Lyon, Opéra de Lyon - Ein hinreißendes Opernhaus, IOCO Aktuell, 27.11.2018
Opéra de Lyon - Intendant Serge Dorny
- IOCO stellt hinreißende Operhäuser vor -
Von Patrik Klein
Wer im Sommer 2018 auf seiner Reise durch Frankreich in Lyon verblieb und vor der wegen Theaterferien geschlossenen Opéra de Lyon stand, bekam schon einen ersten Eindruck von der besonderen Atmosphäre rund um dieses Operhaus. Direkt gegenüber dem Rathaus liegt das auffällige Gebäude aus verschiedenen Baustilen und Epochen. Unweit davon die Börse, viele kleine schmale Gassen mit Restaurants, die zum Einkehren geradezu übermächtig auffordern; junge Menschen tummeln sich auf den Betonflächen und viel Betrieb herrscht in dem Cafe direkt im Eingangsbereich der Oper. Da ich schon viel von der Oper gehört habe, formt sich die Idee, bald - im Theaterbetrieb - die Opéra de Lyon erneut zu besuchen, mindestens aber für ein ganzes Wochenende.
Wenn einige Wochen später IOCO von der Opéra de Lyon die offizielle Einladung erhält, Haus und Produktionen zu besuchen und Interviews zu führen, dann können frühere Gedankenspiele kein Zufall, dann muß Fügung "im Spiel gewesen sein".
Diesen als Glücksfall zu bezeichnenden Umstand wird IOCO im März des kommenden Jahres tatsächlich nutzen, um über zwei Produktionen zu berichten, die im Rahmen des dort jährlich stattfindenden Festivals, 2019 unter dem Motto Leben und Schicksale, zur Aufführung gelangen. IOCO wird dabei sein, wenn Tschaikowskys Werk Die Zauberin und Purcells kurze Oper Dido und Aeneas angereichert mit dem Finale Remember me des finnischen Jazzgitarristen Kalle Kalima als Premieren aufgeführt werden.
Ferner gibt der Besuch IOCO die Gelegenheit, das spektakuläre Gebäude im Detail kennen zu lernen und im Interview mit dem seit 2003 agierenden Intendanten Serge Dorny zu erfahren, wie er es schaffte, die Opéra de Lyon in die "erste Reihe" der Opernhäuser der Welt zu katapultieren.
Opéra de Lyon - Lage, Geschichte, Status
Die Opéra National de Lyon ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, die Musik und den Tanz in Lyon sowie der Region Rhône-Alpes zu fördern. Das Opernhaus befindet sich am Place de la Comédie im 1. Arrondissement der Stadt, direkt gegenüber dem Rathaus.
Die Opéra National de Lyon wurde 1983 gegründet und genießt seit 1996 den Status einer Opéra national.Intendant ist seit 2003 Serge Dorny, *1962 in Wevelgem, Belgien. Das universelle der Opéra de Lyon besteht auch darin, dass es, dem Stagione-Betrieb ähnlich, ohne eigenes Ensemble aber mit eigenem Chor, Orchester und Ballett ein sehr breites Programm von Ballett über Untergrund-Musik, Familiengrogramme (siehe den folgenden herrlichen youtube Video der Opéra de Lyon) bis hin zu klassischen wie modernen Opernproduktionen bietet.
Opéra de Lyon - Inmitten der Familie Youtube Trailer der Opéra de Lyon [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]
Das erste Opernhaus in Lyon wurde von dem Architekten Jacques-Germain Soufflot erbaut und 1756 eingeweiht. Aufgrund seines schlechten Zustandes wurde es jedoch bereits 1826 abgerissen, um dem Théâtre Chenavard, einem neoklassizistischen Neubau der Architekten Antoine-Marie Chenavard und Jean-Marie Pollet, Platz zu machen. 1989 wurde ein kompletter Umbau der Oper unter Leitung von Jean Nouvel durchgeführt. Vom ursprünglichen Gebäude ist die Ursprungsfassade verblieben; der Innenraum sowie eine sehr markante, in Stahl und Glas ausgeführte Dachkonstruktion wurden völlig neu gestaltet. Das Opernhaus wird seit dieser Neugestaltung in Anlehnung an den Namen des Architekten auch als Opéra Nouvel bezeichnet.
