München, Staatstheater am Gärtnerplatz, Uraufführung Frau Schindler, IOCO Kritik, 14.03.2017
Staatstheater am Gärtnerplatz München
Uraufführung: Frau Schindler
"Die Frau aus dem Schatten"
Musik Thomas Morse, Libretto Kenneth Cazan mit Thomas Morse
Von Daniela Zimmermann
Alle kennen den großen Film Schindlers Liste von Steven Spielberg. Welch eine Geschichte über einen Mann, der im Zweiten Weltkrieg rund 1.300 Juden durch die Beschäftigung in seinen Rüstungsbetrieben das Leben rettete! Und doch besitzt dieser Film einen Makel: Keinen Platz gibt es darin für die ebenso couragiert wie aufopfernd agierende Frau Schindler. Held ist ganz allein der "Judenretter" Oskar Schindler. Erstaunlich, denn selbst Oskar Schindler schreibt schon 1957 in seinen Memoiren: “...darüber hinaus will ich hervorheben, dass, wo immer es Not tat, sich meine Frau schützend vor die bedrohten jüdischen Häftlinge stellte und mit furchtlosem, schnellen Entschluss manchem Häftling Leid ersparte. Ihre Verachtung für die SS und die Gestapo war so groß wie die meine."
Oskar Schindler stand immer im Licht, sie in seinem Schatten, zum Schluss ward sie vergessen. Dabei hatte sie gemeinsam mit ihrem Mann ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um Menschenleben zu retten. Prof. Erika Rosenberg-Band, in Buenos Aires geboren, wurde durch Fügung des Schicksals zur engen Freundin von Emilie Schindler. Ihr erzählte diese die Geschichte ihres Lebens. Rosenberg-Band veröffentlichte die Erzählungen von und mit Emilie und Oskar Schindler in mehreren Büchern.
Komponist Thomas Morse war von dem Film Schindlers Liste begeistert: Doch ihn störte über alle Maßen, dass Frau Schindler in dem Film nicht erwähnt wurde. Thomas Morse ist Amerikaner und Komponist für Filmmusik. Frau Schindler ist seine erste Oper. In Europa, wo die Wurzeln der Geschichte beheimatet sind, wollte er sie uraufgeführt wissen. Intendant Josef E. Köpplinger erfüllte diesen Wunsch. So entstand die Oper Frau Schindler eigens für das Gärtnerplatztheater.
Das Libretto von Kenneth Cazan und Thomas Morse, umgesetzt ins Deutsche von Michael A.Rinz. Die Oper bewegt sich in Rezitativen, im Sprechgesang. Die Konzentration der Besucher orientiert sich am Dialog der Sänger; die Musik wird nur wenig wahr genommen. Doch in einer zentralen Szene zum Ende der Oper dominiert die Musik: An der Schweizer Grenze, eine Gerettete setzt sich in einer dramatischen Arie vehement wie ergreifend für die Schindlers ein. Dirigent Andreas Kowalewitz, konnte sich durch die dialoggetriebene Komposition nur wenig entfalten.
Die Dialoge sind inhaltsreich und verlangten von den Sängern höchste Konzentration. Katarina Hebelkova singt und verkörpert mit ihrem Mezzospran hervorragend die Emilie Schindler. Mittelpunkt ihres Lebens ist ihr Mann und ihre Liebe Oskar. Sie ist seine absolute Stütze in diesen verheerenden Kriegszeiten, auf die er bauen und sich stets verlassen kann, vor allem, wenn es um die Fürsorge der jüdischen Belegschaft geht. Frau Hebelkova gelingt diese Wiedergabe in allen Facetten hervorragend. Mathias Hausmann singt mit kräftigem Bariton den Oskar, den Bonvivant, den untreuen Ehemann, den Nazi und den Judenretter, eine zwiespältige Persönlichkeit .Auch er bewegt sich in seiner Rolle flexibel und in seiner Zwiespältigkeit authentisch gut. Auch die anderen Mitwirkenden sind erstklassig, allen voran Elaine Ortiz Arandes, sowie Jennifer O’Loughlin und Fraces Lucey.
Die Geschichte beginnt in Krakau. Emilie leidet unter den ständigen Eskapaden und Lügen ihres treulosen Ehemannes. Ihm aber gelingt es immer wieder mit seinem umwerfenden Charme nicht nur seine Frau, sondern auch seine Nazifreunde um den berühmten kleinen Finger zu wickeln. Kernstück sind die jüdischen Arbeiter seiner Munitionsfabrik. Nachdem Krakau zu unsicher wurde, organisiert Oskar den Umzug in eine Fabrik nach Brünnlitz. Seine jüdischen Arbeiter nimmt er alle mit, sie ziehen mit um und dadurch entsteht die berühmte Liste, die 1300 Juden das Leben rettet. Auch Emilie begibt sich voller Verantwortung und voll des Einsatzes für die rettende Aufgabe nach Brünnlitz.
Inszeniert ist die Oper realistisch, naturalistisch, konventionell. Kevin Knight bedient die Nazi - Klischees vielleicht etwas kräftig, doch ist das Bühnengeschehen dadurch wahrlich ergreifend. Die Kostüme zeichnen die Zeit der 30er Jahre; die Juden grau in grau und zum Teil mit Judenstern; Nazi Offiziere marschieren in schicken Uniformen mit Hakenkreuz auf Armbinden. Selbst das damalige Dauernahrungsmittel Kohl wurde auf der Bühne angeboten.
Man ist in der Oper leider überrascht zu hören, dass der Krieg nach der verlorenen Schlacht bei Stalingrad beendet gewesen sei. Schön wäre es gewesen, aber so war es nicht und gehört korrigiert. Noch einmal ist man erstaunt zu hören, dass die amerikanische Zone in der Schweiz beginnt. Die Oper, die auf Tatsachen beruht, sollte geschichtliche Fakten korrekt wiedergeben. Nach Kriegsende retten sich die Schindlers mit anderen Juden in Richtung Süddeutschland. Er wanderte dann nach Argentinien aus. 1957 zahlt Deutschland eine Entschädigung für verloren gegangene Güter an Nazigeschädigte. Dafür war die Anwesenheit in Deutschland erforderlich. Oskar nutzte diese Gelegenheit an Geld zu gelangen; seine Frau verließ er danach mittell- und skrupellos. Mit Oskar Schindlers Verlassen seiner Frau Emilie und dem Elend zum Ende ihres Lebens endet die Oper.
Thomas Morse hat mit der Oper Frau Schindler, auch wenn historische Fakten noch verbessert gehören, einer großen Frau, der unser ganzer Respekt gehört, ein musikalisches Denkmal gesetzt. Auch relativiert die Oper die menschliche Größe des "Filmhelden" Oskar Schindler. Eine spannende wie emotional ergreifende Oper.
Frau Schindler in der Reithalle: Weitere Vorstellungen 15.3.2017, 17.3.2017, 19.3.2017
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