München, Bayerische Staatsoper München, Premiere LUCIA DI LAMMERMOOR, 26.01.2015
Premiere 26. Januar 2015:
Lucia di Lammermoor von Gaetano Donizetti
Libretto von Salvatore Cammarano nach dem Roman The Bride of Lammermoor von Walter Scott In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln | Neuproduktion.
Weitere Vorstellungen Lucia di Lammermoor: 29. Januar 2015; 1.02.2015; 5.02.2015; 8.2.2015; 11.02.2015; 22.07.2015, 25.07.2015.
Barbara Wysocka hält Oper für die zeitgenössischste aller Künste. Für Wysocka ist die Hauptfigur in Lucia di Lammermoor kein prädestiniertes Opfer: „Ich sehe sie als starke Frau, die versucht, sich aus einem Netz, in dem sie gefangen ist, zu befreien. Lucia ist ein Opfer der von Männern dominierten Gesellschaft, will sich aber von dieser Opferrolle befreien und kämpft dagegen an. Eine Lucia, die kein Opfer sein will, kann spannend sein: Dann beobachten wir einen Kampf ums Leben. Dieser Kampf endet mit dem Tod, der in diesem Fall Befreiung bedeutet.“ Lucias physischer und psychischer Verfall gipfelt in ihren Wahnsinns-Attacken, die für Wysocka nicht einfach subjektiver Ausdruck einer einzelnen Figur, sondern die Spiegelung von einhundertjähriger Familiengeschichte und -politik sind.
Wysocka rückt in ihrer Interpretation besonders das Verhältnis zwischen Macht und Liebe ins Schlaglicht, da der Stoff für sie genauso Politdrama wie Liebesgeschichte ist. Die zentrale Verknüpfung von Politik und Liebesskandal führte sie bei ihrer Auseinandersetzung mit Lucia di Lammermoor zur Familiengeschichte der Kennedys. In ihrer Inszenierung spielt die amerikanische High Society der 1950er und 1960er Jahre eine wesentliche Rolle: „Die fünfziger und sechziger Jahre sind in unserer Gesellschaft die Zeit eines großen sittlichen Konfliktes und einer weitreichenden Verlogenheit – und die Kennedys sind hier ein gutes Beispiel.“ Motive wie Glamour, Macht, Lügen sowie erzwungene Ehen spielen in beiden Familiengeschichten folgenschwere Rollen und werden so zum Angelpunkt zwischen Lucia di Lammermoor und der Familie Kennedy.
Wysockas Lucia di Lammermoor spielt im Ballsaal eines verlassenen und halbverfallenen amerikanischen Grandhotels. Das Bühnenbild zeigt einen verwüsteten Raum voller Vergangenheit, in dem einst die Society verkehrte, Bälle und Gesellschaften stattfanden. Von Anfang ist das tragische Ende der Geschichte für den Zuschauer präsent – für Lucia und ihren Liebhaber Edgardo kann es keinen Ausweg, kein Happy End geben. Dabei legt die Regisseurin auch großen Wert auf die Rolle des Publikums, das zum passiven Zeugen einer grausamen Geschichte wird: „Die Zuschauer beobachten, wie das Schicksal die Figuren frisst.“
Die polnische Regisseurin gehört zu den kreativsten jungen Theaterkünstlern in Europa. 1978 geboren, studierte sie zunächst Violine an der Staatlichen Hochschule für Musik in Freiburg und dann Regie und Schauspiel an der Theaterhochschule Krakau. An den Münchner Kammerspielen erarbeitete Wysocka im Jahr 2012 Woyzeck/Wozzeck nach Georg Büchner und Alban Berg; weiterhin inszenierte sie am Warschauer Opernhaus Philip Glass’ Kammeroper The Fall of the House of Usher (2009) sowie Eugeniusz Knapiks Moby Dick (2014).
Mit Gaetano Donizettis Lucia di Lammermoor präsentiert die Bayerische Staatsoper Kirill Petrenkos erstes Premierendirigat der Saison. Für die Inszenierung zeichnet die polnische Regisseurin Barbara Wysocka verantwortlich. Diana Damrau singt die Titelpartie, an ihrer Seite ist Pavol Breslik als ihr Geliebter Edgardo di Ravenswood zu erleben.
