Köln, Oper Köln, Eine surreale 60-Jahr-Feier - Oper Köln, IOCO Kritik, 18.03.2017
Oper Köln
60 Jahre Oper Köln am Offenbachplatz
Köln feiert ein geschlossenes Theater - Mit Oberon
Von Viktor Jarosch
60 Jahre Oper Köln am Offenbachplatz feierte man am 11.3.2017 in Köln. Die Feier „60 Jahre Oper Köln am Offenbachplatz“ fand allerdings in der Ersatzspielstätte StaatenHaus statt, denn das Stammhaus der Oper Köln ist seit 2013 geschlossen. Am 18. Mai 1957 war die Oper Köln am Offenbachplatz eröffnet, am 19.5.1957 mit Carl Maria Webers selten gespielter romantischer Feenoper Oberon künstlerisch geweiht worden. Dr. Birgit Meyer, Intendantin der Oper Köln, zeigte sich in der Feier vor zahlreichen Gästen, vor Politikern und Kulturverantwortlichen der Stadt Köln und Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach in bester Laune: „Wir feiern 60 Jahre Oper Köln am Offenbachplatz. Selbst wenn die Lage schwierig ist und anders als gedacht.....Ich begrüße zu unserer heutigen Veranstaltung......Eine große Ehre...!“. Nichts sagte Meyer zur Wiedereröffnung der Oper Köln am Offenbachplatz!
Dr. Karl Zieseniß, 103 Jahre alter Zeitzeuge und von 1954 bis 1979 Verwaltungsdirektor der Bühnen Köln, erzählte authentisch mit launig kölschem Humor, wie 1957 das Theater am Offenbachplatz pünktlich und ohne Etatüberschreitung eröffnet wurde: "Mit „Behelf und Gepfusch... ging jeden Abend um 19.30 Uhr der Vorhang auf. Wenn das Schauspiel auf der Bühne war, dann ging die Oper eben nach Viersen oder Leverkusen.... Als kein Geld mehr da war, hörte man auf zu bauen. So waren wir zur Eröffnung zwar pünktlich, aber nicht ganz vollendet; wir nannten das Haus Das Grabmal des unbekannten Intendanten!“ Doch Zieseniß war konkret, war fordernd, man möge bald in das sanierte Theater am Offenbachplatz einziehen, denn „ich möchte mir das noch ansehen, und zwar nicht vom Himmelspötzke!“
Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach übermittelte den das geschlossene Opernhaus feiernden Gästen Grußworte der erkrankten Oberbürgermeisterin Henriette Reker, schwärmte über das vermeintlich reizvolle Ambiente der schwer erreichbaren Notbehelfsbühne im StaatenHaus und hoffte auf das Gute „am Ende eines langen Weges“. Der langjährige Geschäftsführer der Bühnen Köln, Dr. Wasserbauer, früher eher über Etatprobleme mit dem gefeuerten Ex-Intendant Uwe Eric Laufenberg aufgefallen, schwieg ebenfalls zur Causa Offenbachplatz. Auch Dr. Zieseniß erhielt zu seiner Hoffnung, die Eröffnung der Oper am Offenbachplatz "nicht vom Himmelspötzke" erleben zu müssen, keine Ansage: Kein Jahr, keinen Tag, nichts wurde gesagt, von niemandem.
Erwartungen, dass die 60-Jahr-Feier neben Feierlichem auch Ernstes zur Sanierung der seit 2013 geschlossenem Oper am Offenbachplatz, dem riesigen Millionengrab preisgeben würde, wurden somit enttäuscht. Der Termin der Wiedereröffnung der Oper (2017? 2018? 2019?) oder erwartete Kosten der Sanierung waren keiner Erwähnung wert, von Niemandem. Die 60-Jahr-Feier im StaatenHaus geriet so zu einem surreal wirkenden Kunst-Event: An- wie Abwesende wurden in Reden gelobt und gefeiert, bei Sekt, Häppchen und viel guter Laune. Die anwesenden Kölner Stadtoberen aus Kultur und Politik wie die Besucher wirkten entspannt, genossen Getränke und warteten gespannt auf die anstehende Premiere Oberon. Alles nur ein Traum ?
