Muenster, Theater Münster, DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN - Leoš Janáček, IOCO

Muenster, Theater Münster, DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN - Leoš Janáček, IOCO
Theater Münster, Foto: Rüdiger Wölk

Das gute Leben – ein Traum

In Münster gibt Leoš Janáčeks Oper „Das schlaue Füchslein“ Rätsel auf

Von Hanns Butterhof

Leoš Janáčeks späte Oper „Das schlaue Füchslein“ gilt als seine einverständige Huldigung an die allumfassende Natur, an das Leben und den Tod. Am Großen Haus des Theaters Münster hat Regisseurin  Magdalena Fuchsberger skeptisch die Position Janáčeks in Frage gestellt und „Das schlaue Füchslein“ als Traum der Hauptfigur, einem Förster, inszeniert. Aber selbst wer im Programmheft den Abriss der Handlung gelesen hat, hat es nicht leicht, diese auf der Bühne wiederzuerkennen. Die Oper beginnt  durchaus überraschend als Albtraum. Der wohl alte, vielleicht im Sterben liegende Förster (Gregor Dalal) liegt in seinem Bett, umringt von weißbekitteltem medizinischem oder pflegerischem Personal. Dessen Umgang mit dem Patienten ist wenig pfleglich. Wie ein Vampir beißt ihn eine Pflegekraft in den Hals, rüde und anscheinend erfolglos wird er reanimiert. Das Personal des Grauens verschwindet erst mit dem Erscheinen eines großen Fuchses, der den Förster in den Wald lockt; sein Albtraum wandelt sich in einen lichten Traum.

Der Förster geht mit dem Füchslein in den Wald (Gregor Dalal und Adriana Kučerová, Foto: Bettina Stöß,

Als Traum kann Regisseurin Magdalena Fuchsberger die märchenhafte Geschichte vom schlauen Füchslein erzählen. Dramaturgisch zwanglos kann sie sich dabei auf die Ur-Erzählung als Comic von Rudolf Tĕsnohlídek (Text) und Stanislav Lolek (Bilder) beziehen, in dem Tiere sich wie Menschen und Menschen wie Tiere verhalten und die einen das innere Geschehen der anderen spiegeln. Die viel bemühte Drehbühne von Dorothee Curio mit ihren drei Spielorten Wald, Wohnzimmer der Försterei und Lokal ermöglicht nicht nur einen raschen Szenenwechsel und hebt traumgemäß die strenge Ordnung von Raum und Zeit auf, sondern deutet obendrein das ständige Umblättern eines Comic-Heftes an.

So kann der Förster von Teryka träumen, die er einmal im Wald geliebt hat, und die er nun, Siegmund Freud würde sagen unter dem Druck seines Über-Ichs, auf das Füchslein (Adriana Kučerová) verschiebt. Er nimmt es mit zu sich nach Hause, was zur heftigen Empörung seiner Frau (Yixuan Zhu) führt, die den Braten riecht und die ihr vorenthaltene Liebe beklagt. Auch der Chor des Hühnerhaufens begackert aufgeregt, dass der Förster den Fuchs in den Hühnerstall geholt hat; in der herrlich komischen Szene lassen  sich die Hühner, Blondinen in schrillem Fitness-Dress (Kostüme: Dorothee Curio) von dem Füchslein nicht zur Rebellion gegen den nutzlosen Hahn anstacheln oder von der Freiheit erzählen, die das Fuchslein dann für sich wählt und in den Wald entflieht.

Der Fuchs umwirbt das Füchslein ( Wioletta Hebrowska und Adriana Kučerová), Foto: Bettina Stöß

Im Zentrum der Handlung stehen drei Männer mit ihrem falschen Leben. Ihre Schmerzen über das Entkommen des Füchsleins versuchen Förster, Schulmeister und Priester in der Kneipe in reichlich Alkohol zu ertränken. Sie eint ihre ungelebte Liebe zu Terynka, einem Ausbund von Wildheit und Ungebundenheit, die sie nicht loslassen können, allen voran der Förster (Gregor Dalal). Der Schulmeister (Garrie Davislim) konnte sie sich nicht gefügig machen, und der Pfarrer (Kihoon Yoo) hat sein Verlangen unter dem Druck seiner Moral begraben. Im Rausch erfüllt sich dem Schulmeister die Hingabe Terynkas beim Zunicken einer Sonnenblume, während sich der Priester verkniffen mit altgriechischem Bildungsgut noch einmal moralischen Zuspruch für sein Entsagen spendet.

