Hamburg, Elbphilharmonie, Eröffnung Januar 2017 - Weisse Haut installiert, IOCO Aktuell, 06.02.2016
Weltweit einzigartig: Die Weiße Haut im Konzertsaal
Für viele Jahre war die Hamburger Elbphilharmonie verlässlicher Garant für Negativschlagzeilen. Die Bauzeit dauert spektakuläre sieben Jahre länger als ursprünglich geplant, die Baukosten von € 77 Mio stiegen auf € 789 Mio, die Staatsanwaltschaft untersucht. Deutsche Baukompetenz, so glaubte man bisher, sei aus anderem Stoff gemacht. Doch nun wird alles etwas gut:
Im Januar 2017 werden erste Töne in der Elbphilharmonie Hamburg erklingen. Im Januar 2016 hat das Konzerthaus den Meilenstein hin zu einer überwältigenden Akustik erreicht: Die Weiße Haut in Großen Konzertsaal wurde fertiggestellt. Lediglich letzte Arbeiten an der innovativen rund 6.000 Quadratmeter großen Wand- und Decken-verkleidung werden noch vorgenommen. Dies betrifft besonders den Einbau der Orgel.
Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler: „Mit Erreichen des letzten Zwischentermins bis zur Eröffnung am 11. und 12. Januar 2017 liegen wir nun voll im Zeitplan. Dies ist das Ergebnis einer ausgezeichneten Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten, seit der kompletten Neuordnung des Projektes vor gut drei Jahren.
Auch wenn wir erst in einem knappen Jahr den überwältigenden Klang in der Elbphilharmonie Hamburg genießen können, wird bereits jetzt sichtbar, was für ein architektonisches Juwel mit der Elbphilharmonie in Hamburg entsteht.“
Für die hervorragende Akustik im Konzertsaal ist neben der Geometrie des Raumes und den Materialien auch die Oberflächenstruktur entscheidend. Die spezifische Oberflächenstruktur der Wände und Decken wurde von Herzog & de Meuron durch Materialrecherchen und Formstudien und Mustern in Abstimmung mit dem japanischen Akustiker Yasuhisa Toyota von Nagata Acoustics entwickelt und von HOCHTIEF realisiert. Die Weiße Haut ist eine der vielen Innovationen und komplexen Entwicklungen in der Elbphilharmonie Hamburg. Jacques Herzog, Architekturbüro Herzog & de Meuron: „Entscheidend für die Qualität der Akustik ist die Verbreitung des Schalls im Konzertsaal. Dafür müssen die Geometrie des Raumes, die verwendeten Materialien und die Oberflächenstruktur optimal aufeinander abgestimmt werden. Es sind diese Struktur und der fließende Übergang zwischen Wänden und Decke, die dem Konzertsaal etwas Naturhaftes verleihen.“
Beate Cornils, Projektleiterin HOCHTIEF: „Der Einbau der Weißen Haut war auch für die Ingenieure und Handwerker eine große Herausforderung. Von den rund 10.000 Platten aus Gips und Papier, die jeweils im Durchschnitt 70 Kilogramm wiegen, sieht keine aus wie die andere, und jede musste ihren Platz an der komplexen Unterkonstruktion finden, um sich zu dem beeindruckenden Ganzen zu fügen. Mit dem Einbau der Orgel wurde bereits begonnen, sodass wir uns mit großen Schritten der Fertigstellung der Elbphilharmonie nähern.“
In der Elbphilharmonie Hamburg ist Musik so nah wie in keinem anderen Konzerthaus. Das Weinberg-Prinzip des Großen Saals stellt dabei auch eine besondere Nähe zwischen Publikum und Künstlern her: Mit maximal 30 Metern Abstand zwischen dem Dirigenten und den Zuschauern ist in der Elbphilharmonie Hamburg Musik sehr nah. Generalintendant Christoph Lieben-Seutter: „Mit der Fertigstellung der Weißen Haut bestätigt sich einmal mehr die Einmaligkeit des Großen Saales, dem Herzstück der Elbphilharmonie. Der räumliche Eindruck ist phantastisch. Der Saal wirkt gleichzeitig intim und großzügig, seine organische Form macht ihn zu einem idealen Ort für große künstlerische Erlebnisse.“
Die Weiße Haut: Das akustische Konzept
Für gute Akustik im Konzertsälen ist neben der Raumgeometrie und den Materialen auch die Oberflächenstruktur entscheidend, um Schall gezielt zu streuen. Bei historischen Konzertsälen übernehmen zum Beispiel barocke Ornamente diese schallstreuenden Funktionen.
Bei der Elbphilharmonie sind es rund eine Million muschelförmige Fräsungen, die den Schall lenken beziehungsweise streuen und ihn so optimal im Raum verteilen. Die Oberfläche erhält so ein sehr lebendiges, fast handwerklich geschnitzt anmutendes Erscheinungsbild. Dabei sind das Massengewicht und die Dichte der sehr schweren Gipsfaserplatten für den hohen Grad an Schallreflektion entscheidend. Wand und Decke gehen ineinander über und wirken wie eine einheitliche „Weiße Haut“.
Diese spezifische Oberflächenstruktur der Wände und Decken wurde durch ausführliche Materialrecherchen und in zahlreichen Formstudien und Mustern und Brandschutz-experten entwickelt. Maßstabsgetreue Versuchsaufbauten, eine 3D-Ausführungsplanung und eine sehr präzise Werk- und Montageplanung ermöglichten die Realisierung. Der Reflektor, 15 Meter über der Bühne in der Mitte des Deckengewölbes aufgehängt, reflektiert den Klang auch für das Orchester optimal. Weitere Einzelheiten des Konzeptes:
• Die Weiße Haut: Rund 6.000 Quadratmeter o 1.700 Qm Weiße Haut der Saaldecke o 200 Qm Weiße Haut Reflektorunterseite o 3.700 Qm Weiße Haut der Ränge für Wände, Decken, Brüstungen • Anzahl Gipsfaserplatten: zirka 10.000 • Anzahl gefräste Täler: zirka 1 Million • Frästiefe: variabel, zwischen 5 und 90 Millimeter • Größe pro Platte: variabel, in der Regel rund 0,5 Quadratmeter • Gesamtgewicht Weiße Haut: 226 Tonnen • Gewicht pro Platte: variabel, je nach Größe zwischen 35 bis 200 Kilogramm • Durchschnittliches Gewicht pro Platte: 70 Kilogramm • Montagebeginn der Unterkonstruktion Weiße Haut Saaldecke: Oktober 2013
Der Große Saal• 2.100 Sitzplätze: in Abhängigkeit von Nutzung des Saals • Maximale Entfernung zum Dirigenten: 30 Meter • Höhe oberster Platz: rund 17,80 Meter über dem Parkett des Konzertsaals • Grundfläche (inklusive Bühne): rund 2.590 Quadratmeter • Maße Großer Saal: Länge: 50 Meter, Breite: 40 Meter, Höhe: 25 Meter • 362 Federpakete dienen zur Lagerung und akustischen Entkopplung des Konzertsaals im Gebäude („Raum in Raum“) • Höhe des Konzertsaals (Parkett) im Gebäude: 50,81 Meter (12. Stock)Bühne: Grundfläche von 270 Quadratmetern, Breite: 21,3 Meter, Tiefe: 15,5 Meter • Reflektor: Höhe über der Bühne: 15 Meter, Durchmesser: 15 Meter
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