Münster, Theater Münster, Entführung aus dem Serail - Wolfgang A. Mozart, IOCO Kritik, 08.06.2019
Entführung aus dem Serail - für junge Leute
- Ein Loblied aufs Kleine Glück -
von Hanns Butterhof
An Münsters Großem Haus hat Philipp Kochheim Mozarts Singspiel Die Entführung aus dem Serail in einer sehr heutigen Fassung inszeniert. Er kommt ohne Orientfolklore aus, vermeidet die Idealisierung der Treue und kommt so einem jungen Publikum entgegen, das über Mozarts Musik die Ungereimtheiten der Handlung verzeiht.
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Die Einheitsbühne hat Emily Bates als in schickem Weiß gehaltenes Luxusappartement mit moderner Kunst gebaut. Nur die wuchtige Beton-Architektur erinnert von fern an ein ausbruchssicheres Gefängnis.
Es ist die Wohnung des schwerreichen Bassa Selim (Dirk Schäfer), in der er Konstanze (Marielle Murphy) ein Leben in Saus und Braus bietet. Dafür hat sie ihren weniger betuchten Verlobten Belmonte (Youn-Seong Shim) verlassen. Wenn sie sich auch ziert, sobald der smarte Selim sie mit einem Liebeslied umwirbt, gibt sie ihm nach. Mit im Haus leben als Gäste der bebrillte Student Pedrillo (Pascal Herington), der machomäßig mit der spassorientierten Blonde (Martha Eason) so umspringt wie sie mit dem Sicherheitschef Osmin (Christoph Stegemann), den sie Zärtlichkeit und Schmeicheln lehrt.
Als Belmonte durch einen Lüftungsschacht einbricht und wie durch ein Wunder nicht von Osmin erschossen wird, braucht Konstanze einige Zeit, bis sich sich für das kleine Glück mit ihn entscheidet und dafür, Selim zu verlassen; ihrer Freude Tränen fließen spät. Mit ihnen verlassen Pedrillo und Blonde, die noch schnell von Osmin in den Kulissen vergewaltigt wird, das Luxusleben. Selim verbirgt Schmerz und Enttäuschung unter einem coolen Spruch, verrät sich aber, als er allen Ausdruck seines Reichtums und der Erinnerung an Konstanze auf einem Scheiterhaufen in Brand setzt.
Das ist in den schicken Kostümen Mathilde Grebots und einer sehr heutiger Sprache flott erzählt. Die Musik Mozarts hält ein junges Publikum dafür schadlos, dass die Arientexte nicht recht zur Bühnenhandlung passen. Sie handeln von Schmerz und Marter, gar von der Wonne gemeinsamen Sterbens, für gestrenge Liebhaber der „Entführung“ gilt da: Augen zu und durch.
Denn gesungen wird erfreulich. Youn-Seong Shim beeindruckt mit lyrischem Tenor, glänzenden Höhen und sorgfältig ausgesungenen Koloraturen. Marielle Murphys schlanker, zum Tremolieren neigender Sopran gefällt durch Koloraturensicherheit und klare Höhen. Martha Eason steht ihr gesanglich nicht nach und ist auch darstellerisch von beeindruckender Beweglichkeit. Christoph Stegemanns profunder Bass gibt Osmin die männliche Würde auch gegen die Späße, die Pascal Herington als Pedrillo auf seine Kosten macht.
Mit dem Sinfonieorchester Münster findet Stefan Veselka einen manchmal etwas rauhen, in den Arien aber ruhig fließenden und in längeren Bögen ausgespielten weichen Mozart-Ton. Das Tempo ist flott und fordert in manchem Duett die Sänger bis an die Grenze ihrer Artikulationsfähigkeit. Großer Beifall vor allem des jungen Teils des Publikums für Veselka, sein Orchester und das Ensemble nach zweieinhalb kurzweiligen Stunden.
Die Entführung aus dem Serail, die nächsten Termine: 12., 14., 21. und 25.6.2019, jeweils 19.30 Uhr
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