Münster, Museum für Lackkunst, Des japanischen Mannes Zier - Ausstellung, IOCO Aktuell, 04.12.2019
Des japanischen Mannes Zier - Ausstellung im Lackmuseum
- Männer machen Mode -
von Hanns Butterhof
Das Museum für Lackkunst ist eine der glänzendsten Perlen in der Kette der Münsterschen Museen. Das klassizistische, um die vorletzte Jahrhundertwende errichtete Stadtpalais an der Windthorststraße enthält eine weltweit einzigartige Sammlung von Lackkunst aus zwei Jahrtausenden aus Ostasien, Europa und der islamischen Welt. Unter Lackkunst sollte man sich nicht etwas derart Unspektakuläres wie lackierte Kotflügel vorstellen, wie es die 2015 nicht unproblematisch von dem Künstler Christian Ring angeregte Rot-Lackierung der Freitreppe zum Haupteingang des Museums nahelegt. Vielmehr besteht die Sammlung aus äußerst kunstvoll mit Lack überzogenen Gegenständen, die vom mächtigen Schreibsekretär, den eine Landschaft mit Blumen und Vögeln ziert, bis zur kleinen Schnupftabakdose mit Schwarzlack reichen.
Über 100 bewundernswerte "Inro" im Museum für Lackkunst Münster
Der Grundstock des Museums stammt aus dem ehemaligen Kölner Herbig-Haarhaus-Lackmuseum, das 1968 mit der Übernahme der Lackfabrik Herbig-Haarhaus in den Besitz der BASF überging; 1982 wurde als wertvolle Ergänzung die Lackkunst-Sammlung aus dem Privatbesitz von Dr. Kurt Herberts dazugekauft. Die nun mehr als 2000 Objekte fanden 1993 im Gebäude an der Windthorststraße 26 mit einer Bücherei von über 4500 Büchern zur Lackkunst ihr Zuhause. Träger des Museums ist der Unternehmensbereich Coastings der BASF in Münster.
Die aktuelle Ausstellung Männer machen Mode. Inro aus der Sammlung des Museums für Lackkunst, zeigt über 100 Stapelkästchen mit bewundernswerter Lack-Kunst aus Japan.
In sechs Räumen seines Untergeschosses zeigt das Museum für Lackkunst 108 Inro, meist handygroße lackierte Behältnisse, in denen der bessergestellte japanische Mann voriger Jahrhunderte sein persönliches Siegel und gegebenenfalls Arzneimittel bei sich trug. Es sind Stapelkästchen mit einer unterschiedlichen Zahl von Fächern, die eine Schnur seitlich miteinander verbindet. Ein kleiner Schieber strafft die Schnur und verhindert so, dass sich das Inro ungewollt öffnet. Ein Knebel an ihrem Ende, das phantasievoll geschnitzte netsuke, liegt oberhalb des Kimono-Gürtels auf, wirkt als Gegengewicht zum Inro und hindert es am Herunterrutschten.
Das Inro war aus der Not geboren, da der traditionelle Kimono keine Taschen hatte, um die Gegenstände des täglichen Gebrauchs zur Hand zu haben. Aus der Not machten die Männer rasch eine modische Tugend, und zwischen dem 16. bis 19. Jahrhundert avancierte das Inro, gut sichtbar am Gürtel des Kimonos getragen, in den gehobenen Kreisen zum Statussymbol.
Möglich wurde das durch ein symbiotisches Zusammenspiel von Kunden und Künstlern. Das Inro bot darauf spezialisierten Künstlern und Werkstätten Gelegenheit, auf seiner kleinen Oberfläche ihr ganzes Können zu zeigen. Die mit großer Virtuosität eingesetzten komplizierten Lack-Ziertechniken trieben nicht nur einen modischen Wettkampf voran. Mit der Wahl des Dekors präsentierte der Träger auch eine Art intellektueller Visitenkarte, die sein Wissen um den nationalen kulturellen Kanon zum Ausdruck brachte; kleinste Hinweise wie die Kopfbedeckung einer Frau oder der Fächer vor einem Gesicht riefen gedanklich ganze Erzählungen hervor. Die künstlerische Umsetzung dieser bekannten Geschichten, der Symbole und die Qualität der Ausführung waren Gegenstand gepflegter Gespräche.
In der Ausstellung Männer machen Mode ergreift noch heute die kulturelle Aura, die um die Inro herrscht. Die Kunstfertigkeit der Ausführung, die Vielfalt der Motive und ihrer symbolischen Bedeutung, die inspirierende Anregung, die davon ausgeht, ist einfach bewundernswert. In das Staunen über diesen intakten kulturellen Kosmos mischt sich leise die Trauer um seinen Verlust wie auch den des europäischen Gedankenkreises durch die aufkommende Moderne im Beginn des 20. Jahrhunderts.
Die Ausstellung zeigt thematisch gruppiert Inro verschiedener Größe, Materialität und Oberflächengestaltung bis hin zu Imitationen von Stein oder Metall. Sie führt zu Dynastien von Kunsthandwerkern und einzelnen Meistern wie Koma Yasutada (+ 1715), die ihre Werke sogar signierten. Und sie zeigt und erläutert umfassend die Bildsprache der Inro. So steht etwa die häufige Chrysantheme nicht nur für den Herbst, sie ist auch mit Unsterblichkeit und Vollkommenheit verbunden, da sie blüht, wenn die anderen Blumen schon welken; ein Inro mit diesem Motiv wurde gerne verschenkt, um damit dem Träger ein langes Leben zu wünschen. Oder ein alltägliches Gatter beschwört das ganze damals zum kulturellen Bestand gehörende „Gedicht von der Heimkehr“ des chinesischen Dichters Tao Yuanming (365 – 427) herauf. Für die Besucher ist es hilfreich, dass ein kleines Büchlein zur Ausstellung detailliert jedes einzelne Exponat erläutert.
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Die beglückende Ausstellung Männer machen Mode im Museum für Lackkunst Münster dauert noch bis 2. Februar 2020.
Ein reich bebilderter, 232 Seiten starker englischsprachiger Katalog, Japan in miniature, kostet an der Museumskasse 29.00 €.
Öffnungszeiten: Dienstags 12.00 - 20.00 Uhr, mittwochs bis sonntags, sowie an gesetzlichen Feiertagen 12.00 - 18.00 Uhr.
Eintrittspreis: 3,00 €, darin ist die Sonderausstellung enthalten. Dienstags freier Eintritt, der auch den Zutritt zur Sonderausstellung einschließt. Eine Führung durch die Sonderausstellung wird dienstags um 17.30 Uhr zum Preis von 5,00 € angeboten.
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