Hildesheim, TfN, Johanna auf dem Scheiterhaufen - Arthur Honegger, IOCO Kritik, 27.06.2018
Johanna auf dem Scheiterhaufen - Arthur Honegger
- Der Mythos Jeanne d'Arc -
Von Randi Dohrin
Jeanne la Pucelle, Jeanne d'Arc oder, wie im deutschen Sprachraum geläufig, die Jungfrau Johanna von Orléans, war bereits zu ihren Lebzeiten ein Mythos. Mitten im 100-jährigen Krieg zwischen England und Frankreich, wurde 1412 Jeanne d'Arc in Domrémy (Lothringen) geboren. Nach ihren eigenen Angaben, hatte sie bereits im Alter von 13 Jahren ihre ersten göttlichen Visionen, in denen ihr die Heilige Katharina, der Erzengel Michael und die Heilige Margareta erschienen waren. Sie gaben ihr den Auftrag, Frankreich von den Engländern zu befreien und dem rechtmäßigen französischen Thronfolger zu seinem Thronrecht zu verhelfen.
Im Alter von 17 Jahren zog Jeanne d'Arc mit in die bedeutende Schlacht von Orléans. Mutig spornte sie das französische Heer zu Höchstleistungen an und siegreich gelingt es ihnen, die Engländer zu vertreiben. Somit konnte Karl der VII. von Frankreich am 17. Juli 1429 zum König gekrönt werden.
Mit diesem glorreichen Sieg über England, war in Frankreich jedoch immer noch kein Frieden eingekehrt. Jeanne d'Arc stellte sich erneut an die Spitze des französischen Heers und in dieser - militärisch eher unbedeutenden - Schlacht von Compiégne wird sie 1430 durch Johann II. von Luxemburg gefangen genommen. Nach sieben Monaten Gefangenschaft im Kerker, wurde sie für eine namhafte Summe an die Engländer verkauft, die sie der katholischen Gerichtsbarkeit übergaben.
In einem Schauprozess wurde sie als Ketzerin verurteilt und 19-jährig am 30. Mai 1431 auf dem Marktplatz von Rouen auf einem Scheiterhaufen lebendig verbrannt. Einen Widerruf, der sie gerettet hätte, unterschrieb sie nicht. Sie übergab sich im Glauben an die überirdische Liebe dem Feuer.
24 Jahre nach ihrem Tod wird das Todesurteil aufgehoben und das Bauernmädchen Jeanne wird zur Märtyrerin erklärt. Seit dem 19. Jahrhundert gilt Jeanne d'Arc als Heldin und Nationalmythos der Franzosen. 11 Jahre nach ihrer Seligsprechung durch Papst Pius X., sprach sie Papst Benedikt XV. im Jahre 1920 heilig.
Die Geschichte der Jungfrau von Orléans regte immer wieder die Künste an, etwa in Werken von Friedrich Schiller, Giacomo Rossini, Guiseppe Verdi, Berthold Brecht, George Bernhard Shaw oder Arthur Honegger und Paul Claudel mit dem dramatischen Oratorium Johanna auf dem Scheiterhaufen.
Dieses, 1938 in Basel konzertant uraufgeführte Oratorium Johanna auf dem Scheiterhaufen von Arthur Honegger, stand am 23. und 24. Juni 2018 auf dem Programm des 5. Sinfoniekonzerts des Theaters für Niedersachsen, das von Honegger und Claudel als Aufschrei gegen eine chaotische ungerechte Welt und staatliche Willkür verstanden werden sollte. Claudel setzte Tiere als Richter ein in diesem Scheinprozess und Honegger überhöhte diese Farce noch musikalisch durch Jazzkompositionen innerhalb der Gerichtsszenen.
Mit diesem Werk verwirklichte Honegger die besondere musikalische Mischform des Sprech- und Musiktheaters, wobei er den Text nicht durchgängig dramatisch vertonte. In deutscher Sprache zeichnete das TfN Hildesheim in 11 Szenen reale und imaginäre Stationen, aus dem Leben der Jungfrau von Orléans nach.
Das Oratorium beginnt am Tag der Hinrichtung in Rouen am 30. Mai 1431 mit einem raunendem Chor zum Erschauern und Eintauchen in dieses grausame Geschehen und beeindruckend mystisch schwebend, meisterte der Kinderchor seinen Part. Spannungsvoll eindringlich von einer Kinderstimme vorgetragen, ertönte der Satz ..."Es war ein Mädchen namens Jeanne!"
Den insgesamt stark geforderten, dabei bestens disponierten Chören, gelang unter der Einstudierung von Chordirekter Achim Falkenhausen, die spannungsvolle textverständliche Eindringlichkeit der Chorpartien dieses dramatischen Oratoriums. Die Umsetzung dieser Synthese aus Musik und Sprache, gelang vor allem den Ensemblemitgliedern des Musiktheaters, der TfN-Philharmonie und allen Chören des Theaters für Niedersachsen, einschließlich dem Symphonischen Chor Hildesheim, in fesselnder Weise.
In den Sprech-Hauptrollen der Jeanne d'Arc und Frére Dominique überzeugten die Schauspieler Simone Mende und Marek Egert leider nicht, trotz der hervorragend tragenden Untermalung des TfN Orchesters. Die "lässige" Darstellung der beiden Solisten, wurde der Dramatik des Oratoriums leider nicht gerecht. Die Gesangspartien bestritten grandios in ätherischer Intensität Meike Hartmann (La Vierge, die heilige Jungfrau), Antonia Radneva (Marguerite), Neele Kramer (Catherine), Konstantinos Klironomos (Porcus, Herold 1, Schreiber und weitere), Uwe Tobias Hieronimi (Zeremonienmeister, Herold 2 und weitere) und Levente György (Herold 3, Esel und weitere).
Achim Falkenhausen, als stellvertretender Generalmusikdirekter, übernahm an diesen beiden Konzertabenden die souverän ausgeführte Leitung.
Nach angemessenen Minuten des Innehaltens, dankte das Publikum applaudierend den zahlreichen Mitwirkenden für dieses Konzerterlebnis.
---| IOCO Kritik Theater für Niedersachsen |---