Derweil findet das Füchslein das gute Leben im Wald. Es verscheucht den ehrpusseligen Dachs mit einer sehr obszönen Geste aus dessen Bau  und paart sich dann lustvoll mit einem respekt- und liebevollen Fuchs (Wioletta Hebrowska) mit einer Schar kleiner Füchse als Ergebnis.

Der Förster erkennt sich als Teil der Natur (Gregor Dalal), Foto: Bettina Stöß

Als der Geflügelhändler Háraschta (Johan Hyunbong Choi) dem Förster seine Hochzeit mit Terynka ankündigt, versucht der Förster, das Füchslein mit einer Falle zu fangen. Das misslingt, und mehr zufällig als gezielt wird das Füchslein von Háraschta erschossen.

Während der Hochzeitsfeier von Háraschta und Terynka, mit der ihm sein Traumbild völlig genommen wird, trollt sich der Förster in den Wald. Dort zieht er ein Fuchsfell über und findet angesichts eines jungen Füchsleins zum Einverständnis mit seinem eigenen Leben und Tod. Er erkennt sich hymnisch als Teil der Natur in ihrem Werden, Vergehen und neuem Werden. Als er nach dem Füchslein greifen möchte, greift er ins Leere. Aus dem 1. Rang des Theaters bescheidet ihm ein Junge, dass alles schon lange zurückliegt. Sein Traum vom glücklichen Leben ist zu Ende.

So erzählt klingt die Inszenierung Magdalena Fuchsbergers plausibler, als sie auf der Bühne erfahren wird. Erst die Rekonstruktion aus dem Schluss löst mit dem Rätsel der Anfangsszene auch manche der Handlung auf. Auch lässt er offen, ob er eine Absage an den Traum des Försters in dem Sinne bedeutet, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt. Oder ob er die Aufforderung enthält, den Traum bei allem Unbehagen in der Kultur im Heute weiterzuträumen.

Die des Tschechischen mächtigen Teile des Publikums werden zu würdigen gewusst haben, dass in der Aufführung die Originalsprache des Librettos verwandt wird. Für sie sind die besonderen Betonungen im Tschechischen und die genaue Beachtung ihrer rhythmischen Konsequenzen in der Partitur voll zu genießen. Für das übrige Publikum besteht selbst nach hundert Jahren für Janáčeks Orientierung am Sprechgesang Gewöhnungsbedarf. Zusammen mit dem Verwiesensein auf die Übertitelung hoch über der Bühne fördert das alles nicht die Erfahrung der Oper als ein Ganzes. Projektionen längerer Textstellen aus einem Buch der Autorin Barbara Zeman, die Janáčeks aussagekräftigen Zwischenmusiken zudecken, sind ein echtes Vergehen gegen die Musik , erstaunlich, dass GMD Golo Berg das zugelassen hat.

Der kräftige Schlussbeifall des Premierenpublikums im nicht ganz ausverkauften Haus nach einer erstaunlich kurzen Aufführungsdauer von nur eineinhalb Stunden galt Adriana Kučerová als Füchslein und ihrem Fuchs-Partner Wioletta Hebrowska, deren Liebesduett ein Höhepunkt der Auführung war. Er galt zudem Gregor Dalal, der mit variablem Bariton seine anstrengende Rolle meisterte, dem von Rita Storck-Herbst und Jörg von Wensierski einstudierten Theaterkinderchor Gymnasium Paulinum sowie dem von Anton Tremmel einstudierten Chor und Extrachor des Theaters. Vor allem galt er dem Sinfonieorchester Münster, das unter dem Dirigat von Golo Berg die vielen Farben der Partitur zum Leuchten brachte.

 

Die nächsten Termine: 17.4., 20.5., 11., 21 und 28.6. sowie 5.7., jeweils um 19.30 Uhr. Am 27.4. um 16.00 Uhr.

 

 

 

 

 

 

 

 

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