In der Oper befindet sich der 1100 Plätze fassende Große Saal sowie räumlich darunter ein kleines Amphitheater mit Platz für 200 Zuschauer. Um störende Vibrationen und andere Umwelteinflüsse bestmöglich vom Zuschauerraum zu isolieren, wurde der Große Saal im inneren des Opernhauses mit Hilfe von sechs gewaltigen Stahlträgern von jeweils 23 Tonnen Eigengewicht an 46 Meter hohen Pfeilern aus Beton aufgehängt.
Opéra de Lyon - Der Spielpan 2018/19 wird vorgestellt Youtube Trailer der Opéra de Lyon [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]
Bemerkenswert ist der Wandel der Opéra de Lyon, die durch den seit 2003 antierenden Intendanten Serge Dorny, durch mutiges Management und dem Motto "Qualität mit und ohne Stars" von einem provinziellen Theater zu einem der angesagtesten Häuser Europas mutierte. Klar, dass die Opernwelt einen solchen Erfolgsmenschen schnell für sich einnehmen wollte. So wurde Serge Dorny 2013 für fünf Jahre zum neuen Intendanten der Semperoper in Dresden gekürt. Doch aus dem für den 1.9.2014 geplanten Amtsantritt wurde nichts: Die damalige Kunstministerin Sachsens, Sabine von Schorlemer, sprach im April 2014, mit höchst fragwürdiger Begründung, eine seinerzeit auch von Christian Thielemann aktiv unterstützte fristlose Kündigung des Vertrages mit Serge Dorny aus. Diese fristlose Kündigung kassierten jedoch die zuständigen Gerichte in Dresden. Der Vertrag wurde trotzdem im August 2014 gegen Zahlung einer bedeutenden Abfindung aufgehoben. Serge Dorny kehrte – vermutlich nicht unfroh – zurück an seine Wirkungsstätte an der Opéra National de Lyon.
Der gebürtige Belgier Serge Dorny studierte in Gent Architektur, Kunstgeschichte, Archäologie, Komposition und Musikanalyse. Seine Theatertätigkeit begann er 1983 als Dramaturg an der Brüsseler Oper La Monnaie im Team von Gerard Mortier. 1987 wurde er künstlerischer Leiter des Flandern-Festivals. 1996 wechselte er als Generaldirektor und künstlerischer Leiter zum London Philharmonic Orchestra.
Am 12. März 2018 gab der damalige Bayerische Bildungs- und Kunstminister Dr. Ludwig Spaenle bekannt, dass ab 2021 Serge Dorny neuer Intendant und Vladimir Jurowski künftiger Generalmusikdirektor am größten deutschen Opernhaus, der Bayerischen Staatsoper werden. In der entsprechenden Pressemitteilung heißt es:
„Gerade haben wir im Bayerischen Kabinett wichtige Weichen für die Zukunft der Bayerischen Staatsoper, für eines der renommiertesten Opernhäuser der Welt, gestellt: Serge Dorny und Vladimir Jurowski werden ab der Spielzeit 2021/22 als neuer Intendant und neuer Generalmusikdirektor den Erfolgskurs der Bayerischen Staatsoper fortsetzen“, so der damalige Kunstminister Bayerns Dr. Ludwig Spaenle am 6. März 2018 nach einer Sitzung des Ministerrats. „Ich freue mich sehr, dass wir diese beiden vielbeachteten Künstler für München gewinnen konnten und dass das Bayerische Kabinett in beiden Personalien meinem Vorschlag zugestimmt hat. Für ihr künftiges Wirken als Intendant und Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper wünsche ich Herrn Dorny und Herrn Jurowski schon jetzt alles Gute“, so Minister Spaenle.
Es darf mit Spannung erwartet werden, was in der verbleibenden Zeit bis zum Amtsantritt in München in Lyon geschehen wird, und wie ein Meister der Organisation eines "Stagione-Spielbetriebs" ein riesiges Haus in der deutschen Theaterlandschaft als "Repertoirestätte" um- bzw. neugestalten wird. IOCO ist dabei und wird zeitnah berichten.
---| IOCO Kritik Opéra de Lyon |---