Münster, Theater Münster, Der Freischütz von Carl Maria von Weber, IOCO Kritik, 01.04.2017
Ein Hoffnungsfunke in einer Welt der Düsternis
Romantik - kritischer Freischütz im Theater Münster
VON HANNS BUTTERHOF
Eine riesige umgestürzte Eiche liegt dominierend auf der Bühne des Großen Hauses, ein gewaltiges Symbol der Entwurzelung. Doch dann führen Regisseur Carlos Wagner und sein Ausstatter Christophe Ouvrard mit Carl Maria von Webers romantischer Oper „Der Freischütz“ in eine düstere, tief im magischen Denken verwurzelte Welt.
Die Jäger, die sich stolz mit ihrer ausgeweideten Beute fotografieren lassen, leben nach sehr alten Sitten. Da wird der Jägersbursche Max (Mirko Roschkowski), der beim Königsschießen alles verfehlt hat, brauchgemäß kurzerhand zusammengeschlagen und wie erlegtes Wild gefesselt. Der sucht sein Schützenheil bei seinem übel beleumundeten Kollegen Kaspar (Gregor Dalal), der ihm mit Hilfe des Waldgeistes Samiel (Sebastian Campione) unfehlbare „Freikugeln“ verschafft; nach einem Schluck Zaubertrank würgt er sieben davon schaurig aus sich heraus.
Max braucht sie, weil seine Zukunft als Mann der Försterstochter Agathe (Sara Rossi Daldoss) von dem alten Brauch des gelungenen Probeschusses abhängt. Nur wenn er das von seinem Landesherrn willkürlich gebotene Ziel trifft, darf er Agathe heiraten und Nachfolger im Amt des Försters werden.
In dieser von nicht hinterfragbaren Bräuchen geordneten Welt ist nur Agathes resolute Freundin Ännchen (Eva Bauchmüller) mit unverschwurbeltem Lebensmut der kleine Funken Hoffnung auf den Ausgang aus der allgemeinen Unmündigkeit. Zwar rettet der fromme Einsiedler (wie Samiel: Sebastian Campione) den des Betrugs überführten Max vor der freihändig verfügten Strafe des Landesherrn. Aber er verändert nichts, sondern ersetzt nur den heidnischen Glauben an höhere, das Schicksal bestimmende Mächte durch den christlichen.
Für seine kritische Sicht auf die romantische Verklärung von Nacht, Mittelalter und Christentum findet Wagner auf der effektvoll eingesetzten Drehbühne ansprechende Bilder von schaurig-schöner Düsternis, die aber die These der Entwurzelung nicht bestätigen.
In dem gleichmäßig gut besetzten Ensemble singt Mirko Roschkowski den Max klar, unheldenhaft und rollengemäß ohne Wärme. Zu der überängstlichen Agathe, die Sara Rossi Daldoss mit weich fließendem Sopran ausstattet, findet er keine wirkliche Nähe wie auch zum dominant dämonischen Kaspar Gregor Dalals. Die einzige Sympathieträgerin der düsteren Aufführung ist die koloraturfreudige und auch darstellerisch einnehmende Eva Bauchmüller. Der von Inna Batyuk einstudierte Chor glänzt durch stimmliche Wucht und Beweglichkeit.
Am Pult des Sinfonieorchesters Münster macht Stefan Veselka nicht nur die schwarzen Seiten der Romantik in Webers Partitur, sondern auch die Sehnsucht und zarte Liebe hörbar, die auf der Bühne etwas kurz kommt.
Der Freischütz im Theater Münster: Die nächsten Termine: 7.4., 28.4., 3.5., 30.5.2017 jeweils 19.30 Uhr
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