Münster, Theater Münster, Romeo und Julia von Sergej Prokofjew, IOCO Kritik, 09.11.2016
Kein Gott steht den Liebenden bei
Tanztheater: Hans Henning Paars pessimistische Version von „Romeo und Julia“ begeistert
von HANNS BUTTERHOF
Am Anfang steht ein eindrucksvolles Bild der Vergeblichkeit. Zeitlupenartig verlangsamt rennt Keelan Whitmore als Pater Lorenzo auf der Stelle. Er wird nicht rechtzeitig ankommen, um das Unheil aufhalten zu können, das über Hans Henning Paars pessimistischer Version des Ballettklassikers „Romeo und Julia“ am Großen Haus des Theaters Münster liegt.
Paar erzählt die Shakespeare-Tragödie der beiden Liebenden aus den verfeindeten Familien der Capulets und Montagues zur life gespielten Musik Sergej Prokofjews schnörkellos in klaren Bildern als fulminantes Handlungs-Tanztheater. In dynamischen Ensembleszenen kämpfen die jungen Männer der beiden Parteien athletisch mit Kampfsportgesten und wirbelnden Pirouettenflügen miteinander. Und zur schleppenden, düster grundierten Musik des Maskenballs bei den Capulets tanzt das von Anna Siegrot phantasievoll kostümierte Ensemble wunderbar zeremoniell einen grausigen Totentanz.
Einzelne Figuren sind klar konturiert wie der Mercutio Alessio Sannas, ein witzig eleganter Draufgänger mit tollen Sprüngen, oder der kantige, engherzige Kraftprotz Tybalt (Adam Dembczynski), der Mercutio im gnadenlosen Kampf tötet. Ihn rächt der erst noch versöhnungswillige Romeo in hemmungslos aufflammender, brutaler Wut.
Der Romeo Mirko De Campis ist anfangs ein noch etwas verspielter junger Mann. Erst himmelt er oberflächlich eine Video-Schönheit an. Dann aber umflattert er auf dem Maskenball verliebt die kleine weiße Elfe, von der er noch nicht weiß, dass sie Julia ist.
Was offenbar beide anzieht, ist ihr Gefühl, nicht richtig dazuzugehören. Romeo gehört als Montague sowieso nicht auf einen Ball der Capulets, und aufmüpfig hatte sich Julia (Maria Bayarri Pérez) schon vorher anhaltend ihrer Kostümierung verweigert. Sie will nicht so angepasst sein wie ihre überdrehte Mutter, die Elizabeth Towles völlig extrovertiert und beständig an ihrer Figur herumkorrigierend sehenswert karikiert.
Ganz in sich gekehrt tanzen dann De Campi und Maria Bayarri Pérez ihre Liebesszene losgelöst und vertrauensvoll, bevor es es in schnellen Schritten auf das tragische Ende zugeht.
Wie Stefan Veselka mit dem Sinfonieorchester Münster in der mitreißenden Musik Prokofjews, so unterstreicht Paar die Unausweichlichkeit dies unheilvollen Endes durch die bedrohliche, wie mit rostigen Schleusentoren umbaute Einheitsbühne Anna Siegrots. In dieser Welt, für die sich wohl Gott in Gestalt eines von Paar hinzuerfundenen Bühnenarbeiters (Tomasz Zwoniak) nicht interessiert, haben Individualität und Liebe keine Chance. Der wohlmeinende Pater Lorenzo wird immer zu spät kommen. Von Hanns Butterhof
Theater Münster, Tanztheater Romeo und Julia: Die nächsten Termine: 11.11. und 16.12., jeweils 19.30 Uhr, am 26. und 31.12.2016 um 19.00 Uhr.
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