München, Theater am Gärtnerplatz, Musical Gefährliche Liebschaften von Marc Schubring, 26.02.2015
Staatstheater am Gärtnerplatz München
Liebe macht schwach, Liebe macht dumm
Das wunderbare Münchner Cuvilliéstheater als Ersatzspielstätte des Theater am Gärtnerplatz atmet leibhaftig die Aura des Barock. Besuchern des im Barockzeitalter angelegten Musicals Gefährliche Liebschaften gibt allein schon die Spielstätte viel Authentizität.
Vorstellungen: 27.02.2015; 28.02.2015; 2.03.2015; 3.03.2015; 4.03.2015; 5.03.2015; 6.03.2015; Beginn jeweils 19.30 Uhr
1782 entstand das Großwerk der französischen Literatur, Les Liaisons dangereuses, als Briefroman im 18. Jahrhundert, eher zufällig. Ein gelangweilter Artillerieoffizier, Pierre Ambroise-Francois Choderlos de Laclos (1741 – 1803), schrieb es. Sein Wunsch, Außergewöhnliches zu Papier zu bringen, etwas, das ihn weit über seinen Tod hinaus überleben sollte. Herrmann Hesse schrieb zu diesem Buch, „unter den erotischen, gesellschaftskritischen Romanen des französischen 18. Jahrhunderts vielleicht der klügste, kühlste, unsentimentalste. Literarisch und psychologisch glänzend.“
Um 1800 war dies Buch ein literarischer Skandal. Noch heute gilt es als anregend, wenn auch nicht mehr aufregend. Alles dreht sich darin um Sex, Liebe, das große Abenteuer, Intrigen in der besseren französischen Gesellschaft und den Adligen. Les Liaisons dangereuses, Gefährliche Liebschaften wurde mehrfach erfolgreich verfilmt; 1988 mit Michelle Pfeiffer und John Malkovich. Auch Theaterstücke entstanden um diesen Roman und nun, erstmals und für das Gärtnerplatztheater, ein Musical.
Komponist Marc Schubring und Librettist Wolfgang Adenberg schufen als Auftragswerk des Gärtnerplatztheaters mit "ihren" Gefährliche Liebschaften ein modern mitreißendes Musical. Schubring ist in dem Fach erfahren: Die Musicals Cyrano de Bergerac, Emil und die Detektive, Der Mann, der Sherlock Holmes stammen von ihm. Den ersten Akt von Gefährliche Liebschaften beherrschen musikalisch konflikt-verheißende, dramatische Dissonanzen mit Pauken, und Blasinstrumenten (leider oft zu Lasten der Textverständlichkeit). Der zweite Akt ist dagegen geschmeidig und harmonisch mit einigen sehr schönen Songs. Er begleitet bis zum doch dramatisch, konfliktbeladenm Ende, die Handlung romantisch, sentimental, zart.
Schon der Beginn des Musiclas, das erste Bild frönt bereits dem Sex: Gestöhnte Lust, von Pauken untermalte Stoßbewegungen, auch einen Orgasmus erlebt man „live“!. Innige Liebe ist nur wenig spürbar. Den vielfältigen körperlichen Trieben wird sichtbar freier Lauf gelassen (Dramaturgie Michael Otto). Der Vicomte de Valmont (Armin Kahl) ist Verführer schlechthin; er sieht seine Frauen als Sex-Objekte und versteht es, in ihnen sexuelle Begierde zu wecken. Kahl verkörpert den verführerischen Liebhaber mit authentisch erotischer Ausstrahlung. Seine große Musicalstimme, sein „Allmächtig“, ist sein dazu passendes „Handwerkszeug“.
Eine seiner ex-Geliebten, die Maquise de Merteuil, wunderbar gespielt, gesungen von Anna Montanaro, verführt Valmont zu einer Wette: „Es würde ihm nicht gelingen, die tugendhafte und fromme Madame de Tourvel zu verführen“. So wächst die Marquise de Merteuil zur eigentlichen Herrscherin der Beziehungsgeflechte des Musicals. Gefühlskalt, ihrer Wirkung bewusst, manipuliert sie die Schicksale all ihrer Freunde, meist zu deren Unglück.
Gerade einem Kloster entstiegen schwelgen Cécile de Volanges (Anja Haeseli) und ihr Verehrer und Musiklehrer, der Chévalier de Danceny (Florian Peters) in jungen, unschuldigen Gefühlen. Danceny´s wunderschönes Liebeslied für seine Cecile und ist ein romantischer Höhepunkt des Musicals. Doch auch hier weichen Konflikt-steigernd die Liebesschwüre den körperlichen Trieben: Der notorische Verführer Valmont dringt nachts in das Zimmer der romantischen Cécile, welche prompt seinen Avancen erliegt.
Die Marquise de Merteuil singt wissend und stark die Botschaft des Musicals: „Liebe macht uns schwach, Liebe macht uns dumm“. Folgerichtig verfällt die mit ihren Gefühlen ringende Tourvel dem großen Verführer Valmont. Julia Klotz ist als Madame de Tourvel die sensibel überzeugende Gegenspielerin der Marquise de Merteul. Mit hellen Sopran und starker schauspielerischen Leistung erweckt sie großes Mitgefühl. Schön ihr Duett mit Valmont: „Stark wie der Tod ist die Liebe“. Valmont nun erstmals wahre Liebe empfindend, führt auch sie in den Untergang: Eigene Gefühle nicht verstehend, wie gewohnt als routinierter Verführer handelnd, verläßt er Tourvel und führt damit sich und sein Umfeld ins Verderben….. Doch die Gesellschaft bleibt sich treu, einzelne Erfahrungen ändern wenig, das große Spiel um Sex und Triebe geht weiter.
Das großartige Ambiente des Cuvilliéstheater bietet die ideale Kulisse für dies Rokoko-Musical. Alfred Mayerhofer schuf prachtvolle, in die Zeit des Barock passende Kostüme. Sie geben in ihrer Farbenprächtigkeit und Vielfalt der Handlung das entsprechende Flair. Josef Köpplinger und der erfahrene choreografierende Co- Regisseur Adam Cooper aus dem Londoner Westend haben eine spannende und wirkungsvolle Inszenierung hingelegt. Die ganze Handlung war stets im Fluss, die Drehbühne des Theater bot der Choreographie zahlreiche gut genutzte Möglichkeiten. Das Bühnenbild von Rainer Sanell war klug gewählt: Ein schwarzer Hintergrund und über allem ein riesiger, verstellbarer Spiegel verleihen den zahlreichen erotischen Szenen Lebensnähe. Dazu eine Treppe mit Balustrade im Vordergrund stützen Handlung, Konflikten und Liebesträumen einem lebendigen optischen Rahmen.
Das Publikum im ausverkauften Cuvilliéstheater feierte Gefährliche Liebschaften als moderne Musical-Produktion. Intendant Köpplinger brachte mit spannender Regie und Chroreographie die allerdings teilweise etwas penetrante Laszivität der Handlung mitreißend auf die Bühne.
IOCO / D. Zimmermann / 26.02.2015
Weitere Vorstellungen: 27.02.2015; 28.02.2015; 2.03.2015; 3.03.2015; 4.03.2015; 5.03.2015; 6.03.2015; Beginn jeweils 19.30 Uhr
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