Die halb-konzertante Premiere von Oberon im Kölner StaatenHaus war dagegen trotz technischer Kompromisse ein Erfolg. Die 1826 in London uraufgeführte Oper von Carl Maria von Weber beruht auf Christoph Martin Wieland, welcher aus Feenmärchen, Tausendundeiner Nacht und Bibel ein „Romantisches Heldengedicht" in 12 Gesängen geschaffen hatte. Trotz des großen Erfolgs in London war von Weber mit Oberon nicht zufrieden. Viele Handlungsstränge, ein Nebeneinander von musikalischen Nummern und gesprochenen Dialogen führen auf der Bühne zu einem szenischen Gewusel, machen es Besuchern schwer, der Handlung zu folgen, die Musik zu genießen. In den wenigen verbleibenden Monaten seines Lebens änderte Weber nichts mehr an seiner Oper. Sein Schüler Julius Benedict, Gustav Mahler und zahllose Regisseure taten dies; sie ergänzten, kürzten, veränderten die Feenoper bis zur Unkenntlichkeit. Wo Oberon heute drauf steht, ist oft nur noch wenig Weber oder Wieland drin.
Genau dies macht den Reiz der von Werner Seitzer geschaffenen Kölner Produktion aus. Sie greift zurück auf die ursprüngliche Vorlage; die Musik ganz Carl Maria von Weber; Christoph Martin Wielands heiteres wie bildungsgetriebenes „Heldengedicht“ bestimmt Texte und Handlungsstränge in Köln; die technischen Beschränkungen im StaatenHaus geraten zur Nebensache. Der Besucher konzentriert sich auf reizvolle gesprochene wie gesungene Texte (von Alexandra Gelhar bestens lesbar auf Tafeln projiziert), worin sich Feenkönig Oberon und Elfenkönigin Titania sich streiten, ob eher Mann oder Frau zur Untreue neigen. Oberon will sich erst versöhnen, wenn ein Menschenpaar ihre Treue trotz schwerer Prüfungen bewiesen hat. In der folgenden, an Merkwürdigkeiten reichen Handlung erwählt Oberons Vertrauter Puck den Ritter Hüon von Bordeaux diese Prüfung zu bestehen. Karl der Große hatte Hüon beauftragt, am Hofe des Kalifen in Bagdad zu köpfen, die Kalifentochter Rezia als seine Braut zu küssen…… Rezia hatte schon im Traum Hüon gesehen und sich in ihn verliebt…
Spürbare Spannung erzeugt, weil die komplexe Handlung wohl steuernd, der Erzähler August Zirner. Als Moral fordernde wie Handlung erklärende Stimme zeichnet Zirner auf der Bühne in lebendiger Motorik und deutlicher Diktion Christoph Wielands Verse um unglückliche singende Wesen: Die Götter Oberon und Titania sind im Himmel ebenso zerstritten wie ihre irdischen Antipoden in der Suche nach Liebe, Tapferkeit und Ehrlichkeit. Das konzertant singende Solisten bestanden allesamt ihr Rollendebüt wie das rauschende Nebeneinander von Erzähler und Musik dieser selten gespielten Oper. Brenden Gunnell strahlt in seiner zentralen Partie als Ritter Hüon mit sicherem wie wohl timbrierter Tenorstimme. Doch auch Kristiane Kaiser, als Rezia mit leidenschaftlichen Spitzentönen, Jeongki Cho als Oberon mit kräftig expressiver Höhenlage wie Regina Richter in melancholischem Mezzo als Fatime, Wolfgang Stefan Schwaiger als Scherasmin und Adriana Gamboa als Puck vervollständigen eine gelungene Ensembleleistung. Christoph Poppen und das Gürzenich-Orchester Köln und der Chor der Oper Köln füllen Webers romantische Komposition mit ergreifend feinfühlig warmen Klängen.
So wurde die selten gespielte Oberon Produktion im StaatenHaus Köln zu einem inspirierenden Theater-Erlebnis. Bau-Wirren um das Millionen-Grab Offenbachplatz schienen vom Publikum längst verdrängt. Man feierte die Oper Köln im StaatenHaus: Ensemble, Chor, Orchester und Erzähler, welche in bescheidenem Umfeld die vielschichtige Feenoper Oberon lebendig wie berührend produziert hatten. Ahnungen beschlichen uns, daß noch viele Premieren im StaatenHaus zu sehen sein werden.
---| IOCO Kritik Oper Köln |---