Linz, Landestheater Linz, Die spinnen, die Römer - Stephen Sondheim, IOCO Kritik, 27.02.2020
Die spinnen, die Römer - Stephen Sondheim
..... in Rom, 200 Jahre vor Christus, vor den Häusern des Lycus, eines Bordell-Besitzers, des Senex, eines lüsternen Patriziers, und des Erronius .....
von Marcus Haimerl
Spätestens seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts gilt Stephen Sondheim in der englischsprachigen Musical-Szene als der führende Musical-Autor was Qualität und Innovation betrifft.
In Kontinentaleuropa ist Stephen Sondheim hauptsächlich mit Leonard Bernsteins „West Side Story“ auf den Bühnen präsent, für welche er einige Liedtexte verfasst hat. Dennoch finden sich immer wieder Intendanten kleinerer Landes- und Stadttheater, die immer wieder seine Werke zeigen. Bereits 2016 präsentierte das Landestheater Linz im großen Saal des Musiktheaters Into The Woods – Ab in den Wald, Stephen Sondheims anspruchsvoll-ironische Auseinandersetzung mit dem Genre Märchen und 2018 am Schauspielhaus Assassins (Attentäter). Hier treffen sich im Rahmen einer Jahrmarktshow alle erfolgreichen und weniger erfolgreichen Mörder und Mörderinnen von US-Präsidenten und propagieren, dass Präsidentenmord die extremste Verwirklichung amerikanischer Freiheit sei.
Die spinnen, die Römer - Stephen Sondheim youtube Trailer Landestheater Linz [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]
Auf diese beiden Produktionen folgte nun A Funny Thing Happend on the Way to the Forum (Die spinnen, die Römer). Dieses 1962 entstandene Musical gilt als das erste Musical Sondheims, zeichnete er doch damals erstmals für Musik und Liedtexte verantwortlich. Originell ist hier auch der englische Originaltitel, da sich im ganzen Stück ja eigentlich niemand auf dem Weg zum Forum befindet.
Der Arbeitstitel lautete A Roman Comedy, doch wollte man schlussendlich einen Titel finden, der ausdrückt, dass es sich um eine Komödie handelt, ohne das Wort selbst zu verwenden. Also wählte das Kreativ-Team (Stephen Sondheim, Burt Shevelove und Larry Gelbart) eine Phrase, mit der im alten US-Theater des Vaudevilles die Conferenciers ihre Auftrittsnummern einleiteten: A funny thing happened on the way to the theatre. Um die im antiken Rom angelegte Handlung im Titel anzuzeigen, ersetzte man nur das Theater durch Forum. Davon abgesehen war bereits die Grundidee des Musicals ungewöhnlich: eine römische Komödie aus entlehnten Handlungsteilen und Personen aus Stücken, die von Maccius Plautus um rund 200 vor Christus nach griechischem Vorbild verfasst wurde. Von diesen Stücken sind zwanzig vollständig, sowie ein Fragment erhalten, und waren zu ihrer Zeit sehr erfolgreich, sie gelten bis heute als Juwelen des lateinischen Theaters.
Erst 25 Jahre nach der Uraufführung erlebte Sondheims Werk seine österreichische Erstaufführung. Das traditionsreiche Kabarett Simpl in der Wiener Innenstadt brachte sein Musical unter dem Titel „Zuständ‘ wie im alten Rom“ auf die Bühne. Der Leiter des Kabarett Simpl, Martin Flossmann, war nicht nur für die deutsche Übersetzung verantwortlich, sondern führte auch Regie und stand in der Rolle des Pseudolus auf der Bühne.
Den Inhalt des Stücks fasste Stephen Sondheim wie folgt zusammen: „Die Zeit: Zweihundert Jahre vor der christlichen Epoche, eines Tages im Frühling. Der Ort: eine Straße in Rom vor den Häusern des Lycus, eines Bordell-Besitzers, des Senex, eines lüsternen Patriziers, und des Erronius, eines verwirrten alten Mannes. Die Handlung dreht sich um die beharrlichen Bemühungen des Sklaven Pseudolus, seine Freiheit dadurch zu erlangen, dass er das Liebesleben seines jungen Herrn (Hero) entwirrt, und um das dadurch entstehende Durcheinander.“
In Linz inszenierte der deutsche Regisseur Matthias Davids Stephen Sondheims witziges und rasantes Musical im Bühnenbild von Hans Kudlich. Das Bühnenbild zeigt die drei, in einem Halbrund angelegten Häuser des Lycus, Senex und Erronius, dessen Vorplatz mit einer Treppe in den Zuschauerraum reicht, zeigt.
Das Orchester befindet sich sichtbar auf der Bühne, auf den Dächern Roms. Die bunten, teilweise schrillen Kostüme Turnschuhe mit eingebauten Rollen inklusive, die es Gernot Romic als Hysterium ermöglichen, elegant über die Bühne zu schweben, stammen von Susanne Hubrich, für die aufwendige Choreografie zeichnet sich Simon Eichenberger verantwortlich. Matthias Davids Regiearbeit und glaubwürdige Personenführung bietet größtmöglichen Humor ohne in reinen Klamauk abzugleiten und schafft einen Spannungsbogen, der in der wilden Verfolgungsjagd am Ende des zweiten Teils seinen witzigen Höhepunkt findet.
Am Pult des Bruckner Orchester Linz sorgte Juheon Han für die üppigen, temporeichen Broadwayklänge der 50er und 60er Jahre. Optimal besetzt ist die zentrale Rolle des Sklaven Pseudolus mit David Arnsperger, der mit überzeugendem Witz stets versucht, die Fäden in der Hand zu behalten. Auch gesanglich bleiben hier keine Wünsche offen. Auf gleich hohem Niveau erlebt man Gernot Romic als wandelbaren und häufig genervten Sklaven Hysterium, der immerzu bemüht ist, die Ordnung im Hause Senex aufrecht zu erhalten. Als Liebespaar Hero und Philia,die Jungfrau, überzeugen Lukas Sandmann und Hanna Kastner.
In der Partie des Hausherrn und Pantoffelhelden Senex glänzt der deutsche Bariton Klaus Brantzen mit viel Humor. Besser als mit Sanne Mieloo kann man die Partie der Domina, Gattin des Senex, kaum besetzen. Witzig schrill und dominant begeistert die gebürtige Niederländerin das Publikum. Beinahe schon luxuriös besetzt ist die Partie des Miles Gloriosus mit Christian Fröhlich, der nicht nur mit gewohnt großer, schöner Stimme, sondern vielmehr auch mit komischem Talent die Partie des römischen Kriegers massiv aufwertet. Als Kurtisanenhändler Lycus kann Karsten Kenzel ebenso unterhalten wie William Mason als Erronius. Mit besonderer Wandlungsfähigkeit und blitzschnellen Kostümwechseln beeindrucken Daniela Dett, Celina dos Santos und Lynsey Thurgar, die als „Chor“ in die Rollen von Eunuchen, Matrosen und Soldaten schlüpfen. Beachtlich auch die Kurtisanen: Timo Radünz als Tintinabula, Hannah Moana Paul als Panacea, Beate Chui und Yuri Yoshimura als die Geminae, Brittany Young als Vibrata und ganz besonders die akrobatischen Leistungen von Maria Gschwandtner als Gymnasia.
Der Jubel und anhaltende Applaus des Publikums beweist, dass das Landestheater Linz mit Stephen Sondheims Musical erneut eine Erfolgsproduktion vorgelegt hat, bei der auch gerne gelacht werden darf, denn: „tragedy tomorrow, comedy tonight!
---| IOCO Kritik Landestheater Linz |---