcinas Zauberinsel als Rumpelkammer, in der die Charaktereihre verborgenen Sehnsüchte ausleben. Dieses Setting soll den Kontrast zwischen einer geordneten Welt und dem Wunsch nach Ausbruch und Enthemmung darstellen. Die Wahl der Werkshalle als Schauplatz soll wohl die Spannung zwischen Rationalität und Emotionen und zwischen Struktur und Chaos verdeutlichen. Ansprechend erotisierend ist diese moderne industrielle Umgebung leider nicht, eher daneben. Die Kostüme dieser Alcina-Inszenierung von Pascal Seibicke folgen offenbar demselben Prinzip wie das Bühnenbild: einer bewussten Reduktion auf das Alltägliche und Unspektakuläre. Statt fantasievollerZauberroben für die Königin der verführerischen Insel, ein langweiliger Hosenanzug fürs Büro, der aber nichts mit einer magischen Herrscherin gemein hat. Ganz zum Schluss ihrer Herrschaft erscheint sie kurz in großer indischer Königsrobe, was auch nicht passte. Auch die übrigen Mitwirkenden spielen in modern-nüchterner Kleidung. Die Kostümgestaltung ist beliebig und farblos, ohne kreative Akzente und nimmt damit der Oper einiges von ihrem Zauber.

Andreja Zidaric (Morgana), Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz © Marie-Laure Briane

Händels Alcina erzählt die Geschichte der mächtigen Zauberin Alcina, die auf einer verzauberten Insel lebt. Sie verführt die Männer und verwandelt sie, sobald sie ihrer überdrüssig wird, in Bäume, Tiere und Steine. Ihr aktueller Liebhaber Ruggiero, der unter ihrem Bann seine Verlobte Bradamante vergessen hat. Bradamante, in der Verkleidung ihres Bruders Ricciardo, begibt sich gemeinsam mit ihrem Mentor Melisso auf die Insel, um Ruggiero zu retten. Durch List und die Kraft der Liebe gelingt es ihnen, Alcinas Zauber zu brechen und Ruggiero zu befreien. Auch die verwandelten Opfer werden erlöst und erhalten wieder ihre menschliche Gestalt. Am Ende zerbricht Alcinas magische Welt, und alle kehren zurück in ihre Realität. Diese Realität spiegelt sich auch im Bühnenbild wider. Zum Schluss das Einfamilienhaus, in dem sich alle wohlbehütet einfinden, die perfekte Vorstadtidylle. Dazu passt das Polieren des schicken Autos und die gezeigte Wohlfühlatmosphäre im Einfamilienhaus. Die einst mächtige Königin Alcina selbst ist am Ende obdachlos und kämpft, von lächerlichen Habseligkeiten umgeben, vergeblich hysterisch um die Liebe Ruggieros. Ein fragwürdiges Ende für die mächtige Königin Alcina und zu würdelos. Letztlich wird sie erschossen, um die Ruhe in der Vorstadtidylle wieder herzustellen. Es wird Bier getrunken und gegrillt.

Jennifer O’Loughlin (Alcina), Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz © Marie-Laure Briane

Auch wenn die Inszenierung selbst nicht verzauberte, konnte der musikalische Zauber der Aufführung durch die herausragenden Leistungen der Sängerinnen und Sänger doch noch überzeugen. Besonders die Mezzosopranistinnen Sophie Rennert (Ruggiero) und Monika Jägerova (Bradamnte) sangen ihre Arien hinreißend schön. Alcina, gesungen von Jennifer O’Loughlin bewältige mit einem perfekten Belcanto ihre komplizierten Arien, obwohl hier die Dramatik der Rolle zu kurz kam, was möglicherweise auf die Inszenierung zurückzuführen ist. Melisso, gesungen von Timos Sirlantz muss erst eine Dragqueen sein, (wer weiß wofür, warum?), bevor seine strategischen Ratschläge maßgeblich zum Sturz der Alcina führen. Alcinas Schwester Morgana, Andreja Zidaric singt mit facettenreichem und emotionalem Koloratursopran.  Alcinas eifersüchtiger Liebhaber Oronte, gesungen vom Tenor Gyula Rab und Oberto, der junge Knabe, der so sehr seinen verzauberten Vater sucht, singt die Sopranistin Mina Yu, die dann auch noch ein Coming-out hat als junge Dame (Oberta?).

Die ganze Aufführung wird tänzerisch begleitet. Choreografie Karl Alfred Schreiner. Wie Voodoos interpretieren viele Tänzer und Tänzerinnen das Bühnengeschehen, vor allem die Gefühle, die Träume, das Liebesbegehren, auch die Enttäuschungen und Sehnsüchte. Sie sind viele und tanzen durchgehend, oft akrobatisch, und es ist ein wenig zu viel. Mit ihren schwarzen Kostümen sind sie die begleitenden und interpretierenden Schatten.

Gyula Rab (Oronte), Timos Sirlantzis (Melisso), Jennifer O’Loughlin (Alcina) © Marie-Laure Briane

Unter der musikalischen Leitung von Ruben Dubrovsky wird Händels Alcina mit großer Sensibilität und Einfühlungsvermögen dirigiert. Mit großem Bedacht führte er die Sänger und Sängerinnen durch die Partitur, was etwas auf Kosten des Tempos, der Dynamik der Musik ging. Dennoch bleibt festzuhalten, dass alle Darbietungen insgesamt auf hohem Niveau stattfanden und die Schönheit von Händels Komposition Alcina eindrucksvoll zur Geltung kam.