Für Generalmusikdirektor Kirill Petrenko ist die Premiere von Lucia di Lammermoor die erste Auseinandersetzung mit einem Bühnenwerk des Belcanto. An diesem Werk fasziniert ihn vor allem die Vielschichtigkeit der Partitur, die trotz aller Dramatik doch nicht nur düster ist: „Bei aller dramaturgischen Tiefe und allen katastrophalen Wendungen der Handlung macht die Musik Hoffnung – dieser Wohlklang, der noch die schlimmsten Begebenheiten abfedert, ist ein geradezu Mozart’scher Zug in diesem Werk.“ Die besondere Herausforderung stellt für Petrenko vor allem die Flüchtigkeit der eigenhändigen Partitur Donizettis dar: „Diese Niederschrift wirft viele Fragen auf. Manchmal ist der Notentext nicht eindeutig, Begleitfiguren sind abgekürzt oder nur skizziert, andere Passagen gestrichen und revidiert.“ Die Petrenkos Interpretation zu Grunde liegende kritische Edition (von Gabriele Dotto und Roger Parker, Ricordi) „versucht unter Einbeziehung einer großen Zahl zeitgenössischer Quellen auf alle diese Fragen einen Antwort zu geben. Das Spannende ist in diesem Fall, dass wir uns nicht auf die Lösungen der Herausgeber zu verlassen, sondern diese Stellen selbst abzuwägen haben und, weil im Autograph eben oft die letzte Konsequenz fehlt, hier eigene Entscheidungen treffen können und müssen.“
Koloratursopranistin Diana Damrau ist in der Partie der Lucia in einer ihrer Paraderollen zu erleben. Seit ihrem Rollendebüt an der New Yorker Met 2008 kehrt sie immer wieder zu dieser Partie zurück, an der sie besonders Lucias Kraft und Kampfbereitschaft fasziniert. Für Diana Damrau ist es nach Rigoletto (Doris Dörrie, 2005), Ariadne auf Naxos (Robert Carsen, 2008), Die schweigsame Frau (Barrie Kosky, 2010) und Les contes d’Hoffmann (Richard Jones, 2011) die fünfte Premiere an der Bayerischen Staatsoper.
Pavol Breslik gibt als Lucias Geliebter Sir Edgardo di Ravenswood sein Rollendebüt. Der slowakische Tenor war an der Bayerischen Staatsoper u.a. bereits als Alfredo in La traviata, als Nemorino in L’elisir d’amore, als Lenski in Eugen Onegin und als Gennaro in Lucrezia Borgia zu erleben.
Gaetano Donizettis „Dramma tragico“ Lucia di Lammermoor wurde im September 1835 im Teatro San Carlo in Neapel uraufgeführt. Das Libretto stammt von Salvadore Cammarano, der sich von Walter Scotts Roman The Bride of Lammermoor inspirieren ließ. Von Zeitgenossen mit heftigen Begeisterungsstürmen gefeiert, gilt das Werk heute noch als herausragendes Werk des Belcanto, in welchem Donizetti seine dramatische Charakterisierungskunst vor allem in den Arien der Titelpartie unter Beweis stellen konnte. Lucia ist eine durch und durch romantische Heldin, die trotz ihres starken Willens und ihrer Durchsetzungskraft an der von Männern beherrschten Gesellschaft zugrunde geht. Ihr im Wahnsinn und schließlich im Tod endendes Drama ist eines der exemplarischsten und spannendsten Frauenschicksale der Operngeschichte. Die letzte Neuinszenierung der Oper in München feierte 1991 mit Edita Gruberova in der Titelpartie und Francisco Araiza als Edgardo Premiere (Michel Plasson / Robert Carsen). Bei dieser Aufführung spielte Sascha Reckert erstmals die in der Urfassung komponierte Glasharmonika-Begleitung der „Wahnsinnsszene“ auf seinem eigens gebauten Röhren-Verrophon. Reckert ist in dieser Funktion auch 2015 tätig.
BR-KlassikDie Premiere von Lucia di Lammermoor wird am 26. Januar live auf BR-Klassik übertragen. Zuvor führt die Sendung Foyer mit Informationen, Interviews und Live-Gesprächen in das Werk ein.
STAATSOPER.TVKostenloser Live-Stream der Vorstellung auf www.staatsoper.de/tv am Sonntag, 1. Februar 2015 ab 19.00 Uhr
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